
Es ist ein Moment des Innehaltens, als sich die Bremische Bürgerschaft am Donnerstag zur Gedenkstunde für die Opfer der Reichsprogramnacht vor 79 Jahren an dem Mahnmal für dieses Ereignis in der Dechanatstraße trifft. Auch die Maurer auf dem Gerüst der angrenzenden Hochschule für Künste unterbrechen ihre Ausbesserungsarbeiten an der Fassade und schauen zu, als Gastredner und Zeitzeuge Dan Goren seine Erinnerungen bemüht.
Der 1925 in Aachen geborene Jude berichtet, wie er als 13-Jähriger die Pogromnacht in Köln erlebte, wo seine Familie inzwischen wohnte. „Das Bild der brennenden Synagoge wird mir für immer im Gedächtnis bleiben“, sagt Goren. Erst ein halbes Jahr zuvor hatte er dort seine Bar Mizwa, seine Religionsmündigkeit, gefeiert. „Für den Blick auf die Synagoge bin ich am Morgen des 10. November auf das Dach unseres Hauses gestiegen“, erinnert er sich. Sein Vater hatte der übrigen Familie schon am Morgen des 9. November verboten, die Wohnung zu verlassen.
Dem Weitblick seines Vaters verdankt Goren sein Überleben. Wenige Monate später verlässt er Deutschland in Richtung Palästina. Mit nicht einmal 14 Jahren kommt er in Haifa an, lernt den Beruf eines Landmaschinenschlossers und erlebt später die Staatsgründung Israels. „Das ist nun meine Heimat“, sagt er. Auch seine Eltern schaffen es, nur einen Tag vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Palästina auszureisen. „Einen Tag später wäre das nicht mehr möglich gewesen“, betont Goren. Alle übrigen Mitglieder seiner Familie, die in Deutschland blieben, starben in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten.
Fünf Juden in der Pogromnacht ermordet
Vor Goren hielt Maike Schaefer im Namen der Bremischen Bürgerschaft eine Ansprache. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen erinnerte darin auch an die zahlreichen nicht-jüdischen Opfer der Nazis, insbesondere an die rund 100.000 getöteten geistig Behinderten und psychisch Kranken. Dabei sei erstmals Gas als Mordinstrument zum Einsatz gekommen, und zahlreiche Beteiligte an diesen Tötungen seien später auch in den Konzentrationslagern beim Mord an den Juden dabei gewesen.
„Wir müssen uns außerdem immer wieder deutlich machen, dass hinter den unfassbar hohen und abstrakten Opferzahlen der Nazis einzelne Menschen mit Namen und Biografien stehen“, betonte die Politikerin. Stellvertretend nannte sie die Namen der fünf unmittelbar im Verlauf der Pogromnacht 1938 in Bremen ermordeten Juden, die auch auf dem Mahnmal für die Opfer der Novemberpogrome stehen: Martha Goldberg, Dr. Adolph Goldberg, Heinrich Rosenblum, Leopold Sinasohn und Selma Zwienicki. Vor diesem Hintergrund forderte Schaefer den entschiedenen Widerspruch aller Demokraten gegen Äußerungen rechtsextremer Politiker der AfD, die von „einer Neuausrichtung der Erinnerungskultur“ reden und das zentrale Mahnmal zum Gedenken an den Holocaust in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnen.
Die Feierstunde endete mit der Totenklage und dem Kaddisch-Gebet durch Netanel Teitelbaum, den Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinde. Zuvor legten Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) und seine Stellvertreter Sülmez Dogan (Grüne) und Frank Imhoff (CDU) im Namen des Landesparlaments gemeinsam einen Kranz an dem Mahnmal nieder.
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