
Die Bremer Bildungsbehörde übt Kritik an den Plänen der Bundesregierung, die vorsehen, dass jedes Grundschulkind ab 2025 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung haben soll. Vor allem an der Finanzierung und am Zeitpunkt stört sich das Ressort. „Wir haben immer gesagt, dass die Kommunen das bis 2025 nicht schaffen“, sagt Annette Kemp, Sprecherin der Bildungssenatorin, „wir erwarten, dass Bund und Länder darüber noch einmal verhandeln.“
Auch die angedachte Finanzierung hält Bremen nicht für ausreichend. Zwei Milliarden Euro will das Bundeskabinett in den Ausbau der Räume und Gebäude an den rund 15.000 Grundschulen in Deutschland stecken. Bremen rechnet damit, von diesem Geld rund 19 Millionen Euro zu bekommen. „Das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagte Kemp. „Das ist keineswegs ausreichend. Wichtig ist, dass auch die Betriebskosten für den Ganztag berücksichtigt werden und nicht nur die Umbauten.“
Auch das Deutsche Jugendinstitut (DJI) kommt nach neuesten Berechnungen zu dem Schluss, dass die Umsetzung deutlich mehr kostet. Das DJI geht bis 2025 von 400 000 zusätzlichen Grundschülern aus und Investitionskosten in Höhe von 5,3 Milliarden Euro.
In der Stadtgemeinde Bremen sind 43 der 76 Grundschulen Ganztagsschulen, das sind rund 60 Prozent. In Bremerhaven sind es neun von 18 Grundschulen, also die Hälfte. Genau wie Bundesfamilienministerin Franziska Giffey geht auch Bremen davon aus, dass künftig 75 Prozent aller Grundschüler das Ganztagsangebot nutzen werden.
In Niedersachsen nutzen laut Ministerium in Hannover rund 60 Prozent aller Schüler ein Ganztagsangebot, 108.000 sind das an 1050 von insgesamt 1700 Grundschulen im Land. Kultusminister Grant Hendrik Tonne lobt zwar das bildungspolitische Ziel des Anspruchs auf Ganztagsbetreuung, warnt aber vor großen Problemen in der Praxis. „Wenn der Bund einen Rechtsanspruch formuliert, dann muss er dafür sorgen, dass dieser von den Ländern und Kommunen auch umgesetzt werden kann. Anderenfalls werden wir bei den Eltern große Enttäuschung produzieren“, sagte Tonne im Gespräch mit dem WESER-KURIER. „Der Gesamtbetrag von insgesamt zwei Milliarden Euro für Investitionen für alle Länder ist nicht ausreichend“, kritisierte der Minister. Außerdem wolle sich der Bund bisher nicht an den viel höheren Personalkosten beteiligen, beklagte Tonne. „Investitionen in Räume machen noch keinen Ganztag.“
Ähnliche Kritik äußert auch der niedersächsische Städtetag. Er geht ebenfalls davon aus, dass die zwei Milliarden Euro Sondervermögen nicht ausreichen werden, um die Ganztagsbetreuung für alle Grundschulkinder umzusetzen. „Wir befürchten ein ähnliches finanzielles Desaster wie bei der Einführung des Rechtsanspruches auf einen Krippenplatz“, sagte Hauptgeschäftsführer Jan Arning. Er forderte, dass sich Bund und Länder an den Kosten für Investitionen sowie an den Betriebskosten dauerhaft beteiligen.
Kultusminister Tonne sieht noch ein anderes Problem: Schon jetzt herrsche ein gravierender Mangel beim pädagogischen Personal. Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher und Schulsozialarbeiter seien notwendig für den Ganztag, aber in der notwendigen Anzahl schlicht nicht auf dem Arbeitsmarkt vorhanden. Mit dem Rechtsanspruch in der bisher diskutierten Form werde sich das Problem bundesweit massiv verschärfen, weil alle Länder zeitgleich Zigtausende Pädagoginnen und Pädagogen unterschiedlichster Profession einstellen müssten, erklärte der Minister „Das kann so nicht funktionieren.“
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zweifelt an, dass die Schulen in der Lage sein werden, den Beschluss umzusetzen. „Das sind schöne Pläne“, sagte Christian Hoffmann, „die müssen aber auch mit Fachpersonal unterlegt werden.“
Der niedersächsische GEW-Sprecher betonte, dass es an den Grundschulen schon jetzt an Personal fehle. Um künftig eine ganztägige Betreuung der Grundschüler zu gewährleisten, würden weitere Kräfte benötigt, die nicht in Sicht seien. Hoffmann sagte: „Wenn die Pläne nicht nur Pläne bleiben sollen, dann müssen wir die Ausbildungskapazitäten massiv ausbauen.“ Zuletzt sei eher das Gegenteil der Fall gewesen, in Hannover und Göttingen seien etwa Studiengänge eingestellt worden.
Anfang des Jahres waren 1900 Lehrerstellen in Niedersachsen ausgeschrieben worden, viele davon an Grundschulen. Doch gerade dort blieben die Stellen oft unbesetzt. „Schon jetzt werden Gymnasiallehrer oft an Grundschulen geschickt“, sagte Hoffmann. „Von denen einen gibt es zu viele, von den anderen viel zu wenige.“ Ein Grund dafür sei die unterschiedliche Bezahlung. Momentan verdienten Lehrer an niedersächsischen Gymnasien netto etwa 450 Euro mehr als ihre Kollegen an Grundschulen. Dabei sei das Studium gleich lang und die Belastung im Job ähnlich.
„Diese Ungerechtigkeit hält junge Leute davon ab, Grundschullehrer zu werden.“ Erst wenn man die Gehälter angleichen würde, bekäme man das künftig noch dringender benötigte Personal an die Grundschulen, sagte Hoffmann. „Da hilft keine Imagekampagne, sondern nur mehr Geld.“
Einige Schulen sind schon weiter als andere, dafür ist die Ganztagsgrundschule am Buntentorsteinweg ein Beispiel. 2015 hatte sie den zweiten Platz beim Deutschen Schulpreis gewonnen. In der Schule geht der Unterricht bis 16 Uhr, die Frühbetreuung beginnt um sieben, der Unterricht um acht. Da es sich bei der Grundschule am Buntentorsteinweg um eine sogenannte gebundene Ganztagsschule handelt, findet – im Unterschied zu offenen Ganztagsschulen – nachmittags nicht nur freiwillige Betreuung und die Beschäftigung in AGs statt, sondern auch verpflichtender Unterricht. In Bremen sind 26 Grundschulen gebundene Ganztagsschulen und 17 offene. In Bremerhaven liegt das Verhältnis bei vier (gebunden) zu fünf (offen).
Die Grünen-Fraktion in der bremischen Bürgerschaft betont den Vorzug von Ganztagsmodellen. „Für Eltern erleichtert die Ganztagsschule die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist gerade für Alleinerziehende wichtig, um nicht in die Armutsfalle zu rutschen“, sagt der bildungspolitische Sprecher Christopher Hupe. Politisches Ziel in Bremen ist der gebundene Ganztag.
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