
Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. An diesen Abend saßen viele Menschen gebannt vor dem Fernseher und verfolgten die Nachrichten. Versuchten gleich darauf Freunde, Verwandte zu erreichen. Wer nahe der Grenze wohnte, wagte schon bald einen Blick auf die jeweils andere Seite. Einige unserer Leser und Leserinnen waren im November 1989 im Ausland und erlebten den Mauerfall aus einer ganz anderen Perspektive. Wir haben sie nach ihren Erinnerungen gefragt.
Als 28-jähriger Geologe und Doktorand der Freien Universität Berlin war ich damals mit meinem Doktorvater in Südafrika und Zimbabwe unterwegs, um Gesteinsproben für meine geochemische Doktorarbeit zu sammeln, und übernachtete in einem Hotel in Babanango, einem abgelegenen Ort in Zululand. Am frühen Morgen des 10. November 1989 begegnete ich auf dem Hotelflur dem Hotelkoch, einem Zulu. Wir hatten am Abend zuvor trotz der noch bestehenden Apartheid gemeinsam Bier getrunken. Er lächelte und sagte: „Good morning, sir! Haben Sie gehört? In Berlin ist die Mauer gefallen!” Ich lachte, winkte ab und ging zurück auf mein Zimmer. „Ein netter Witz”, dachte ich. Als ich später in den Frühstücksraum kam, herrschte große Aufregung. Und mein Doktorvater, ein alteingesessener West-Berliner, saß mit Tränen in den Augen am Frühstückstisch. Auf der Titelseite der afrikaanssprachigen Tageszeitung, die auf dem Tisch lag, prangte ein großes, etwas unscharfes Foto, das Leute zeigte, die auf der Berliner Mauer tanzten. Darüber stand in großen Buchstaben auf Deutsch nur ein einziger Satz: "Die Mauer ist weg!”
Michael Bau, Bremen
Im November 1989 habe ich Madagaskar bereist. Vorgelagert liegt die winzige Insel Sainte Marie im Indischen Ozean, wo Freunde ein kleines Hotel betrieben. Es war die Zeit ohne Handys, Whats apps et cetera. Und Zeitungen kamen eigentlich auch nicht dort an. Ich verbrachte eine Woche mit vielen Gesprächen mit den Einheimischen, besuchte die Schule und ließ mir von den Kindern die verschiedenartigsten Chamäleons zeigen. Entspannung pur. Am 10. November kam eine Gruppe Franzosen an, und ich fragte, was so in der Welt passiert sei. „Die Mauer ist offen.“ Ich: „Das kann nicht sein, da irrt ihr euch!“ Ich konnte nicht glauben, was mir da beharrlich erzählt wurde. Am darauf folgenden Tag flog ich mit einer kleinen Maschine auf die Hauptinsel zurück und sah in madagassischen Zeitungen Fotos der Berliner, auf der Mauer stehend. Da war dann ein Gefühl großer Freude in mir und der spontane Gedanke: „Endlich können sie reisen und frei reden.“ Kein Gedanke an Wiedervereinigung oder daran, was dann passieren sollte.
Regina Dietzold, Bremen
Eine entlegenere Gegend als die Weiten Nordwestkenias hätte ich im Sommer 1989 kaum finden können. Eine größere Abgeschnittenheit vom Weltgeschehen auch nicht. Es war die Idee meines Professors gewesen, mich zu seinem Forschungsprojekt bei den Turkana mitzunehmen: ein bisschen Praxis für mein Studium der ökologischen Anthropologie. Bremen war weit weg, genauso meine Uni in Binghamton im U.S. Bundesstaat New York. Ich war vollauf mit meiner neuen Situation beschäftigt, das Weltgeschehen interessierte mich nur am Rande.
Aus den sporadischen Zeitungen – allesamt kenianischen, für internationale waren wir zu weit draußen – sickerte dann doch etwas vom Weltgeschehen zu mir durch. Zwischen Nachrichten aus Kenia und umzu las ich verwunderliche Dinge wie “Grenze zwischen Ungarn und Österreich geöffnet”, “DDR-Bürger suchen in Prager BRD-Botschaft Zuflucht”, “Proteste in der DDR”.
Zurück in Binghamton ging es in den Endspurt meines Studiums: Ich lebte förmlich in der Bibliothek, verließ sie nur, um zu arbeiten. Meine Nachrichtenzufuhr war kaum umfassender als in Turkana. Bis zum 9. November, an dem mir irgendjemand dringend empfahl, den Fernseher einzuschalten. Wie hypnotisiert verfolgte ich die Bilder von euphorischen Menschen auf der Mauer. Eine andere deutsche Studentin hatte es irgendwie geschafft, beim fernsehen zu backen. Am nächsten Tag brachte sie “wall cookies” mit in die Uni: rechteckige, flache Kekse mit einem ausgestanzten Loch.
Irgendwann in diesen Tagen fiel bei mir der Groschen, dass Geschichte mit richtigen, lebendigen Menschen zu tun hat. Und dass die deutsch-deutsche Grenze wohl ihren Zweck verloren hatte. Kurz vor Weihnachten, wieder in Bremen, wollte ich diese Grenze und das mysteriöse “andere Deutschland” mit eigenen Augen sehen. Mit Freunden aus Göttingen fuhr ich zum Grenzübergang Duderstadt-Worbis. Die Spannung im Auto war spürbar: Brauchte man noch ein Visum? Wir hielten unsere Pässe in der Hand, guckten gespannt den Grenzsoldaten an und der – lächelte und winkte uns durch.
Kerstin Lange, Vermont
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