
Der Bremer IT-Dienstleister Abat will das deutsche Ausbildungssystem in den Südosten der USA exportieren. Das ist der Plan von Christian Diestelkamp und Dag Oeing. Diestelkamp ist SAP-Senior-Berater und -Entwickler sowie Mitglied der Geschäftsleitung; Oeing ist der Vertriebsleiter. Seit mehreren Jahren hat Abat in der Stadt Birmingham im US-Bundesstaat Alabama ebenfalls einen Sitz.
Dort ist einer der Schwerpunkte der US-Automobilindustrie, und Abat ist spezialisiert auf SAP-Prozesse im Automotive-Bereich. Doch auch in den USA ist es nicht so einfach, gut ausgebildete Mitarbeiter zu bekommen. „Das duale Ausbildungssystem, so wie es bei uns in Deutschland Tradition hat, ist bisher unbekannt“, sagt Diestelkamp.
Wer fertig ist mit der High School, geht auf ein College. Wer das nicht schafft, lässt sich irgendwo für einige Monate im Job anlernen und legt los. Unternehmen stehen dann häufig vor ein Problem, wenn sie eine Bewerbung bekommen: Denn man weiß nie so genau, was der Mensch wirklich kann, sagt Diestelkamp. „Wenn jemand bei einem Unternehmen aufhört, erhält er im besten Falle eine Art Zeugnis, in dem genau aufgelistet ist, was er wo in der Firma an Arbeiten geleistet hat.“
Erst vor wenigen Wochen war Randall Woodfin, Bürgermeister der US-Stadt Birmingham, in Deutschland und machte in Bremen bei der Abat AG halt. Dort ließ er sich das deutsche Ausbildungssystem detailliert erklären. „Er hatte großes Interesse daran, da die Arbeitslosigkeit in Birmingham sehr hoch ist“, sagt Diestelkamp. Auch das Thema Praktika ist in den USA nicht so weit verbreitet wie in Deutschland. Deshalb machen in diesen Tagen zwei US-Studenten im Bremer Unternehmen den Anfang: Für sechs Wochen werden sie in der Hansestadt an einem Projekt arbeiten.
Im Herbst sollen dann Dualstudierende von Abat in die USA gehen. Das fördere auch den Austausch zwischen den verschiedenen Standorten und macht das Unternehmen besonders für junge Informatiker interessanter. Denn auch an den deutschen Niederlassungen werde es für den IT-Dienstleister nicht einfacher, zusätzliche Mitarbeiter zu finden. Hier in der Region hält das Unternehmen daher Kontakt zu verschiedenen Unis und Fachhochschulen.
Auch wenn Abat in Birmingham zu den Pionieren gehört, die dort die Ausbildung nach deutschem Vorbild angehen wollen, sind in anderen Ecken der USA deutsche Unternehmen bereits dabei. Der Automobilzulieferer Bosch hat damit in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina seit mehr als 40 Jahren Erfahrung. 1976 begann das Unternehmen, dort eine Ausbildung wie in der schwäbischen Heimat in Zusammenarbeit mit einem College in der Nähe aufzubauen.
Mittlerweile sind es 16 Hochschulen. Seitdem haben dort mehr als 28 000 Menschen ihre Lehre absolviert; das US-Arbeitsministerium hat die Stadt Charleston inzwischen zur Modellregion gemacht, um neue Ausbildungsformen zu entwickeln. Die Abat-Geschäftsführer haben nichts dagegen, wenn Birmingham den gleichen Weg nimmt. Den Bürgermeister haben sie auf ihrer Seite, und der Kontakt zum College besteht ebenfalls.
Abat selbst hat vor einigen Monaten erst sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. Vor zwei Jahrzehnten ging es in Bremen mit 13 Leuten los, die Gründer arbeiteten vorher bei der IT-Tochter von Volkswagen. Über die Jahre kamen auf der ganzen Welt immer mehr Standorte hinzu. Inzwischen arbeiten in neun Abat-Vertretungen mehr als 600 Mitarbeiter und machen einen Umsatz von mehr als 60 Millionen Euro. Dort, wo die Kunden ihre Produktionen haben, macht es für Abat Sinn, auch präsent zu sein. Entsprechend sind die Bremer im mexikanischen Puebla vertreten, wo Volkswagen auch ein Werk hat.
In Bremen setzt Abat auf die Hochschul-Kontakte, denn laut Geschäftsführung ist es schwierig, Fachpersonal zu finden. Das Hauptgeschäft findet zu 60 Prozent in Stuttgart, München, Ingolstadt und Wolfsburg statt, aber die meisten Mitarbeiter wohnen in Bremen und umzu. Was die Mitarbeitersuche angeht, sagt Christian Diestelkamp: „Bei uns bekommen Bewerberinnen und Bewerber einen Vertrag, wenn es sowohl fachlich als auch menschlich passt. Denn wenn die Chemie nicht stimmt, wird es auch in den Projekten schwierig.“ Auf die klassische Stellenanzeige verzichtet Abat hingegen, die Fähigkeiten auf dem Papier spielen nicht die wichtigste Rolle bei Bewerbungen.
Dabei gibt es neben dem Bereich Automotive zwei weitere, eher neue Sparten. So berät Abat Unternehmen einerseits im Bereich Nachhaltigkeit im Portfolio, andererseits auch Bundesligavereine bei der Implementierung von SAP. „Verglichen mit den anderen Sparten ist das ein eher kleiner Bereich, aber gerade unsere jungen Kollegen interessieren sich sehr dafür“, sagt Vertriebsleiter Oeing. In Zeiten, in denen sich IT-Experten ihre Jobs aussuchen können, werden die Unternehmen eben interessanter, je attraktiver die Projekte sind.
Wenn die US-Studenten nun für sechs Wochen in Bremen arbeiten, werden sie nicht auf deutsche Klischees treffen. Diestelkamp erklärt es so: „Wir haben hier alle eine Regelallergie. Das Thema New Work mit Flexibilität, Vertrauen und Respekt wurde von Anfang an gelebt und ist Teil unserer Philosophie. Zusätzlich setzen wir vor allem auf den Faktor ‚gesunder Menschenverstand‘.“ So wird Abat also in Birmingham zwar die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild verfolgen, aber nur mit so vielen Regeln wie notwendig.
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