
Sie ziehen für die Bremer FDP als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl...
Volker Redder: Zunächst bin ich erst einmal nominiert, das müssen die Delegierten ja noch bestätigen. Vielleicht wollen die den Dicken ja gar nicht.
Wenn sie ihn aber wollen: Wo steht für ihn der Hauptgegner?
Tatsächlich bei den Grünen.
Das ist aber schwierig: Die Machtoption für die FDP heißt doch bestenfalls Jamaika, wie 2017. Allerdings mit Grünen, die voraussichtlich doppelt so stark sind wie damals.
Warten wir es ab. Die Grünen verlieren ja gerade an Zustimmung, während die Liberalen gewinnen.
Da liegen jedoch immer noch mindestens zehn Prozentpunkte dazwischen.
Ja, aber man darf Christian Lindner nicht unterschätzen. Der blüht ja im Wahlkampf auf. Wir haben die Chance, ein zweistelliges Ergebnis hinzulegen. Und ich wundere mich, wie schnell die Grünen auch unsere Themen übernehmen: Annalena Baerbock macht sich jetzt für Digitalisierung der Bildung stark. Dabei waren die früher mal so technikfeindlich.
Vermutlich haben sieben Parteien Chancen auf den Wiedereinzug in den Bundestag. Was sind die drei wichtigsten Alleinstellungsmerkmale der Liberalen?
Wir sind die letzte Partei, die ein grundlegendes Vertrauen in den Menschen hat, die den Bürgerinnen und Bürgern im positiven Sinne alles zutraut. Uns geht es um den Dreiklang aus Freiheit, Eigenverantwortung und weniger Staat. Momentan haben wir dank Corona eine Situation, in der der Staat alles regelt, und das ist nicht gut.
Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Von den beiden potenziellen Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet und Markus Söder wäre mir…
Armin Laschet lieber, natürlich.
Warum?
Markus Söder betreibt gerade in der Corona-Krise eine aktionistische Politik, die mir nicht gefällt. Bayern ist unterm Strich am stärksten betroffen, und er fordert immer noch mehr und härtere Maßnahmen. Die Zahlen sprechen aber nicht dafür, dass das funktioniert. Mit Laschet kann man zudem besser liberale Politik machen als mit Söder.
Sie sind Biologe, Informatiker, promovierter Ingenieur. Was muss eine künftige Bundesregierung möglichst schnell anders machen?
Den Mittelstand nicht mehr drangsalieren, sondern freier laufen lassen. Da geht es um Markt- und Grenzöffnungen, aber auch so Aspekte wie mobiles Arbeiten. Man blickt zu viel auf die großen Konzerne, aber der Mittelstand ist das ökonomische Rückgrat dieses Landes: Mittelständler stellen 90 Prozent der Ausbildungsplätze und 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Jobs. Der Mittelstand leidet aber auch am meisten unter Corona. Die Novemberhilfe der Regierung kommt jetzt erst bei einigen an, wenn überhaupt. Und das stopft auch nur einige Löcher.
Was sollte stattdessen geschehen?
Etwas Zukunftsträchtigeres. Eine Regierung sollte erkennen, wo Chancen sind, und genau die dann auch fördern. Nehmen Sie eine Großwäscherei, die vor allem von Hotels abhängig ist. Die hat jetzt extreme Probleme, kann aber auch nicht mal eben schnell auf Krankenhausbetrieb umschalten. Da müssen ein bis zwei Millionen in neue Maschinen investiert werden, und dabei sollte die Politik helfen. Eine Förderung der Wirtschaftsinfrastruktur wäre wichtig.
Hätten die Regierenden – Kanzlerin wie Ministerpräsidenten – im Umgang mit dem Virus mehr Rücksichten auf die Wirtschaft nehmen sollen?
Natürlich. Konkret sieht man es doch an den Hotels und Gaststätten. Die haben beste Hygienekonzepte vorgelegt. Die Havanna-Lounge etwa hat Hepa-H-14-Luftfilter eingebaut, das ist nur eine Stufe vor dem Laborstandard U-15. Da können Sie sich quasi gar nicht mit Corona durch die Atemluft eines anderen infizieren. Trotzdem musste auch dieses Lokal dicht machen. Dabei gibt es null Indikationen dafür, dass sich in Hotels oder Restaurants, die sich an die Regeln gehalten haben, eine Infektion erfolgt ist.
Also hätte man noch mehr differenzieren müssen bei den Maßnahmen?
Sicher. Wenn jemand viel Geld in die Abwehrmaßnahmen investiert, muss man dies auch würdigen. Für mich als Unternehmer sind Hotels und Restaurants auch systemrelevant. Dort trifft man sich ja, aber eben unter geregelten Hygienebedingungen. Und ich sage Ihnen als Biologe: So schnell ist das mit Corona nicht vorbei, das bleibt. Wir werden auch 2022 nicht zu einem Muse-Konzert mit 20.000 Leuten gehen können.
Die Vertreter von Zero-Covid verweisen auf die Situation in Australien und Neuseeland: Da kann man schon wieder in Konzerte gehen.
Genau, weil die radikal die Grenzen dicht gemacht und eine radikale Quarantäne verhängt haben. Aber können wir das in Deutschland, als Staat mitten in Europa? Als Exportweltmeister? Ich sehe das nicht. Wir werden einfach ein Grundrauschen an Erkrankten beibehalten. Das heißt aber auch, dass wir zum normalen Leben nicht so schnell zurückkehren. Das ist ganz bitter.
Nach der Wahl: Lieber mitregieren oder lieber aus der Opposition angreifen?
Regieren ist immer besser. Was ist das denn für eine Frage?
Sie können sich doch sicher denken, warum ich sie stelle.
Sicher, und ich kann die Jamaika-Absage von Christian Lindner 2017 auch verstehen. Er hat sich allerdings darauf verlassen, dass alle drei Verhandlungsführer gemeinsam das Scheitern erklären. Das war sein Fehler, aber im Prinzip hatte er recht. Wenn man die Grünen-Liste Punkt für Punkt abarbeitet, aber für liberale Forderungen wie die Abschaffung des Soli einfach keinen Haken von der Kanzlerin bekommt, dann muss man irgendwann auch gehen.
Und was könnte nach der Wahl in diesem Herbst anders laufen?
Ich glaube schon, dass man mit denen zu Lösungen kommen kann, die nicht nur aus Verzicht und Abschaffung von Wohlstand bestehen. Es gibt für vieles technologische Lösungen. Die müssen dann aber auch ihre eher technikfernen Dogmatiker überzeugen.
Aktuell wird Bremen im Bundestag von drei Frauen und zwei Männern vertreten. Wenn Sie es schaffen, werden es vermutlich vier Männer und zwei Frauen sein. Bildet das noch unsere Gesellschaft ab?
Männer können doch auch Fraueninteressen vertreten – und andersherum. Ich habe zwei Töchter und bin mit einer Frau verheiratet, die in unserer Firma Geschäftsführerin ist und sich bei den Business Professional Women engagiert ist. Ich mag dieses konfrontative Denken über die Geschlechter nicht, das ist mir zu dumm.
Alle Mitglieder des Bundestags werden früher oder später gefragt, was sie in Berlin für Bremen erreichen wollen. Wie lautet Ihre Antwort?
Bremen ist eine Handelsstadt, also müssen wir Handelsbeschränkungen reduzieren. Deshalb bin ich sehr für internationale Abkommen wie Ceta und TTIP. Handelsbeziehungen ausbauen und Deutschland stark machen – Bremen gewinnt da immer. Wir sind der zweitgrößte Logistik-Standort Deutschlands, wir sind der zweitgrößte Hafen.
Auf der Homepage Ihres Unternehmens nennen Sie Batman als Ihren Lieblingshelden und geben den Besitz von 3000 Schallplatten an. Welche drei davon würden Sie mit nach Berlin nehmen?
Man findet Alben ja gut, weil sie einen an eine Zeit erinnern, die prägend war. Wenn ich als 17-, 18-Jähriger frustriert war, hat mir das Doppelalbum „Out of the Blue“ vom Electric Light Orchestra sehr geholfen, so positive Songs wie „Mister Blue Sky“. Als Klassik-Fan nehme ich das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach mit – liegt vielleicht auch daran, dass ich früher im Knabenchor Unser Lieben Frauen mitgesungen habe. Und da ich mich bei Pink Floyd nicht zwischen „Dark Side of the Moon“ und „Wish You were here“ entscheiden kann, würde ich „Animals“ mitnehmen, das ist auch ganz stark.
Das Interview führte Joerg Helge Wagner.
Volker Redder (61) ist designierter Spitzenkandidat der Bremer FDP für die Bundestagswahl. Als Diplom-Biologe, -Informatiker und promovierter Ingenieur führt er die Consulting-Agentur i2dm. Zudem ist er Landesvorsitzender des Verbands Die Familienunternehmer.
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