
Völlig erschöpft sitzt Carl Declerck in seinem orangefarbenen Radlershirt auf dem Bremer Marktplatz, sein schwer bepacktes Fahrrad an den Treppenaufgang des Schütting gelehnt. „Das ist der Tiefpunkt“, sagt er in die Kamera. 72 Tage ist der bärtige junge Mann schon mit dem Fahrrad unterwegs, als er im Juni 2018 in der Hansestadt ankommt. „Ich war so fertig“, sagt er heute, und „Bremen ist so wahnsinnig schön“. Davon, und was er in 80 Tagen über 4000 Kilometer durch 16 Bundesländer erlebt hat, erzählt er in seiner Online-Reportagereihe „Ein Belg in Deutschland“.
Aus Belgien, wo er zuletzt in Antwerpen wohnte, stammt der heute 29-Jährige Carl Declerck. Der Liebe wegen ist er im Januar 2018 nach Köln gezogen, zu seiner Carina, die er in Thailand kennengelernt und mit der er zwei Jahre eine Fernbeziehung geführt hatte. Spontan sei ihm die Idee gekommen, seine neue Heimat mit dem Rad zu erkunden, um die Sprache zu lernen und Deutschland kennenzulernen – aber auch mit dem Gedanken, Material für Bewerbungen im Medienbereich zu erarbeiten. Als Redakteur und Realisator hat Carl Declerck für den Flämischen öffentlichen Rundfunk gearbeitet.
Eine gute Ausrüstung legte er sich für diese, seine erste Radtour zu: das Fahrrad, ein Zelt und Kameras, alles in allem 50 Kilo. Durch alle 16 Bundesländer will er fahren, sich drei Monate Zeit nehmen und ansonsten schauen, was passiert. „Es war so viel besser, als ich mir jemals erträumt hatte“, schwärmt Carl Declerck immer noch. „Deutschland ist so unfassbar schön.“ Als Belgier würde man in südliche Länder reisen, Deutsche würden als langweilig und steif gelten. Für ihn sind sie heute „das Beste“, „der Hammer“.
So viele liebe, offene, herzliche Leute habe er kennengelernt, bei denen er duschen durfte, die ihn einluden, die für ihn kochten. Carina habe vorher gesagt, die Leute werden dich nie einladen. Er habe fest daran geglaubt: „Wenn Du selbst offen bist, dann sind auch alle anderen offen.“ Im Schwabenland lernte er ein Paar kennen, das Jurten baut, und half spontan. Die beiden heirateten gut fünf Wochen später in Hamburg und luden ihn dazu ein. „Das war extrem schön.“ Seine Reise, die bei Regen Ende März in der Eifel begann und von viel Hitze bis Ende Juni begleitet war, führte ihn unter anderem zum früheren Konzentrationslager Buchenwald. Auch das einer der „Eindrücke, die man nicht vergisst“. Die meisten Begegnungen mit Menschen ergaben sich spontan, auch Daniel Serrano kannte er nicht, bei dem er in Bremen unterkam. Allerdings ist der 27-Jährige aus Kolumbien mit Carl Declercks Freundin bekannt, die um eine Unterkunft für den Radfahrer anfragte. Zwei Nächte blieb der Radfahrer in Bremen, wo „ein Kolumbianer italienisch für einen Belgier in Deutschland kocht“, wie die beiden im Video festhalten.
Daniel Serrano lebt seit fünf Jahren in Bremen, „ich liebe diese Stadt“. Einmal Bremer, immer Bremer, fügt er an, und wünscht sich sehr, dass sich hier beruflich etwas für ihn ergibt. Journalismus hat er in Kolumbien studiert, ein Volontariat beim Hamburger Tide TV gemacht, jetzt studiert er Kommunikations- und Kulturwissenschaften, sehr theoretisch und sehr wissenschaftlich sei das.
Als Journalist interessiere er sich für Geschichten, und die von dem Belgier klang spannend. Die Sielwall-Ecke und das kulinarische Angebot der Stadt hat er dem Gast gezeigt, bei bestem Wetter in Bremen. Abends nahm er ihn mit zu einer Studentenfete, wo es auch Pommes gab. Und da wurde der Belgier kritisch: „Fritten können die Deutschen nicht“, sagt er im Video, „schlechte Pommes, aber gute Musik.“
„Das war kein Urlaub“, betont Carl Declerck, der immer wieder Kameras aufbaute, Bilder speicherte, Batterien auflud, Leute ansprach, ihnen zuhörte, für den nächsten Tag plante und radelte. Manchmal steil bergauf, wie im Allgäu, wo seine Freundin ein paar Tage mitfuhr, manchmal gegen eine steife Brise im norddeutschen Flachland an.
Wieder zu Hause stellte der „Belg“ einen kurzen Trailer zusammen und bewarb sich damit bei jeder in Frage kommenden Firma in der Medienstadt Köln. Tvision war begeistert, dort hat der 29-Jährige zwei Monate lang sein Material geschnitten und bis auf die Grafik alles selbst gemacht. Nach und nach gingen die rund siebenminütigen Beiträge online.
Und auch wenn die Pommes frites nicht mundeten, auf den Geschmack gekommen ist Carl Declerck, der zurzeit für den Privatsender Vox in Köln arbeitet, dennoch. Gemeinsam mit seiner Freundin, die für den Kinderkanal arbeitet, will er wieder auf Radtour gehen: von Köln nach Griechenland, in drei Monaten. Filme folgen.
Die 22 Folgen der Reportagereihe „Ein Belg in Deutschland“ von Carl Declerck feat. tvision wurden nach und nach bei Youtube online gestellt. In Folge 20 ist die Tour von Hamburg nach Bremen zu sehen.
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