
Die Frage nach gutem Unterricht und angemessener Beschulung hat am Mittwoch bei der Sitzung der Bildungsdeputation die thematische Klammer gebildet. Denn neben den Nachwirkungen des IQB-Bildungstrends beschäftigten sich die Politikerinnen und Politiker auch mit einem Modellprojekt an der Wilhelm-Kaisen-Oberschule und der Ausstattung mit Sonderpädagogen am Gymnasium Horn.
Was folgt aus dem schlechten Ergebnis des IQB-Bildungstrends? Die Meinungen über mögliche Maßnahmen klafften auch bei der erneuten Diskussion in der Deputation auseinander. Knapp drei Wochen nach der Veröffentlichung der Studie, laut der 40 Prozent der Bremer Neuntklässler im Fach Mathematik nicht die nötigen Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss schaffen, ist der Unmut nicht abgeklungen. Politikerinnen und Politiker aus allen Parteien sind bestürzt über die Ergebnisse, auch die Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) erklärte, es sei eine Situation, „die einen nicht zufrieden stellt.“ Sie will sich um „kurzfristigen Reparaturbetrieb“ für die getesteten Schüler, die bereits an Berufsschulen gelandet sind, und „grundständiger Aufbau von Kompetenzen“ für kommende Generationen bemühen. Konkret heißt das: Die Arbeit des Qualitätsinstituts und zusätzliche Mathestunden sollen unter anderem einen Aufwärtstrend herbeiführen.
Für die Opposition ist das Augenwischerei: „Das ist viel Schön- und Rausreden“, erklärte Birgit Bergmann (FDP). Die CDU hingegen kritisierte, dass das Bildungsressort dieses Ergebnis erwartet habe: „Wenn das so ist, warum kommen die Maßnahmen erst jetzt?“, fragte die bildungspolitische Sprecherin Yvonne Averwerser. Vertreter des Personalrats Schulen erklärten, dass das Gegensteuern der Behörde von den Lehrkräften nur bedingt umgesetzt werden könne: Zwar würden die zusätzlichen Mathestunden eingeplant, der Lehrkräfte- und Sozialpädagogenmangel behindere aber die Umsetzung. Werde die zusätzliche Mathestunde erteilt, müsse anderer Unterricht mitunter ausfallen. „Die Theorie ist gut, für die Praxis fehlt ein richtiges Konzept“, sagte Dagmar Reinkensmeier. Ihre Kollegin Angelika Hanauer ergänzte: „Die Maßnahmen sind zu wenig. Wenn es nicht mehr Personal gibt, werden wir jedes Mal wieder mit solchen Ergebnissen rechnen müssen.“ Deswegen sei es dringend notwendig, die Bildungsausgaben zu erhöhen.
Vorgestellt wurde in der Deputation auch ein Modellprojekt an der Wilhelm-Kaisen-Oberschule in Huckelriede. Dort werden sechs verhaltensauffällige Kinder für einen Teil des Schultages aus ihren Klassen herausgenommen und in einem gesonderten Raum betreut. Begleitet werden sie in dieser sogenannten Übergangsklasse von Sonderpädagogen und Assistenzkräften. „Wir hatten Schüler, die den Klassenraum gesprengt haben“, erzählte Meike Wittenberg von der Kaisen-Oberschule. In der Kleingruppe sollen sie mehr zur Ruhe kommen und feste Strukturen finden. „Zwei Schüler haben sich inzwischen soweit stabilisiert, dass sie den ganzen Tag schaffen“, so Wittenberg. Die Übergangsklasse soll ihnen ermöglichen, an einer normalen Schule bleiben zu können. Ziel sei die Reintegration der Schüler, so die Behörde. Das Modellprojekt soll zwei Jahre lang laufen und dann evaluiert werden.
Für die Einführung von Übergangsklassen hatten sich bereits vor zwei Jahren insbesondere die Bremer Grünen eingesetzt. Dieses Modell gibt es in Berlin und Hamburg schon länger. In Bremen war der Ansatz zunächst durchaus umstritten. Nun aber stieß er auch bei der Opposition auf ein positives Echo, Politikerinnen von CDU und FDP lobten den Ansatz als mutiges und sinnvolles Projekt.
Neu ist bei diesem Modellprojekt auch, dass man dort erstmals mit einem Pool von Assistenzkräften arbeitet. Viele Kinder mit Beeinträchtigungen haben das Recht auf eine persönliche Assistenzkraft, die mit ihnen zur Schule geht und sie im Unterricht unterstützt. Im Fall der neuen Übergangsklasse an der Kaisen-Oberschule haben alle sechs Kinder ein Recht auf solche Unterstützung. Da sie nun in einer Gruppe sind, sollen die Assistenzkräfte auch nicht jedes Kind einzeln, sondern die ganze Gruppe kontinuierlich betreuen. Senatorin Bogedan erläuterte dazu, es gehe nicht darum, durch eine Pool-Lösung Assistenzkräfte einzusparen, sondern darum, dass es häufig pädagogisch nicht sinnvoll sei, wenn zu viele erwachsene Assistenzkräfte mit im Klassenraum säßen.
Der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück lobte den Ansatz: Die Übergangsklasse könne helfen zu verhindern, dass verhaltensauffällige Kinder eine normale Schule verlassen und auf eine gesonderte Förderschule wechseln müssten. In Bremen gibt es als eine von wenigen Sonderschulen noch die Schule an der Fritz-Gansberg-Straße für Kinder mit stark auffälligem Verhalten.
Auf der Tagesordnung der Deputation stand auch ein Thema, das in Bremen immer wieder für hitzige Debatten sorgte: Gibt es am Gymnasium Horn inzwischen genug Personal für die zwei dort eingerichteten Inklusionsklassen für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung? Die ehemalige Schulleiterin des Gymnasiums hatte 2018 gegen die Einrichtung von Inklusionsklassen geklagt. Die Antwort der Behörde zur Personalsituation: Dem Gymnasium stünden 63 Wochenstunden für Sonderpädagogen zur Verfügung – mit Fachkräften besetzt seien derzeit aber nur 27 Wochenstunden.
Das bedeutet, an der Schule sind aktuell weniger als die Hälfte der geplanten Sonderpädagogen im Einsatz. Die Beschulung der Kinder in den 5. und 6. Klassen sei aber dennoch sichergestellt, da sie jahrgangsübergreifend unterrichtet würden, heißt es dazu im Bericht der Behörde. CDU-Bildungspolitikerin Averwerser, die sich nach dem Thema erkundigt hatte, ist mit der Personalsituation in Horn nicht zufrieden: „Man hat dort mit den Inklusionsklassen etwas installiert, was man wieder einmal nicht richtig personell unterfüttert“, kritisierte sie.
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