
Beinahe wäre die jüdische Gemeinde in Bremen nach der Pogromnacht 1938 ein zweites Mal untergegangen: „In den 80er-Jahren konnten wir zeitweise nicht einmal einen Gottesdienst abhalten, weil es die dafür vorgeschriebenen zehn Männer nicht gab“, erinnert sich die Vorsitzende Elvira Noa. Gerettet habe sie quasi der letzte sowjetische Regierungschef Michail Gorbatschow, dessen Öffnungspolitik vielen Juden die Ausreise ermöglichte – auch nach Deutschland, nach Bremen. So sind es mittlerweile rund 1000 Gemeindemitglieder, die in diesem Jahr gleich ein doppeltes Jubiläum feiern können: Seit 60 Jahren gibt es wieder eine Synagoge in Bremen und seit 1700 Jahren ist jüdisches Leben auf deutschem Boden urkundlich bezeugt.
Dutzende Veranstaltungen werden ab sofort das Festjahr prägen, doch der Höhepunkt findet am 29. August statt: Dann wird in der Synagoge an der Schwachhauser Heerstraße eine neue Torah-Rolle eingeweiht. „Ohne Synagoge und die heilige Schrift Torah gibt es kein jüdisches Leben“, sagt Noa, „aber ohne Judentum gäbe es auch kein Christentum“. Folglich wird der Festakt auch interreligiös, unter anderem ist der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode eingeladen.
Ein Tag der offenen Tür ist ebenso geplant wie ein Familiensonntag mit Kinder-Kabarett, eine musikalisch begleitete Lesung und diverse Konzerte, etwa des Bremer Komponisten Don Jaffé gemeinsam mit seinem Sohn Ramon. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) trägt eine ganze Vortragsreihe bei unter dem Motto „Leistung und Leid – Wendepunkte jüdischen Lebens in Deutschland“. Das reicht vom Jahr 321, als die jüdische Gemeinde in Köln erstmals in einem spätrömischen kaiserlichen Dekret erwähnt wurde, über die Pest-Pogrome im Mittelalter bis zum Exodus, von den jüdischen Schriftsteller-Salons bis zu „Jiddisch für Neugierige“. „Jüdische Geschichte in Deutschland ist eben viel, viel mehr als das Grauen der Schoah“, betont der DIG-Vorsitzende Hermann Kuhn.
Partner beim Veranstaltungsreigen sind die Volkshochschule Bremen und die wissenschaftliche Gesellschaft Wittheit zu Bremen. Zudem ist alles eingebettet in das bundesweite Programm „2021: Jüdisches Leben in Deutschland“ mit rund 1000 Events. Der Auftakt wird am Sonntag ab 16.30 Uhr in der ARD übertragen. Als kleinstes Werbeplakat fungiert eine 80-Cent-Sonderbriefmarke mit dem Motiv „Chai – auf das Leben!“
Dieses Wiedererblühen jüdischen Lebens war nicht absehbar, als Carl Katz nach Kriegsende einige Überlebende des KZ Theresienstadt um sich sammelte, um die Gemeinde Bremen neu zu gründen. „In den 50er-Jahren waren das rund 60 Menschen“, schildert die heutige Vorsitzende Noa. „Wenige deutsche Juden, die meisten aus Ungarn, Polen, Rumänien. Viele zogen es dann doch vor, auszuwandern.“ Noa freut sich, dass es heute wieder eine lebendige Gemeinde mit Jugendzentrum, Kindergarten, Senioreneinrichtungen und sozialer Fürsorge gibt.
Sie spricht aber auch von einer „langen tragischen Wechselbeziehung“ der jüdischen und nicht-jüdischen Menschen in Deutschland. „Erst jetzt ist für die Juden hier ein freies Leben möglich, ohne Diskriminierung.“ Die Veranstaltungen sollen deshalb auch dem grassierenden Antisemitismus etwas entgegensetzen. „Wir können leider keine Entwarnung geben“, sagt Noa. Und so werde es auch beim Tag der offenen Tür Einlasskontrollen geben müssen.
Alle Veranstaltungen und Termine unter www.juedischesleben2021-bremen.de
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