
Es ist nicht viel, eigentlich nur ein dunkler Raum ohne Fenster, aber dann doch ein neuer Anfang – gemeinsam mit Schicksalsgenossen. Der Blick in die Runde in dem flachen Erdbunker zeigt Bäcker, Köche und weitere Menschen, die ihrem Tagwerk nachgehen. Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, doch für die Familie Uhlisch ist wenig, wie es einst war. Eine Spur von Normalität findet sich allerdings in dem Bottich vor ihnen. Die blubbernde Bonbonmasse ist das, aus dem sie bis heute schöpfen und was einst ihrem Vorfahren in einem Waller Erdbunker einen Neustart ermöglichte.
1920 wurde das Familienunternehmen Bremer Zuckerwaren-Manufaktur Friedrich Germann von eben diesem gegründet – und versorgt bis heute vor allem Norddeutschland mit Bonbons und Zuckerstangen. Besonders für ein Produkt sind sie berühmt, das direkt nach dem Krieg auch in jenem Erdbunker erstmals Form annahm: der Bremer Babbeler, von dem zum 100-Jährigen Jubiläum eine Sonderedition mit Kräuterölen, Salbei, Fenchel und Lakritz statt Pfefferminz angeboten wird.
Seit 2002 sind Marco Uhlisch, 49, Urgroßenkel des Firmengründers, und seine Ehefrau Claudia Uhlisch, 50, diejenigen, die das Bremer Traditionsunternehmen in vierter Generation gemeinsam führen. Doch die heutige Produktionsstätte an der Kornstraße ist nicht die Gründungsstätte. Die Ursprünge liegen an der Langenstraße. „Das war aber wirklich klein“, berichtet Claudia Uhlisch aus Erzählungen ihrer Schwiegermutter, die das Unternehmen seit 1972 allein führte.
Während des Zweiten Weltkriegs musste die Familie übergangsweise nach Ritterhude umsiedeln, die Produktion kehrte erst nach Kriegsende in das Waller Provisorium im Bunker zurück. „Das waren aber wirklich kleine Mengen, die produziert wurden“, berichtet Claudia Uhlisch. „Die konnten mit dem Fahrrad oder später mit einem kleinen dreirädrigen Goliathwagen transportiert werden.“ Abnehmer seien damals vor allem Apotheken, kleine Teehäuser oder Kolonialwarenläden gewesen.
Einige Zeit danach zog die Familie in ein Haus an der Kantstraße. Hier im Keller bauten sie eine neue Produktionsstätte auf. Anfang der 1970er-Jahre wies die Stadt Bremen ihnen die heutigen Räumlichkeiten an der Kornstraße zu, da ihre Werktätigkeit das ansonsten von Wohnraum geprägte Gebiet störte – vor allem zu den Stoßzeiten der Märkte. „Hier stellten wir zu Beginn viel von dem her, was auf dem Freimarkt in den Süßwarenbuden zu kaufen war.“ Das Sortiment heute sei deutlich kleiner. Man habe sich auf Waren – vor allem Babbeler und Bonbons – spezialisiert, die wirtschaftlich und produktionstechnisch für das kleine Team, bestehend aus Familie und zwei Helfern, Sinn machten.
Abnehmer für die Süßwaren gab es in der 100-jährigen Firmengeschichte übrigens nicht nur in Bremen – bis nach Südafrika wurde geliefert. „Dort hatte ein inzwischen verstorbener Bremer einen Süßwarenladen eröffnet“, berichtet Claudia Uhlisch. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie in diesem Frühjahr brachen dem Unternehmen im Jubiläumsjahr zahlreiche Aufträge weg. „Jahrmärkte, Osterwiese, Freimarkt und Weihnachtsmärkte“, zählt die Unternehmerin auf. Das Virus habe auch ihnen das Geschäft vermiest. Derzeit produziere man vor allem auf Bestellung von Einzelkunden, statt etwa Weihnachtsmärkte zu beliefern.
Beim Bremer Babbeler ist der Einbruch laut Claudia Uhlisch weniger dramatisch, da dieser vorwiegend in Apotheken, Teehäusern und Kaffeeläden verkauft werde. Aber der Verkauf anderer Produkte, wie beispielsweise Bonbons, sei stark betroffen von der Krise. Um etwa 60 Prozent seien die Umsätze seit Pandemie-Beginn zurückgegangen.
Ein persönlicher Schicksalsschlag kam für die Familie in diesem Jahr dazu: „Wenige Tage vor dem Jubiläum verstarb meine Schwiegermutter im Alter von 80 Jahren“, erzählt Claudia Uhlisch. „Das ist traurig, denn sie hatte auf dieses Jubiläum hingelebt. Sie hatte sich schon lange auf das Ereignis gefreut.“ Ihre Schwiegermutter sei friedlich eingeschlafen. „Das ist ein hartes Jahr für uns, aus mehreren Gründen“, sagt Claudia Uhlisch.
Auch abseits der Pandemie hätten sich die Zeiten für Hersteller von Süßwaren verändert: An den Absatzmengen lasse sich ablesen, dass viele Menschen mittlerweile auf eine zuckerarme Ernährung achteten. „Ich glaube, es wird eher auf Süßigkeiten als auf süße Getränke verzichtet“, vermutet Claudia Uhlisch, die aber dennoch optimistisch nach vorn blickt.
Auch in Zukunft wolle man am Bewährten festhalten, sagt sie. Das schließe neue Ideen aber nicht aus: zum Beispiel eine gläserne Produktion in der Innenstadt, um Interessierten die Herstellung näher zu bringen. „Aber eigentlich ist dies eher etwas für die nächste Generation“, sagt Claudia Uhlisch. Eine Nachfolge zeichne sich im Familienunternehmen derzeit aber noch nicht ab.
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