
Die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete wird am 6. September zu den Ehrengästen des 55. Bremer Kapitänstages gehören. Nach ihrem international beachteten Einsatz im Mittelmeer Ende Juni wird sie die traditionelle Kapitänsrede in der Oberen Rathaushalle halten. Vor den Kollegen ihres Berufsstandes, Vertretern aus der maritimen Wirtschaft und der Politik will sie unter anderem auf die Notwendigkeit eines neuen, europäischen Seenotrettungskonzeptes hinweisen und unter Schifffahrtsleuten für mehr Engagement werben, sagte sie dem WESERKURIER vorab.
Die 31-Jährige aus Niedersachsen war am 29. Juni mit dem Schiff „Sea-Watch 3“ mit Dutzenden Migranten an Bord unerlaubt in italienische Gewässer und den Hafen von Lampedusa gefahren. Zuvor hatte sie zweieinhalb Wochen auf die Zuweisung eines europäischen Hafens gewartet und sich geweigert, die Geflüchteten zurück nach Libyen zu bringen. Gegen sie wird in Italien deswegen unter anderem wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermittelt. Durch den Vorfall hat die Debatte um den Einsatz von Seenotrettungsschiffen im Mittelmeer neue Aufmerksamkeit erhalten.
Während Italien seine Gesetze weiter verschärft, plädierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zuletzt für eine Wiederaufnahme der staatlich organisierten Seenotrettung. Carola Rackete kritisiert den Einsatz von Drohnen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex anstelle von Rettungsschiffen und die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. „Die Umstände werden immer schwieriger. Die Todesrate ist in diesem Jahr deutlich gestiegen“, sagt sie.
Die Aktivistin warnt zudem vor der Instrumentalisierung des Themas durch rechtspopulistische Parteien. „Mit der Angst, die sie mithilfe dieser Strategie schüren, gelingt es, Wählerstimmen zu gewinnen“, so Rackete. Für sie sei die aktuelle Diskussion ein Ausdruck von Rassismus. „Niemals würden wir eine schiffbrüchige Person mit europäischem Pass in ein Bürgerkriegsland bringen und behaupten, es gebe dort einen sicheren Hafen für sie.“ Neben viel Zuspruch erntet die 31-Jährige für ihre Forderungen auch jede Menge Kritik und Drohungen, weshalb sie sich zum Schutz zeitweise an unbekannten Orten im Ausland aufhält.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Seenotrettung einen Schwerpunkt bei dem Kapitänstag bildet. Vor drei Jahren hielt der Gründer von SOS Méditerranée, Kapitän Klaus Vogel, eine viel beachtete Rede. Damals ging ein Teil der Spenden an seine Organisation, die mit ihrem damaligen Schiff „Aquarius“ von Bremerhaven aus startete. Wie in ganz Europa werde die Situation im Mittelmeer beim Kapitänstag in jedem Jahr kontrovers diskutiert, heißt es von den Veranstaltern. Carola Rackete habe man als Ehrengast ausgewählt, da sie für die traditionellen Werte der Seefahrt und somit auch für die Seenotrettung stehe. Neben Rackete wird Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in diesem Jahr die Festrede halten. Die Spenden der Veranstaltung kommen traditionell der Seemannsmission zugute.
Unabhängig von der Veranstaltung am 6. September sprechen sich große Teile der Bremer Politik regelmäßig für die Unterstützung der Seenotrettung aus. Als eine der ersten Städte bundesweit erklärte sich Bremen bereits 2018 zum „Sicheren Hafen“. Bremens ehemaliger Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) hatte die Einsätze während seiner Amtszeit öffentlich unterstützt und die Bekämpfung der Fluchtursachen gefordert. Auch sein Nachfolger Andreas Bovenschulte (SPD) hat bereits vor seinem Amtsantritt Bremen als sicheren Zufluchtsort erklärt.
Das bekräftigte Bovenschulte, der ebenfalls am Kapitänstag teilnehmen wird, noch einmal im Gespräch mit dem WESER-KURIER: „Wir dürfen nicht akzeptieren, dass Menschen jämmerlich im Mittelmeer ertrinken. Seenotrettung ist kein Verbrechen. Das darf aber keinesfalls primär eine private, sondern muss eine staatliche Aufgabe sein. Ich erwarte von den Zuständigen, dass sie schnell eine Lösung finden.“ Einen deutschen Alleingang hält der Bürgermeister für schwierig. „Wir brauchen eine europäische Koordinierung. Dafür muss sich die Bundesregierung einsetzen. Wenn das auf europäischer Ebene nicht gelingt, werden wir über Alternativen nachdenken müssen.“
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Und so sehr ich das wünschte, so wenig glaube ich, dass das Verfassungsgericht ...