
Im Fall einer Stalkerin, die vom Landgericht Bremen im März in die Psychiatrie eingewiesen wurde, hat das Bundesverfassungsgericht einer Beschwerde ihres Anwalts stattgegeben. Landgericht und Oberlandesgericht hätten im Rahmen einer Gefahrenprognose wesentliche Umstände nicht ausreichend erörtert oder sogar gänzlich außer Betracht gelassen, hieß es. Eine deutliche Kritik an der Rechtsprechung der beiden Gerichte, mehr aber auch nicht. Auf das Urteil hat diese Entscheidung keine Auswirkung. Anwalt Sven Sommerfeldt war es bei seiner Verfassungsbeschwerde lediglich um die einstweilige Unterbringung der Frau während des Prozesses gegangen.
Die Frau hatte ihren langjährigen Lebensgefährten nach der Trennung über Monate hinweg mit Anrufen, Text-Nachrichten und Mails überschüttet, seinen Wagen mit einem Hammer zertrümmert und mit Kot beschmiert sowie die Familie des Mannes mit massiven Drohungen in Angst und Schrecken versetzt – „ich will Gerechtigkeit, ich schlitze die Kinder auf“.
Landgericht hielt die Frau für schuldunfähig
Von den strafrechtlichen Vorwürfen wurde die damals 48-Jährige freigesprochen. Das Landgericht hielt die Frau für psychisch krank und damit schuldunfähig. Da sie dies nicht einsehe und sich einer Therapie verweigere, ohne ärztliche Behandlung aber eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, bliebe nur die Einweisung in eine psychiatrische Klinik, lautete am Ende das Gerichtsurteil.
Vorausgegangen war ein sich über Monate ziehender Prozess, der zwischen Verteidigung und Gericht mit harten Bandagen geführt wurde. Der Vorsitzende Richter sprach in diesem Zusammenhang von einem „Feldzug gegen die forensische Klinik und die Justiz“, den die Verteidigung sowie ein Unterstützerkreis der Angeklagten geführt hätten.
Zumindest in einem Punkt bekam Anwalt Sommerfeldt jetzt im Nachhinein Recht. Er hatte Verfassungsbeschwerde gegen die vom Landgericht im August 2016 verfügte und vom Oberlandesgericht im September 2016 bestätigte einstweilige Unterbringung der Frau während des laufenden Verfahrens eingelegt. „Ziel der Beschwerde war es, meine Mandantin damals so schnell wie möglich wieder aus der Unterbringung herauszubekommen“, erläutert Sommerfeldt seinen Vorstoß vom Herbst vergangenen Jahres. Da das Bundesverfassungsgericht aber erst jetzt, also fast ein Jahr nach Einreichung der Beschwerde und ein halbes Jahr nach Prozessendende, entschieden hat, blieb ihm und seiner Mandantin nur die Genugtuung, Recht gehabt zu haben. Praktische Auswirkungen habe die Entscheidung der Verfassungsrichter nicht mehr.
Gerichte haben "handwerklich schlecht gearbeitet"
Das Bundesverfassungsgericht bemängelt, Landgericht und Oberlandesgericht hätten nicht hinreichend begründet, dass von der Angeklagten „überhaupt eine Fremdgefährdung ausging“. Als die Frau im März 2016 erstmals vor Gericht stand, waren etwa acht Monate vergangen, in denen sie keine Straftaten mehr verübt hatte. Und dies, obwohl Ärzte bereits eine paranoide Schizophrenie bei ihr diagnostiziert hatten. In einem im April 2016 verfassten Bericht von Ärzten und Psychologen des Klinikums Bremen-Ost sei zudem festgehalten worden, dass die Frau weder bedrohlich aufgetreten sei noch schwerwiegende Erregungszustände habe.
Dies hätte von den Gerichten konkreter erörtert werden müssen – ebenso wie der Umstand, dass die Angeklagte zwischenzeitlich von Bremen-Nord nach Bremen-Mitte umgezogen war, erklärten die Verfassungsrichter.
Was nichts darüber aussagt, ob die Stalkerin nicht doch gefährlich war und deshalb zu Recht vorläufig in der Psychiatrie untergebracht wurde, räumt auch Anwalt Sommerfeldt ein. „Das Verfassungsgericht sagt nur, dass die Bremer Gerichte handwerklich schlecht gearbeitet haben.“
Ob dies auch insgesamt für das Verfahren gilt, lässt Sommerfeldt ebenfalls prüfen. Er hat Revision gegen die Unterbringung seiner Mandantin eingelegt. Hierüber wird der Bundesgerichtshof entscheiden.
Das Landgericht Bremen gab zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auf Anfrage des WESER-KURIER am Mittwoch keine Stellungnahme ab.
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