
Herr Fuest, laut der Finanzplanung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sollen die Sozialausgaben von 180 Milliarden Euro in diesem Jahr auf fast 200 Milliarden Euro in 2023 steigen. Scholz kommentierte das mit den Worten: „Wir können nicht alles finanzieren, was man sich wünscht, aber ziemlich viel.“ Was halten Sie davon?
Clemens Fuest: Es ist eigentlich nicht die Aufgabe des Finanzministers, andere Politiker dazu zu ermuntern, neue Ausgabenwünsche zu formulieren. Hinzu kommt, dass der Staat zwar hohe Einnahmen hat, das aber von den Bürgern damit bezahlt wird, dass sie einen seit Jahren wachsenden Anteil am Einkommen an Steuern und Abgaben entrichten müssen. Es wäre dringend notwendig zu prüfen, ob wirklich alle Staatsausgaben, die wir derzeit haben, gerechtfertigt sind.
Auf der einen Seite gibt es Bürger und Politiker, die einen Abgesang auf den Sozialstaat anstimmen, der ihrer Meinung immer mehr Leistungen abbaut. Auf der anderen Seite wachsen die Ausgaben – wie passt das zusammen?
In Deutschland gibt es keinen Sozialabbau, im Gegenteil, der Sozialstaat expandiert. Angesichts der sinkenden Arbeitslosenzahlen müssten die Sozialausgaben eigentlich sinken, aber das Gegenteil ist der Fall.
Was spricht dagegen, wenn die Sozialausgaben steigen? Könnte man nicht auch stolz darauf sein, dass die Bundesrepublik sich diese Ausgaben leisten will und leistet?
Steigende Sozialausgaben sind nicht zwangsläufig gefährlich. Es kommt darauf an, warum sie steigen. Dass mit alternder Bevölkerung die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege steigen, ist unvermeidlich. Das muss allerdings jemand bezahlen. Die Finanzierung muss so gestaltet werden, dass kein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Vor allem das Vorsorgesparen ist wichtig.
Sie sprachen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk auch von Wahlgeschenken wie dem Baukindergeld. Gibt es dazu Ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren – beispielsweise seit der Großen Koalition – eine stärkere Tendenz?
In Zeiten knapper Kassen ist die Politik zurückhaltender mit neuen Ausgabenprogrammen. Wenn wie derzeit die Steuergelder reichlich fließen, wird mehr ausgegeben. Dabei versuchen alle Parteien, ihre jeweiligen Wählerschichten zu begünstigen. Das ist allerdings nichts Neues.
Was wäre Ihrer Ansicht nach gegen steigende Sozialausgaben zu tun?
Es geht vor allem darum zu prüfen, ob Sozialausgaben zielgenau sind, also die Bedürftigen erreichen. Deshalb ist es beispielsweise wichtig, beim Projekt der Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung vorzusehen. Wer eine niedrige Rente, aber außerdem hinreichende andere Einkommensquellen hat, braucht keine staatlichen Sozialleistungen.
Das Gespräch führte Silke Hellwig.
Clemens Fuest (50) ist seit 2016 Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) sowie Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni München. Zudem ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.
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