
Klaus Möhle ist kein Freund von Sonntagsreden. Zum „Tag des Ehrenamtes“ hat der Kreisvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete deshalb ein etwas zwiespältiges Verhältnis. Alljährlich im Dezember werden Akteure aus Verbänden und Vereinen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, ins Rathaus eingeladen, um sich dort aus berufenem Munde anzuhören, wie segensreich ihr Wirken sei. Das Hohelied aufs Ehrenamt hört Möhle im Prinzip gerne, so sagt er, „wenn ich nicht an den übrigen 364 Tagen des Jahres oft das Gefühl hätte, dass freiwilliges Engagement für die Gemeinschaft zunehmend erschwert wird“.
Der Staat behindert das Ehrenamt? Das ist starker Tobak. „Aber dieses Gefühl hat man gelegentlich“, bestätigt der Landeschef des Sozialverbandes, Joachim Wittrien. Er nennt ein Beispiel. „Wir würden gern gelegentlich mal unsere Aktiven zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen einladen, einfach um Danke zu sagen. Aber das bisschen Geld dürfen wir nicht ausgeben. Es sei denn, wir laden einen Referenten dazu ein. Sonst entspricht es nicht dem Satzungszweck.“ Vor 15 Jahren seien solche geringfügigen Bewirtungskosten noch unproblematisch gewesen. Klaus Möhle sieht ehrenamtliche Arbeit auch durch eine andere Entwicklung bedroht. Die zunehmende Regelungsdichte, etwa im Steuerrecht, zwinge Vereine und Verbände zunehmend zur Professionalisierung. Und die kostet Geld. „Du brauchst im Prinzip einen Steuerberater, der dir die Finanzpläne macht“, so Möhle. Laien seien mit der Materie inzwischen häufig überfordert.
Rückendeckung vom Werder-Präsidenten
„Ich bin Klaus Möhle dankbar, dass er diese Debatte anstößt“, sagt der Präsident des SV Werder Bremen, Hubertus Hess-Grunewald. Die Breitensport-Sparte seines Vereins existiere, weil es viele Freiwilligen gibt, die ihre Freizeit für den Verein opfern. „Die muss ich aber bei der Stange halten. Ehrenamt ist nicht jeden Tag innere Erhebung, sondern manchmal mit Verzicht und Anstrengung verbunden“, weiß der Werder-Boss. Umso unverständlicher sei es, wenn ein Sportverein einem E-Jugend-Trainer, der seine Wochenenden regelmäßig auf Fußballplätzen verbringt, nicht einmal einen Trainingsanzug schenken kann, weil rechtliche Bestimmungen dem entgegenstehen. „Etwas weniger Formenstrenge“ bei den juristischen Rahmenbedingungen für das Ehrenamt täte Vereinen und Verbänden deshalb gut, ist Hess-Grunewald überzeugt.
Doch das Gegenteil ist aktuell der Fall. Eine neue Welle zusätzlicher Vorschriften, die obendrein hohe Kosten verursachen werden, rollt in diesem Jahr auf die Vereinsvorstände zu. „Davon wissen viele noch gar nichts“, sagt der Präsident des Landessportbundes (LSB), Andreas Vroom. Gemeint ist die EU-Datenschutzrichtlinie. Sie macht Vereinen ähnlich strikte Auflagen für den Umgang mit personenbezogenen Daten wie Firmen. Viele Vereine müssten künftig externe Datenschutzbeauftragte benennen, was Kosten von 300 bis 500 Euro pro Monat verursachen könne, schätzt Vroom. „Wir würden unseren Mitgliedsvereinen diese Pflichten gerne abnehmen, indem wir beim LSB zwei bis drei Fachleute einstellen.“ Doch dafür bräuchte es eine finanzielle Förderung durch das Land Bremen. Aus eigenen Mitteln, versichert Vroom, lasse sich ein solches Projekt nicht stemmen.
Sozialbehörde verweist auf Haushaltsnotlage
Der Sprecher der Bremer Sozialbehörde, Bernd Schneider, kann den Unmut der Verbände und Vereine über die zunehmende Regelungsdichte nachvollziehen. „Allerdings ist das eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die nicht nur das Ehrenamt berührt“, sagt Schneider. Bremen bemühe sich im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten, das freiwillige gesellschaftliche Engagement der Bürger zu honorieren. Ein Beispiel: die Ehrenamtskarte, deren Inhaber bestimmte Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, etwa beim Eintritt ins Theater, ins Schwimmbad oder andere öffentliche Einrichtungen. Für 2019 sei zudem eine Neugestaltung der Übungsleiterpauschale geplant. „Klar ist aber auch, dass uns als Haushaltsnotlageland bei der Förderung des Ehrenamtes Grenzen gesetzt sind“, macht Schneider deutlich.
Die Freiwilligen-Agentur Bremen versteht sich seit Beginn der Neunzigerjahre als Interessenvertretung der Ehrenamtler, unterstützt und fördert ihr Engagement. Geschäftsführerin Birgitt Pfeiffer kennt den Widerstreit zwischen der zunehmenden Verrechtlichung der Gesellschaft und der Förderung bürgerschaftlichen Engagements. „Klar entsteht da manchmal Frust. Ich sehe aber kein bewusstes Handeln des Staates gegen die Vereine“, nimmt Pfeiffer den Gesetzgeber in Schutz. Wenn etwa steuerrechtliche Vorschriften dazu führten, dass sich Vereinsvorstände professionalisieren müssen, könne zivilgesellschaftliches Engagement ganz neuer Akteure der Ausweg sein. „Wie wäre es beispielsweise, wenn sich Steuerberater oder Rechtsanwälte bereit erklären, zehn Stunden pro Jahr kostenlos Vereine zu beraten?“, regt Birgit Pfeiffer an.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.