
Und Los. Um 14.35 Uhr gibt Frank Struckmann-Bohlen die Anweisung: Suppe auffüllen. Oliver Schmidt hat im Vorhinein dafür gesorgt, dass alles bereit ist. Denn um Punkt 14.37 Uhr müssen die Kellner die Suppe servieren. Gleichzeitig schwärmen sie in den Saal, um den ersten Gang des Schaffermahls aufzutischen. So geht es dann noch vier weitere Gänge.
Seit drei Jahren sind Schmidt und Struckmann-Bohlen als Team für die Bewirtung bei der Schaffermahlzeit verantwortlich. Schmidt und sein Team kümmern sich um das Catering, Struckmann-Bohlen sorgt als Zeremonienmeister dafür, dass der Ablauf und der minutengenaue Zeitplan der Veranstaltung eingehalten werden. Zusammen koordinieren sie das 80 Personen starke Küchen- und Serviceteam. Ihre Aufgaben gehen Hand in Hand. Über ein Headset ist Schmidt mit Struckmann-Bohlen verbunden. Der sagt ihm, was als nächstes passiert, Schmidt bringt dann seine Mitarbeiter in Stellung.
Eine organisatorische Meisterleistung? Struckmann-Bohlen winkt ab. Es sei ja jedes Jahr das Gleiche, sagt er. Den zeitlichen Ablauf kennt er mittlerweile auswendig. Seit acht Jahren übernimmt er die Aufgabe des Zeremonienmeisters nun schon. Die Erfahrung gibt ihm Ruhe.
Schmidt ist als Catering-Chef zum dritten Mal dabei. An das erste Jahr erinnert er sich noch gut. Natürlich sei er aufgeregt gewesen. „Wenn man sich in Bremen blamieren will, dann ist dieser Tag der richtige“, sagt er. Erst habe er sich die Abläufe erklären lassen müssen. Er war nie Gast der Schaffermahlzeit.
„Olli hat dann gleich auch eine Neuerung eingeführt“, sagt Struckmann-Bohlen. Er grinst, denn „Neuerungen“ gibt es bei der Schaffermahlzeit eigentlich nicht. 2017 servierte der gelernte Koch Schmidt einen Selleriesalat nach seiner Art: nicht, wie sonst, geschnitten und eingelegt, sondern mit Kräutern verfeinert. Was wie eine Kleinigkeit klingt, löste laut Schmidt großen Protest aus: Eine hunderte Jahre alte Tradition sei einfach übergangen worden, so die Kritik. „Ich wusste ja nicht, dass das so heilig ist“, sagt er. „Wir dachten einfach: ,So schmeckt das ja nicht', und haben nach einer Alternative gesucht.“
Erschwerend hinzu kam, dass es in jenem Jahr auch den traditionellen Salzkartoffeln an den Kragen ging: Schmidt servierte sie gestampft. Im Großen und Ganzen sei es ja das Gleiche, es sehe eben nur anders aus, sagt er. „Aber dann ist es natürlich auch nicht mehr traditionell.“
Die Zusammensetzung der Gerichte bezeichnet der Inhaber der Delikatessenhandlung Grashoff als eigenwillig. Dennoch müsse er zugeben: Für die Schaffermahlzeit funktioniere sie sehr gut. Schmidt sagt, er habe großen Respekt vor Traditionen, sei selbst Traditionalist. Die Schaffermahlzeit gebe es schließlich schon seit 1545. „Das ist schon was!“ Die Schaffermahlzeit sei, so wie ihre Gerichte, eben außergewöhnlich.
Das weiß auch Struckmann-Bohlen längst. Er kümmert sich jedes Jahr um eine weitere Besonderheit: Bei der Schaffermahlzeit hat jeder Gast nur ein Messer und eine Gabel – für vier Gänge. Es gehört zur Tradition, dass das Besteck nach jedem Gang von den Gästen gesäubert werden muss. Dafür liegt ein spezielles Papier an jedem Platz. Struckmann-Bohlen läuft dann um die Tische und kontrolliert, ob die Teilnehmer ihren Pflichten nachkommen. Wenn nicht, spricht sie Struckmann-Bohlen an: „Das Besteck bitte reinigen.“ Schmidt vermutet, der ein oder andere Kaufmann mache mit voller Absicht sein Besteck nicht sauber, damit Struckmann-Bohlen vorbei kommt und ihn darauf hinweist. Ein Kokettieren mit der Tradition. Struckmann-Bohlen sagt, ihm mache das nichts aus. Er lasse sich nicht aus der Ruhe bringen, die Schaffermahlzeit habe eben ihre geplanten Abläufe.
Dabei kam es gerade erst im vergangenen Jahr zu einer ungeplanten Überraschung: Einer der Schaffer verschüttete Seefahrtsbier auf die weiß gedeckte Tafel. Die einzige Lösung, den großen brauen Fleck zu beseitigen, war, ihn zu verdecken. In kurzer Zeit organisierte Struckmann-Bohlen einen Stapel frischer Tischdecken und legte sie nacheinander über den Tisch. „Das brachte uns mindestens drei Minuten Zeitverzug“, sagt er. „Eigentlich waren es zehn“, ergänzt Schmidt. Struckmann-Bohlen holte die Zeit aber wieder rein, der Ehrengast konnte pünktlich mit seiner Rede starten.
Längst sind Frank Struckmann-Bohlen und Oliver Schmidt ein eingespieltes Team. „Olli“ sagt Struckmann-Bohlen, wenn er über Schmidt redet. Dann entschuldigt er sich – als sei die formlose Vertrautheit der beiden etwas, das nicht zur Schaffermahlzeit passen würde. Dabei sind Schmidt und Struckmann-Bohlen so etwas wie das Herz der Veranstaltung. Zusammen tragen sie dazu bei, dass auch eigenwillige Traditionen gewahrt werden. Meistens.
Denn seit dem vergangenen Jahr gibt es tatsächlich eine offizielle Neuerung. Schmidt schaffte, was noch keiner vor ihm durchgesetzt hatte: Für den Selleriesalat beschlossen die Mitglieder von Haus Seefahrt nach der Schaffermahlzeit 2017, dass eine Änderung gerechtfertigt sei. Endlich habe man den Salat wenigstens mal essen können, lautete das Feedback. Seitdem darf ihn Schmidt ganz offiziell verfeinert servieren. Die Kartoffeln kommen allerdings wieder rund und geschält auf den Teller. So ist es Tradition.
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