
Frau Oberheim, wann sind Sie das letzte Mal Auto gefahren?
Frederike Oberheim: Das muss etwas her sein, im Sommer vielleicht, bei meinen Eltern, die etwas ländlicher wohnen.
Sie fahren nicht selbst?
Ich bin nach meiner Führerscheinprüfung noch drei Mal in der Probezeit gefahren, danach nicht mehr.
Warum?
Als junger Mensch, der in die Stadt zieht, kommt man gut ohne Auto klar.
Geht das vielen in Ihrem Alter so?
Kaum einer von uns kauft sich noch ein Auto. Dieses Freiheitsgefühl, das mal mit dem Auto verbunden war, kennen noch junge Leute auf dem Land, aber kaum jemand in der Stadt.
Wie meinen Sie das?
Heute ist es ein Gefühl von Freiheit, kein Auto zu besitzen. Man spart sich die Staus und den Stress. Ein teures Ding weniger, um das man sich kümmern muss.
Sie stellen an diesem Freitag ein Mobilitätskonzept vor. Warum jetzt?
Wir haben beim Klimastreik im September gezeigt, dass wir mehr sind als ein paar verrückte Kinder. Das war die größte Demonstration der Bremer Nachkriegsgeschichte. Wir haben jetzt eine andere Stimmgewalt, die Politik muss uns zuhören. Das wollen wir nutzen, um mit diesem Konzept eine überfällige Debatte anzustoßen.
Die Bremer Koalition plant doch längst eine autofreie Innenstadt bis 2030.
Die Politik plant eine autofreie City, mehr nicht. Das Projekt ist ein Witz, wahnsinnig lasch und genauso unambitioniert wie der gesamte Koalitionsvertrag.
Geplant ist, grob gesagt, eine autofreie Zone zwischen Wall und Weser. Ist das nicht ein Anfang?
Ein Anfang vielleicht, aber nicht genug. Wir fordern ein autofreies Bremen bis 2030. Von Stadtgrenze zu Stadtgrenze.
Im Ernst?
Ja klar.
Sie wollen eine Stadt ohne Autos?
Wir wollen keinen motorisierten Individualverkehr. Es geht nicht um Busse, Taxis für Menschen mit Einschränkungen oder Krankenwagen. Die braucht es weiterhin. Auf 98 Prozent der Fahrzeuge in Bremen würden wir aber gerne verzichten.
Wie sollte das funktionieren?
Indem man nachdenkt. Wir haben Studien gewälzt, tausende Seiten. Und wir haben nach Amsterdam und Kopenhagen geschaut. Es gibt genug Beispiele dafür, dass eine wirkliche Verkehrswende möglich ist, wenn man nur will.
Auch in Amsterdam und Kopenhagen fahren Autos.
Aber in diesen Städten gibt es wenigstens Visionen von einem Verkehr, der nicht allein aufs Auto ausgerichtet ist.
Hier nicht?
Meinen Sie die Frage ernst?
Bremen gilt als fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands.
Das heißt doch nicht viel in diesem Autoland. Auch in Bremen zahlt die Allgemeinheit Unmengen für Autofahrer, pro Kopf knapp 250 Euro Steuergelder im Jahr, während es für Radfahrer nur knapp 15 Euro sind.
Das finden Sie falsch?
Wir wollen eine Stadt, die für alle da ist, nicht nur für Autofahrer. Natürlich muss sich die Infrastruktur dafür radikal ändern.
Woran denken Sie?
Es muss cooler werden, in Bremen kein Auto mehr zu fahren. Wer in Bremen aktuell eine Strecke von 20 Kilometern zurücklegen muss, ist selbst mit dem Rad im Durchschnitt deutlich schneller als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dem ÖPNV. Das kann nicht sein. Wir müssen es schaffen, dass alle anderen Verkehrsmittel schneller sind als das Auto, bequemer und billiger.
Sieht es nicht eher so aus, dass man gerade am Stadtrand oft minutenlang von der Haltestelle zum Ziel laufen oder radeln muss?
Wir müssen besonders die Gewerbe- und Industriegebiete viel besser anbinden. Zu den Stahlwerken etwa muss man noch eine halbe Stunde laufen, wenn man sie mit dem ÖPNV erreichen will. So verzichtet natürlich niemand aufs Auto. Dafür muss der ÖPNV schon besser vernetzt, getaktet und vor allem kostenlos sein.
Wer soll das bezahlen?
Wozu gibt es staatliche Subventionen und die Wirtschaft? Warum sollte der Einzelne das tragen?
Sie würden die Wirtschaft verpflichten wollen?
Wir finden, die Arbeitgeber sollten dafür zahlen, dass ihre Angestellten zur Arbeit kommen – und zwar mit dem ÖPNV. Jetzt bauen Unternehmen doch auch Parkplätze für ihre Arbeitnehmer. Das Geld könnten sie sich dann sparen.
Ihre Generation mag vielleicht keinen so starken Bezug zum Auto haben, der große Rest schon ...
... das zeigt nur, wie gut die Lobby lange gearbeitet hat, wenn das Auto als Statussymbol so tief in den Köpfen der Deutschen verankert ist. Autos haben hier noch immer alle Privilegien. Der Verkehr läuft unglaublich ungerecht.
Glauben Sie wirklich, das ändern zu können?
Natürlich wird unser Konzept nicht einfach so durch die Bürgerschaft flutschen. Darum geht es auch gar nicht.
Worum dann?
Die Leute sollen sich mit dem Gedanken auseinandersetzten, dass eine autofreie Stadt nicht nur klimaneutral wäre, sondern auch einen sicheren Verkehr und ganz einfach mehr Lebensqualität bieten würde. Das wäre ein neues Bremen. Das wollen wir aufzeigen, denn die Bremer Politik denkt ja nicht so weit.
Wieso eigentlich?
Ich weiß auch nicht, wovor die Angst haben. Ich fürchte, die Politiker schätzen die Bremer einfach ziemlich falsch ein. Wir sind doch eine progressive Stadt, die offen ist für Veränderungen. Es bräuchte bloß mal ein bisschen Mut.
Das Gespräch führte Nico Schnurr.
Frederike Oberheim (20) ist Mitorganisatorin der Bremer Fridays-for-Future-Proteste. Sie studiert an der Uni Bremen, wo sie sich als Präsidentin des Studierendenrates engagiert. Am Freitag wird sie das Mobilitätskonzept der Bewegung vorstellen.
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