
Sage keiner, die Staatsanwaltschaft hätte nicht alles versucht. Für vier Jahre wollte der Vertreter der Anklagebehörde Ali M. hinter Gittern schicken. Das Maximum an Strafe, das an Amtsgerichten überhaupt möglich ist. Doch das Gericht sprach Ali M. am Dienstag frei. Und mit ihm auch die drei anderen Angeklagten im Prozess um den Überfall auf die Persische Nacht im Weserstadion.
Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung war den vier Männern vorgeworfen worden. Am 11. Dezember 2016 sollen sie gegen 1 Uhr nachts versucht haben, eine privat organisierte Party im Business-Bereich des Weserstadions zu besuchen. Doch an der Tür wies man sie ab. „Wer ordentlich aussah und Frauen dabeihatte, durfte rein“, erklärte einer der Türsteher als Zeuge vor Gericht. Auf die vier muskelbepackten Angeklagten traf aus seiner Sicht offenbar weder das eine noch das andere zu. Also verwehrte er ihnen den Zutritt.
Daraufhin eskalierte innerhalb von Minuten die Situation. Lautstarke Diskussionen und Beleidigungen gingen in Drängelei und Geschubse über, Messer wurden gezogen, eine Gaspistole abgefeuert. Am Ende lag ein Mann schwer verletzt am Boden, heftig aus einer Kopfwunde blutend. Den genauen Ablauf des Tatgeschehens konnte das Gericht bis zuletzt nicht klären.
Dies räumte auch der Staatsanwalt ein und plädierte deshalb letztlich selbst bei drei der Angeklagten auf Freispruch. Den Verursacher der Kopfverletzung meinte er jedoch ausgemacht zu haben: Drei Zeugen hätten einwandfrei Ali M. als Täter identifiziert. Er sei in der Auseinandersetzung am aggressivsten aufgetreten, war auf einem Überwachungsvideo mit einen Gegenstand in der Hand zu sehen und später habe die Polizei ein schwarzes Einhandmesser mit DNA-Spuren von ihm gefunden.
Den eigentlichen Hieb mit dem Messer hatte zwar keiner der Zeugen gesehen. Nach Auffassung des Staatsanwaltes stellten zwei der Türsteher aber einen Zusammenhang zwischen einer Schlag- oder Ausholbewegung von Ali M. und der Kopfverletzung des Opfers her. Zudem gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Verletzung von woanders hätte herrühren können. Ali M. sei deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu verurteilen.
Beim Strafmaß zog der Staatsanwalt alle Register. Es gebe nichts, was den Angeklagten entlaste, sondern nur strafverschärfende Aspekte. Allen voran, dass er während der Tat noch unter Bewährung stand (eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung) und nur drei Tage vor dem Überfall zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt worden war – erneut wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen bei einer Massenschlägerei in der Notaufnahme des Krankenhauses Links der Weser.
Dass er trotzdem wieder mit einem Messer unterwegs gewesen sei und dieses auch eingesetzt habe, zeige die Geisteshaltung des Angeklagten, erklärte der Staatsanwalt. Angesichts dieser „Serie von Taten“ in immer kürzeren Abständen könne inzwischen sogar schon über eine Sicherheitsverwahrung nachgedacht werden.
Für die Verteidiger, nicht nur den von Ali M., sondern auch die anderen drei, war damit das Maß endgültig voll. Seit bekannt gewesen sei, dass sich unter den Angeklagten ein Angehöriger der kurdisch-libanesischen Großfamilie M. befand, habe das Verfahren einen ganz bestimmten Stempel gehabt, kritisierten sie. Entsprechend hätten Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt: einseitig, schlampig, voreingenommen.
Den Angaben der Angeklagten, selbst von den Türstehern bedroht und angegriffen worden zu sein, sei nicht nachgegangen worden. Ebenso wenig den Widersprüchen in den Aussagen der Türsteher. Stattdessen seien Beweise nicht gesichert (Lichtbilder vom Tatort, Blutspuren am Türrahmen) oder sogar vernichtet worden. Gemeint waren damit DNA-Spuren von Ali M. an einem der Messer. Die waren bei einer ersten Untersuchung abgewischt worden, dann bei der Polizei verloren gegangen, bei einer zweiten Untersuchung aber plötzlich wieder am Messer aufgetaucht.
Und die Polizei habe auch nicht offen ermittelt, sondern die Türsteher gezielt gefragt, ob nicht Ali M. dabei gewesen sei, lautete ein weiterer Vorwurf von dessen Verteidiger. Kein Wunder, dass die Zeugen später bei der Vorlage von Lichtbildern ausgerechnet seinen Mandanten anhand von dessen markanten blauen Augen identifiziert hätten.
Bei der polizeilichen Vernehmung direkt nach der Tat habe dagegen noch keiner der Zeugen einen der Täter erkannt. Dies sei erst im Nachhinein geschehen. Fazit des Anwalts: „Die Polizei ist gezielt losgezogen, um Ali M. zur Strecke zu bringen.“ Im selben Stil sei es dann auch vor Gericht weitergegangen. Zeugenaussagen, die die Täterschaft von Ali M. ausschlossen, habe der Staatsanwalt ignoriert, mögliche andere Ursachen für die Platzwunde des Opfers auch.
Selbst der Anklagevertreter habe von unverzeihlichen Fehlern der Polizei bei der Spurensicherung gesprochen, doch auch dies dann zum Nachteil seines Mandanten ausgelegt. Nicht so das Gericht: Zwar müsse man sich fragen, warum Ali M. überhaupt ein Messer dabei hatte und es auch zückte. Dass aber tatsächlich er es war, der in dem allgemeinen Gedränge und Geschubse dem Opfer eine Schlag- oder Stichverletzung zufügte, sei für das Gericht nicht festzustellen. Und dies sei bei allem Kopfschütteln über das Verhalten von Ali M. das Entscheidende, betonte der Richter. „Auch er ist deshalb freizusprechen.“
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