
Wenn Fremde unangekündigt klingeln, müssen es in diesen Tagen nicht die Zeugen Jehovas sein: Es kann auch sein, dass dann eine der Bremer Spitzenkandidatinnen für die Bundestagswahl vor der Haustür steht und um Stimmen wirbt. SPD und Grüne, CDU und Linke setzen vor dieser Wahl verstärkt auf ein Werkzeug, das zunächst fast altmodisch anmutet: Der Haustürwahlkampf erlebt bei vielen Parteien eine Renaissance. Martin Schulz macht Haustür-Wahlkampf, im Saarland hat die CDU an Zehntausenden Türen geklingelt, und zuletzt hat Emmanuel Macron in Frankreich massiv Haustür-Wahlkampf betrieben.
Auch in Bremen ziehen nun Spitzenkandidaten und einfache Parteimitglieder in Zweier- und Dreier-Teams von Haus zu Haus. Die Bundes-SPD hat den Tür-zu-Tür-Wahlkampf als Schwerpunkt benannt, die Berliner CDU eigenes ein externes Team dafür angeheuert. Auch die Grünen, die in Bremen bisher nach eigenen Angaben kaum auf Klinkenputzen gesetzt haben, stellen fest: „Haustürwahlkampf ist offenbar wirksamer, als wir bisher angenommen haben“, sagt Grünen-Landeschef Ralph Saxe.
Fast 70 Prozent aller Gespräche positiv: CDU setzt auf Borgfeld
Gerade ist zum Beispiel CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann unterwegs – an einem sonnigen Spätnachmittag ist sie mit ihrem Team in einem ruhigen Borgfelder Wohngebiet verabredet. Rotes Jackett, weiße Hose, dazu ein Stoffbeutel voller Flyer mit dem Slogan „#motschipackts“, das ist die Ausrüstung. Motschmann und ihr Wahlhelfer Tobias Hentze von der Jungen Union aus Findorff ziehen los und steuern einen Hauseingang hinter gepflegten Gartensträuchern an.
Motschmann klingelt. Als nicht gleich jemand aufmacht, beginnt sie, einen Klebezettel zu beschriften: Ein kurzer Gruß von der Spitzenkandidatin, falls sie niemanden antrifft. Dann aber tut sich doch etwas, ein Mann öffnet. „Frau Motschmann!“, sagt er erfreut. Es klingt fast, als hätte er die CDU-Politikerin zum Kaffee erwartet. Nicht alle sind der CDU so wohl gesonnen wie dieser Mann. Dennoch: Hier in Borgfeld hofft Motschmann auf eine höhere Sympathisanten-Quote als anderswo. 70 Prozent aller Gespräche verlaufen positiv, konstatiert die CDU. Motschmann stellt sich kurz vor, mancher Anwohner fragt nach, was ihre politischen Schwerpunkte sind, meistens aber gibt es nur etwas Smalltalk: „Man sieht sich ja sonst nur auf dem Plakat“, sagt ein Anwohner. „Ein wirklich schönes Haus haben Sie“, sagt die Politikerin zum Abschied.
Linke klingelt in Gröpelingen, die SPD in der Vahr
Kurze positive Begegnungen mit Bürgern, die der Partei ohnehin nahe stehen, das ist das Ziel. Die Parteien bewegen sich beim Klingeln vor allem in ihren Hochburgen: „Wir gehen in die Straßen, wo die Eigenheime sind, weniger in die Plattenbauten, das ist einfach so“, sagt Motschmann. Klar, auch Nichtwähler will die CDU so erreichen, aber die Wahlkampfteams der Parteien versuchen ihr Glück eben doch vor allem in der eigenen Komfortzone: Deshalb klingelt die CDU zum Beispiel im wohlhabenden Borgfeld, deshalb steht die Linke unter anderem bei Anwohnern in Gröpelingen auf der Matte, deshalb versucht die SPD gezielt ihr Glück in der Vahr.
Bürger, die der eigenen Partei völlig fern stehen, in ein paar Minuten Smalltalk im Türrahmen zu überzeugen, dieser Illusion gibt sich bei den Parteien niemand hin. Bei der Auswahl geeigneter Gebiete stützt man sich auf kleinräumige Analysen vergangener Wahlergebnisse. „Datengestützter Haustürwahlkampf“, so nennen die Fachleute das.
Dass Parteien bei Bürgern auf der Matte stehen und Rosen, Brötchen oder Brausepulver zusammen mit einem Flyer verteilen, ist nicht neu. Dass nun aber die Parteizentralen von SPD, CDU und Grünen in Berlin systematisch und massiv den Haustürwahlkampf organisieren und dafür zum Teil ihren Mitgliedern eigens Schulungen anbieten, ist neu.
SPD will allein im Wahlkreis Bremen I an 10.000 Türen klingeln
Die CDU zum Beispiel hat eigens ein Wahlkampfkampagnen-Team in Berlin angeheuert, das sich „Connect 17“ nennt. Den guten alten Haustürwahlkampf flankiert man zudem durch eine App. Heißt konkret: Motschmann klingelt, einer ihrer Begleiter dokumentiert parallel auf der Handy-App, wie viele Türen sie schon abgeklappert hat. So halten die Wahlkämpfer fest, ob Bürger ihnen wohl gesonnen waren, messen sich aber auch untereinander im Wettkampf, wer die meisten Türen schafft. „Das war jetzt eigentlich schon wieder ein viel zu langes Gespräch“, stellt Motschmann nach einer ihrer kurzen Begegnungen fest. „So schafft man nicht genug Türen. Aber der Mann hat mich nach meiner politischen Arbeit für Bremen gefragt, da musste ich antworten.“
Vorbild ist der CDU zum Beispiel Annegret Kramp-Karrenbauer, die den Christdemokraten bei der Landtagswahl im Saarland den Sieg brachte und deren Team 45.000 Haushalte im Haustürwahlkampf erreicht haben soll. In Bremen will die CDU an mindestens 2000 Türen klopfen. Die SPD hat sich laut ihrer Spitzenkandidatin Sarah Ryglewski sogar vorgenommen, allein im Wahlkreis Bremen I an 10.000 Türen zu klingeln. Ryglewski will in dieser Woche in den Haustürwahlkampf einsteigen.
Gespräche an der Haustür sind aber nur einer von vielen Wegen, wie Parteien versuchen, vor der Wahl mit Bürgern in Kontakt zu kommen: FDP-Spitzenkandidatin Lencke Steiner will mit FDP-Generalsekretärin Nicola Beer in der Überseestadt über Migration diskutieren und lud zu einem Sommerfest in Oberneuland ein, die grüne Spitzenkandidatin Kirsten Kappert-Gonther zieht mit einem Fahrradwahlkampfmobil durch die Stadt und diskutierte mit einer Bloggerin über Feminismus. Die Linken haben zum Beispiel ein öffentliches Frühstück vorm Jobcenter organisiert, und SPD-Spitzenkandidatin Sarah Ryglewski war schon auf der Diskomeile und will im Vereinsheim von Kleingärtnern und bei Nachbarschaftsvereinen mit Bürgern ins Gespräch kommen.
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