
Petra Nordhaus: Ob der Bedarf tatsächlich gestiegen ist, kann ich nicht sagen. Aus meiner Erfahrung ist der Beratungsbedarf grundsätzlich da. In die Beratungen spielt aktuell die Pandemie immer rein, weil sie für alle Realität ist.
Bildet das die Notlagen der Paare wirklich ab?Paare haben es aktuell schwerer, weil jeder durch die Pandemie deutlich mehr belastet ist. Es ist eine Vielzahl an Themen dazugekommen. Es kann sein, dass Paare, die sich guten Umgang erarbeitet haben, in alte Muster zurückverfallen. Manche agieren den zusätzlichen Stress aus, lasten ihn dem anderen an. Bei einigen rückt der Teamgedanke in den Vordergrund, sodass die Paarprobleme erst einmal beiseitegeschoben werden, um den Alltag in der Krise zu bewältigen.
Welche Probleme werden gerade größer?Zentral ist der Umgang mit Unterschieden und zu wissen, wie es dem anderen geht. Haben Paare nicht gelernt, sich miteinander darüber auszutauschen, was jeder individuell als Belastung oder Bereicherung empfindet, und konkrete Absprachen zu treffen, ist das eine große Schwierigkeit. Besonders, wenn ein Partner sich in sich zurückzieht oder aber schnell der Geduldsfaden reißt.
Welche Stressfaktoren bringt die Corona-Krise für Paare mit sich?Aktuelle Themen sind beispielsweise eine veränderte oder unsichere Arbeitsplatzsituation, Homeschooling oder die Angst davor, zu erkranken. In dem Zusammenhang finde ich es wichtig, sich bewusst zu machen, dass erst individuell bewertet wird, was man als Stress erlebt, und dass man individuell und als Paar seinen eigenen Stil hat, mit diesem Stress umzugehen. Man sollte auch seine eigenen Ressourcen kennen und Bewältigungsstrategien anwenden können. Selbstfürsorge ist wichtig: ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung. Es ist nicht zu unterschätzen, wie sich das auf die Beziehung auswirkt. Man muss sich selbst eine Struktur im Alltag schaffen und benötigt Selbstdisziplin, um sie umzusetzen. Wenn Kinder da sind, müssen sich Eltern vielleicht zurücknehmen, um ihr Kind zu unterstützen.
Welche Auswirkungen haben weniger soziale Kontakte auf Paare?Der eine leidet darunter, weil es für ihn Form von Einengung darstellt, für den anderen ist es Bereicherung, weil er mehr Zeit mit Partner und/oder Kindern verbringen kann. Die Pandemie wirkt sich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich aus. Das Schwierige ist das begrenzte Maß an Selbstbestimmtheit im Umgang mit Menschen außerhalb des eigenen Haushalts. Einen ungezwungenen Umgang hat man jetzt eigentlich nur mit dem Partner und der Familie. Wer mit dem Partner eine gute Körperlichkeit hat, verfügt über eine gute Ressource. Anderen wird bewusst, ob er dies vermisst oder nicht.
Bringt die Pandemie ausschließlich neue Belastungen oder wirkt sie eher wie ein Brennglas auf bereits bestehende Probleme?Corona wirkt wie ein Brennglas. Durch den Wegfall äußerer Ablenkungen und Kompensationsmöglichkeiten und mehr Zeit miteinander wird klarer, was für Schwachstellen und Ressourcen es gibt. Im Umgang mit Herausforderungen benötigen Paare eine konstruktive Bewältigungsmethode: Austausch, Aushandeln, Absprache. Inhaltlich gibt es neue Themen: Im Sommer zum Beispiel, ob und wie Urlaub gemacht wird oder ein Restaurantbesuch vorstellbar ist. Alles Dinge, die Paare miteinander aushandeln mussten.
Wird sich die Corona-Krise auf die Zahl der Scheidungen auswirken?Ich glaube, dass man das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen kann. Jetzt werden alle Energie und Kräfte für die Bewältigung der Krise benötigt. Danach könnten Menschen ihre Partnerschaft möglicherweise noch einmal bewerten.
Auf welche Anzeichen sollte man achten und sich ernsthaft Gedanken um die Partnerschaft machen?Wenn man merkt, dass man zunehmend in der Beziehung unzufrieden oder unglücklich ist, eventuell sogar gelegentlich Trennungsgedanken aufploppen, sollte man sich bewusster mit der Partnerschaft beschäftigen. Ebenso, wenn man sich vom Partner zurückzieht oder unangemessen oft gereizt reagiert.
Wann macht eine Paartherapie Sinn?Wenn es einen Veränderungswunsch gibt und Menschen bereit sind, sich mit sich und dem Partner auseinanderzusetzen.
Weshalb?Man kann ein belastendes und anstrengendes Miteinander verändern und eine andere Sichtweise auf sich und den Partner finden. Außerdem kann man gemeinsam herausfinden, was jeder braucht, um sich in der Partnerschaft wohlzufühlen, und ob es eine ausreichend große Schnittmenge gibt. Daran können beide arbeiten.
Wie läuft eine Paartherapie in der Regel ab?Ich arbeite in 1,5-stündigen Gesprächen. Im Erstgespräch versuche ich herauszufinden, was es für Schwierigkeiten gibt und das Paar erreichen will. Dann muss eine Entscheidung getroffen werden, ob beide an den erarbeiteten Zielen arbeiten wollen.
Wie lange müssen Paare aktuell auf einen Termin warten?Wer zeitlich flexibel ist, kann innerhalb von zwei Wochen einen Termin bekommen.
Wie kann man in der Krise die Liebe zum Partner im Alltag retten und die Qualität der Beziehung schnell verbessern?Grundsätzlich Wohlwollen, Großzügigkeit und sich gegenseitig damit beschäftigen, was für den anderen wichtig und Ausdruck von Liebe ist: Für manche sind es liebevolle Gesten und Körperlichkeit, für andere Lob und Anerkennung. Man sollte etwas für die gute Stimmung tun, eine schöne Zweisamkeit gestalten, Vorwürfe, Rechtfertigungen und persönliche Angriffe stoppen. Außerdem Selbstfürsorge: Nur wer mit sich selbst einigermaßen im Lot ist, kann sich auf einen anderen Menschen einlassen.
Das Gespräch führte Ulrike Troue.Petra Nordhaus
ist Diplom-Sozialarbeiterin und -pädagogin sowie Heilpraktikerin (Psychotherapie). Nach ihrem Sozialwesen-Studium hat die Bremerin lange in Kliniken gearbeitet und sich im Herbst 2008 mit einer eigenen Praxis im Fesenfeld mit dem Schwerpunkt Paarberatung selbstständig gemacht. Dafür hat sie einige Zusatzqualifikationen erworben, unter anderem in Systemischer Paartherapie und Systemischer Sexualtherapie.
149.000 Scheidungen
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes endeten 2019 rund 149.000 Ehren durch richterlichen Beschluss. Das waren knapp 1000 Scheidungen mehr als im Vorjahr. Für 2019 übermittelt das Statistische Landesamt Bremen 1106 Scheidungen und 1181 für das Jahr 2018.
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