
Die Planungen für die umstrittene Stadtstrecke am linken Weserufer nehmen Gestalt an. Erstmals hat das Umweltressort jetzt einen Fahrplan für die Neugestaltung des 1,8 Kilometer langen Abschnitts zwischen Eisenbahnbrücke und Piepe vorgelegt. Danach soll nach Zustimmung von Senat und Deputation im Dezember die Detailplanung beginnen. Von Herbst 2022 bis Anfang 2024 könnte dann das Verfahren zur Planfeststellung laufen. In dieser Phase werden nicht nur die Pläne öffentlich ausgelegt, es besteht auch die Möglichkeit zu klagen. Wird das Verfahren durch einen Planfeststellungsbeschluss beendet, sind in der ersten Jahreshälfte 2024 „bauvorbereitende Maßnahmen“ möglich – konkret: die 136 Platanen auf dem Neustädter Deich könnten gefällt werden. Zehn Jahre veranschlagen die Planer für den Bau der Stadtstrecke, 2034 wäre das ambitionierte Deichbauprojekt abgeschlossen.
Einen Widerspruch zur versprochenen Einbeziehung von Neustädter Bevölkerung, Bürgerinitiative (BI) Platanen am Deich, Beirat und Deichverband sieht die Behörde nicht. Der im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Runde Tisch sei keineswegs ad acta gelegt, betont Staatsrat Ronny Meyer. Vielmehr soll in der ersten Märzhälfte mit den Koalitionspartnern abgestimmt werden, wer am Runden Tisch sitzen soll und was dort zur Sprache kommt. Bis Spätsommer sind zwei Abendveranstaltungen vorgesehen. Eine Kehrtwende ist laut Meyer aber nicht zu erwarten, das habe seine Behörde auch von Anfang an klargestellt. „Eine grundsätzliche Infragestellung des Projekts gibt es nicht.“ Oberste Priorität habe der Hochwasserschutz, um den zu gewährleisten sei ein neuer Deich notwendig.
Die BI fühlt sich indessen vorsätzlich missverstanden. „Gegen einen neuen Deich haben wir überhaupt nichts“, sagt Reinhard Lippelt. „Wir sind doch auch Neustädter und wollen nicht überschwemmt werden. Wir meinen aber, dass sicherer Hochwasserschutz mit den Platanen möglich ist.“ Die Haltung der BI: Auch bei einer terrassenförmigen Umgestaltung der Stadtstrecke sei es möglich, die ökologisch wichtigen Platanen zu erhalten. Darum auch die jüngste Forderung, die Bäume zum ersten Bremer Naturdenkmal zu erklären. Ein neues Gutachten soll darlegen, dass eine straßenseitige Spundwand machbar ist, in vier bis fünf Wochen werde man es präsentieren.
Dem widerspricht Wasserbauingenieur Hauke Krebs von der Stabsstelle Deichbau Stadtstrecke. Beim Bau einer solchen Spundwand sei schweres Gerät erforderlich, dafür müssten die Bäume so stark beschnitten werden, dass sie eingehen würden. Lediglich acht Bäume in Höhe der Brautstraße haben demnach noch eine Zukunft. „Uns tun die Bäume leid“, sagt Meyer. „Wenn es einen Weg gäbe, die Bäume zu retten, hätten wir es gemacht.“ Doch immerhin sollen die Platanen nicht ersatzlos gefällt, sondern durch eine gleiche Anzahl neuer Bäume ersetzt werden. Nach seiner Einschätzung ist das auch ein Ergebnis der Proteste gegen einen Kahlschlag. „Damit kommen wir der BI doch sehr entgegen.“
Die neuen Bäume sollen mitten auf dem Deich stehen und nicht am Rand. Es seien Wurzelleitsysteme vorgesehen, so Krebs, damit die Bäume den Deich anders als jetzt nicht schädigen. Der Vorteil: „Wir können jetzt neue Bäume auswählen, die eine höhere Wertigkeit haben als die Platanen.“ Dabei favorisiert die Behörde den japanischen Schnurbaum, der sei klimafest und für die Tierwelt gut geeignet. Freilich könnten im Rahmen der Bürgerbeteiligung auch andere Bäume in Betracht kommen. „Unser Anspruch sind funktionale, insekten- und bienenfreundliche Bäume“, sagt Meyer. Beim Einpflanzen sollen die Bäume schon eine Höhe von fünf bis sieben Meter haben. „Das sind nicht so kleine Spargel“, betont Krebs. Dafür will die Behörde ordentlich Geld auf den Tisch legen.
Für die BI sind die neuen Bäume nur ein schwacher Trost. Junge Bäume könnten auf keinen Fall den Klimawert der Platanen kompensieren. Das wolle man auch gern darlegen. „Bis jetzt bekommen wir aber kein Gespräch auf Augenhöhe“, klagt Lippelt. „Weder die Stabsstelle noch die Behörde sprechen mit uns.“ Daher habe die BI große Erwartungen in den Runden Tisch gesetzt. „Unsere Hoffnung war, dass man zu einer Einigung kommen könnte.“
Doch die Fronten sind verhärtet. Bereits im November hat die BI angefangen, Unterschriften für die Zulassung eines Volksbegehrens zu sammeln. Das Ziel: ein Gesetz zum Schutz der Platanen. Die erforderlichen 5000 Unterschriften habe man längst zusammen, sagt Lippelt, den Antrag aber noch nicht eingereicht. Schon jetzt sei man eine Stufe weiter und werbe um Unterstützung für ein Volksbegehren als Vorstufe zum Volksentscheid. Von den erforderlichen 25.000 Unterschriften liegen laut Lippelt bereits 14.000 vor.
„Die BI ist fokussiert auf den Erhalt der Bäume“, sagt Meyer. Wie komplex das Projekt sei, werde nicht zur Kenntnis genommen. Schon allein weil der alte Deich seinen Namen laut Krebs gar nicht verdient. „Das ist kein Deich, sondern nur eine Ufersicherung aus Bauschutt.“ Darum auch jetzt der große Wurf. Mit Konflikten zwischen verschiedenen Nutzern soll es künftig vorbei sein, für Radfahrer und Fußgänger sind klar getrennte Wege geplant. Am Ende soll eine attraktive Stadtstrecke mit hohem Freizeitwert entstehen. Maßgeblich sei aber der Hochwasserschutz, betont Meyer. „Der Nutzwert spielt nicht die ausschlaggebende Rolle.“
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