
Im Schnitt 62 Jahre alt waren die Obervielander Beiratsmitglieder in der zurückliegenden Legislaturperiode. Aktuell sind es immerhin noch 54 Jahre – auch wenn durch Sie dort nun die jüngste Stadtteilpolitikerin Bremens vertreten ist. Sitzen Ihrer Einschätzung nach insgesamt genügend junge Menschen in Bremens Beiräten?
Alina Winter: Ganz klar nein! Der Abstand zwischen mir und dem zweitjüngsten Mitglied beträgt beispielsweise schon rund zehn Jahre. Aber ich bin trotzdem froh, dass wir wenigstens ein paar jüngere Gesichter in den Beirat bekommen haben. In der Neustadt ist das glaube ich weniger das Problem, aber es gibt viele Stadtteilparlamente, die überaltert wirken.
Welchen Effekt hat das auf die Arbeit der Beiräte?
Der Blick liegt vielleicht weniger auf den Themen, die jüngere Menschen betreffen. Vielleicht auch deshalb läuft im Punkt Jugendbeteiligung bei uns in Obervieland außerhalb der Einrichtungen kaum etwas. Es gibt wenig Anstrengungen vom Beirat, einen Jugendbeirat einzurichten, das ist für die Mehrheit kein wichtiges Thema. Ich finde, junge Menschen haben einen anderen Blickwinkel auf politische Themen. Und der entfällt, wenn dort nur Ältere entscheiden. Es schreckt junge Menschen aber ab, sich so vielen älteren Leuten gegenüber zu sehen, die gefühlt schon seit 100 Jahren das Amt ausüben und alle Themen auswendig kennen. Mir geht es ja auch so: Wenn die Kollegen irgendwelche Paragrafen aus dem Baugesetzbuch um sich schmeißen, entsteht schnell der Eindruck, dass die ohnehin alles besser wissen als man selbst. Aber Stück für Stück kann man die Zusammenhänge lernen. Mittlerweile weiß ich, dass auch mein Gesamteindruck bei Bauvorhaben zählt, auch wenn ich das Baurecht nicht runterbeten kann.
Wobei hilft Ihnen dieser junge Blickwinkel in ihrem politischen Ehrenamt?
Besonders gut in den Sitzungen des Controllingausschusses, wo über die Vergabe der Fördermittel für die Jugendarbeit verhandelt wird. Dort kann ich die Sichtweise der Jugendlichen gut einbringen, weil ich ja quasi bis vor Kurzem noch dazugehört habe und die Jugendeinrichtungen als Nutzerin kenne. Ansonsten habe ich im Sozialausschuss auch viel mit Seniorenthemen wie Demenz zu tun, aber das ist auch interessant.
Wie könnte man denn aus Ihrer Sicht mehr junge Leute in Bremen für die Beiratsarbeit begeistern?
Es ist schwer, sich vorzustellen, was den Beirat ausmacht, wenn man da nicht selbst reinwächst. Bei mir war es ein Jugendprojekt, das das politische Interesse an der Beiratsarbeit geweckt hat – und mein Vater, der sich ebenfalls für die Grünen im Stadtteil engagiert. Vielleicht ist für junge Menschen auch die Bremische Bürgerschaft interessanter, weil der Beirat ja wenig Macht hat, was Entscheidungsrechte angeht.
Haben Sie eine Idee, wie man das ändern kann?
Man muss mehr erklären und mehr die Werbetrommel in die Richtung rühren, dass wir Beiräte hautnah die Wirkung politischer Entscheidungen mitbekommen. Wir können Verwaltung und Landesregierung spiegeln, wie deren Handeln im Stadtteil gesehen wird. Das wenige Geld, über das wir Beiräte frei verfügen können, fließt in konkrete, vor Ort sichtbare Dinge wie ein Fest oder eine neue Ampel, für mich ist das spannend und sehr realitätsnah.
Ist Ihr Studium denn gut mit der Beiratsarbeit vereinbar?
Es war hauptsächlich am Anfang schwer, Verständnis für meinen Alltag als duale Studentin zu bekommen. Ich stieß auf die Erwartungshaltung, dass ich mich an das Bewährte anpassen sollte. Die Beiräte müssen aber meiner Meinung nach in jedem Fall offen für Veränderung sein, denn solche verkrustete Strukturen schrecken ab. Aus meiner Sicht hat es unverständlich lange gedauert, bis der Sitzungskalender an meine zeitlichen Zwänge als Studentin angepasst und der Vormittagstermin fallen gelassen wurde. Und in Lernphasen vor Klausuren habe ich eben mal gefehlt. Wieviel Zeit man investiert, hängt letztlich auch davon ab, in wie vielen Ausschüssen man sitzt. Ich schaue immer, wie meine Zeit es zulässt, wie intensiv ich mich abseits der Sitzungen einbringe, immerhin ist es ein Ehrenamt. Mit Ausnahme vom Lernstress während der Abschlussprüfung hatte ich nie das Gefühl, dass ich es nicht schaffen kann.
Ist das Amt für Sie spannend genug, dass Sie auch für die kommende Legislaturperiode kandidieren wollen?
Ja, es ist definitiv spannend genug, daher werde ich auch wieder kandidieren. Ob wieder als Spitzenkandidatin steht noch nicht fest, aber ich bin da offen für alles. Ob es das richtige Amt für einen ist, muss jeder für sich entscheiden. Doch wer Lust hat, sich zu engagieren und im Stadtteil zu beteiligen, könnte Gefallen daran finden. Allerdings kann es nicht schaden, während der Sitzungen einen langen Atem zu haben. Denn da wird teilweise lange um den heißen Brei herum geredet, bevor man zu einem vernünftigen Ergebnis kommt.
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Alina Winter
(21) ist Diplomfinanzwirtin bei der Stadt Bremen. Seit 2013 engagiert sie sich für die Belange Jugendlicher in Obervieland. Seit drei Jahren sitzt sie für die Grünen im Obervielander Beirat und ist seither Sozialausschusssprecherin.
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