
Ob Piepe-Leuchten in der Neustadt oder Weihnachtsmarkt an der Schlachte, ob Beiratssitzung oder Baustelle, Urban Gardening oder Kleingartenverein, ob eine Demo für Baumschutz oder eine diamantene Hochzeit: Walter Gerbracht hat als Pressefotograf das Leben in den Stadtteilen abgebildet. In der Öffentlichkeit war er selbst selten auf Fotos zu sehen, und trotzdem werden ihn viele Menschen noch lange vor Augen haben. Er war kein Promi, aber eine stadtbekannte Persönlichkeit, und er hinterlässt eine Lücke. Vor wenigen Tagen ist er im Hospiz in Walle gestorben.
Mehr als drei Jahrzehnte lang hat Walter Gebracht für den WESER-KURIER Menschen, Tiere, Ungewöhnliches und Alltägliches fotografiert, erst für die Stadtteilumschau, dann für den STADTTEIL-KURIER und für den Hauptteil. Er war vor allem links der Weser im Einsatz, zwischen Arsten und Strom, der Neustadt und dem Flughafen, aber auch in der Östlichen Vorstadt und anderen Quartieren. Selten kam es vor, dass er sich bei einem Termin vorstellen musste. Umso häufiger wurde er schon von Weitem begrüßt: „Da kommt der WESER-KURIER!“
In Bremen kannte sich Walter Gebracht nicht nur von Berufs wegen aus. Er war durch und durch ein Bremer Jung, auch wenn er 1942 in Delmenhorst geboren war, weil seine Mutter wegen der Bombenangriffe auf Bremen ihr Kind bei ihren Eltern zur Welt bringen wollte.
Aufgewachsen war Walter Gebracht in Borgfeld und gemeinsam mit Marie Cécile von Preußen zur Schule gegangen. „Wir Kinder haben gar nicht geglaubt, dass sie eine Prinzessin war, weil sie keine Krone trug“, hat er noch erzählt, als er schon lange in der Südervorstadt wohnte. Er spielte Tennis im Ruderverein von 1882, liebte die Kleinkunst fast so sehr wie die Oper, ging mal ins Bremer Theater und mal zur „Schaulust“ am Güterbahnhof. Besonders lange hielten die Kontakte, die er seit in den 1960er-Jahren in der SPD geknüpft hatte. Einer seiner alten Parteifreunde, Karl-Hermann Niestädt, erinnert sich lebhaft an die gemeinsame Zeit: „Walter war immer aktiv, immer ansprechbar. Im Koschnick-Wahlkampf nach der AG-Weser-Pleite gehörte er zur sogenannten Feuerwehrtruppe, zu den zehn Leuten, die ich als Landesgeschäftsführer nachts hätte anrufen können, und sie standen Gewehr bei Fuß. Da konnte man sagen: Morgen um fünf Uhr Verteilung vorm Daimler-Werk, und sie waren da.“ Solidarität, Toleranz und Engagement seien typisch für ihn gewesen.
Was nicht jeder, der ihn kannte, wusste: Walter Gerbracht war nicht nur Deputierter der SPD, sondern in den goldenen Zeiten seiner Partei auch kurzfristig Landespolitiker. Nach der Wahl von 1987 – die SPD hatte 50,5 Prozent der Stimmen geholt, bei einer Wahlbeteiligung von 75,6 Prozent – kam er 1990 als Nachrücker in die Bürgerschaft und blieb für den Rest der Legislaturperiode Abgeordneter. Und 1995 gehörte er noch einmal für ein paar Monate dem Parlament an.
War Walter Gerbracht als Pressefotograf unterwegs, dann zählte allein die Gegenwart, der besondere Moment. Aber er blickte durchaus auch gerne zurück. Und so war er 2008 dabei, als der Bremer Kultur- und Geschichtsverein Lastoria im Presseclub im Schnoor gegründet wurde und sich daran machte, zunächst einmal die Geschichte des Varietés „Astoria“ aufzuarbeiten. Er konnte Erinnerungen aus erster Hand beisteuern, schließlich war er Zeitzeuge, was die Nachkriegszeit und den Wiederaufbau anging, und wie so viele seiner Generation hatte er in der „Arizona Bar“ die Nacht zum Tag gemacht. Über sein Privatleben sprach der Familienvater in der Öffentlichkeit selten. Und auch sonst hielt er es mit Franz Frankenberg, dem ehemaligen Orchesterleiter des Varietés: „Was gehen meine Zahnschmerzen das Publikum an“, hatte er in einem Interview gesagt.
Unvoreingenommen auf andere zuzugehen, ebenso uneitel wie verbindlich zu sein und sich ganz auf eine Aufgabe einzustellen – das zeichnete den Profi Walter Gerbracht aus, und das konnten andere von ihm lernen. Er wandte sich allen Menschen vorbehaltlos zu, ohne sich mit jemandem gemein zu machen, und ohne jeden Zweifel liebte er seinen Beruf, den er auch noch ausübte, als er um seine schwere Krankheit wusste. Seine Kamera blieb seine ständigere Begleiterin, nicht selten auch in der Freizeit.
„Er war sehr kollegial und hilfsbereit“, sagt sein langjähriger Berufskollege Roland Scheitz. „Wenn ich etwas brauchte, war er sofort da.“ Freundlichkeit war so etwas wie sein Markenzeichen, zusammen vielleicht mit dem Bluetooth-Knopf im Ohr, den er trug, um beim Fahrradfahren telefonieren zu können. Als Fotograf ging Walter Gerbracht mit der Zeit. Er nahm mit, was es an technischem Fortschritt gab, und war dabei auf eine geradezu alterslose Art modern.
„Dreh dich mit dem Gesicht zur Sonne“, sagt ein Sprichwort. „Dann fallen die Schatten hinter dich.“ Als Fotograf musste Walter Gerbracht diesen guten Rat ignorieren, solange kein Gegenlichtfoto gefragt war. Als Optimist hat er ihn beherzigt. Die Sonne lächelte ihm zu. Und er lächelte zurück.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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