
Was für ein Theater vor dem großen Schauspiel: Als die Teilnehmer der Schaffermahlzeit vor dem Rathaus stehen und hinein wollen, sind alle Eingänge blockiert. Aktivisten der Fridays-for-Future-Bewegung haben sich auf die Stufen gesetzt und sind nicht bereit, auch nur einen Millimeter zu weichen. Das gute Zureden der Schaffer verpufft, auch der Bürgermeister kann sich nicht durchsetzen. Hünenhaft baut er sich vor den Demonstranten auf, redet auf sie ein, vergeblich. Direkt neben Andreas Bovenschulte (SPD) wartet der Ehrengast auf Durchlass, gegen ihn richtet sich der Protest. „Du blockierst die Energiewende. Wir blockieren Dich“, haben sie auf das Transparent geschrieben. Die jungen Leute werfen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor, nicht schnell genug aus der klimaschädlichen Kohle auszusteigen.
Und so ist die Schaffermahlzeit plötzlich Kulisse für politischen Protest. Bizarre Szenen. Der Shantychor denkt nämlich nicht daran, auf sein Programm zu verzichten. Die Seemannslieder mischen sich mit den lauten Rufen der Demonstranten. Eine Kakophonie. Und irgendwie auch zum Lachen. Die Herren im Frack und Damen in festlichen Kleidern nehmen es in der Mehrzahl mit Humor. Am Ende gelangen sie doch noch an ihr Ziel – so viele Eingänge, wie das Rathaus hat, kann nicht jeder wirksam blockiert werden. Etwas verspätet die Ankunft, aber immer noch rechtzeitig genug, um den minutiösen Zeitplan einzuhalten. Um 14.25 Uhr beginnt die 476. Schaffermahlzeit.
Eigentlich ist das ungerecht, es passt nicht, muss aber sein: Tradition! Die drei Männer, die dieses Mal in der Oberen Rathaushalle das älteste Brudermahl der Welt ausrichten und es auch bezahlen, sitzen am Ende der langen Tische. Ganz vorne der Ehrengast, der Bürgermeister und andere hochmögende Herrschaften. Ganz hinten die Schaffer. Von dort halten sie ihre Reden. Auf Bundespräsident und Vaterland. Auf Bremen und den Senat. Auf Handel, Schifffahrt und Industrie. Und auf allerhand mehr. Zusammen mit den anderen, die während der fünf Stunden aufstehen, um Worte an die 300 Teilnehmer zu richten, vollbringen die Männer im Ganzen zwölf Reden. Fünf Stunden, fünf Gänge, zwölf Reden, das ist das Programm. Schaffermahlzeit!
Was Altmaier sagt, ob er auf die Proteste eingeht, erfahren die 285 Männer und 15 Frauen hinter verschlossenen Türen. Der Minister redet gerne frei, er hat den Veranstaltern von Haus Seefahrt vorher nur ein paar Stichpunkte geliefert. Altmaier spricht, da ist die Schaffermahlzeit fast vorbei. Die Hühnersuppe gelöffelt, der Stockfisch gegessen, auch der Braunkohl, der Kalbsbraten und der Rigaer Butt. Es fehlen nur noch der Tabak, um die bereitgelegten Tonpfeifen zu rauchen, und der Kaffee, bevor um 19.20 Uhr die Tafel aufgehoben wird.
Vor der Schaffermahlzeit bittet die Handelskammer zum Empfang. Die erste Station des Wirtschaftsministers. Er ist nach einem Sturz immer noch gehandicapt, sein linker Fuß trägt eine Stütze. Altmaiers Laune tut das keinen Abbruch. Er begrüßt zunächst die Präses der Handelskammer und gratuliert ihr. Janina Marahrens-Hashagen wurde von Haus Seefahrt in dieser Woche zur Schafferin gewählt. Sie ist fast 500 Jahre nach Gründung der Stiftung die erste Frau in dem Amt. Altmaier weiß davon, man hat es ihm gesteckt. Und er wird auch sonst gut im Bilde sein.
Einer seiner Staatssekretäre ist Ulrich Nußbaum. Der Unternehmer aus Bremerhaven und ehemalige Bremer Finanzsenator war selbst mal Schaffer. Nußbaum begleitet Altmaier und ist auch im Gewühl dabei, als die Demonstranten seinem Chef zu Leibe rücken. Dem Bremer Bürgermeister ist der Minister offenbar noch nie begegnet. Als die beiden im Haus der Handelskammer mit herzlichen Worten aufeinandertreffen, staunt Altmaier: „Sie sind ja noch größer, als ich dachte.“
Später sitzen Bovenschulte und Altmaier am Tisch des Ehrengastes direkt nebeneinander – in einer Reihe mit Friedrich Lürßen von der Lürssen-Werft, der Soziologin Jutta Allmendinger, die in Berlin das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung leitet, der Klimaforscherin Antje Boetius und mit Joe Kaeser, dem Chef von Siemens. Eine illustre Runde, eingerahmt von den Kapitänen von Haus Seefahrt.
Schaffer sind in diesem Jahr Thomas Kriwat, Bülent Uzuner und Max Roggemann. Sie haben sich monatelang um die Organisation gekümmert. Ganz wichtig: Wer liefert das Essen? Die Entscheidung fiel auf Jörn Gefken vom „Bremer Tor“ in Stuhr. Für den 28-Jährigen ist das eine große Auszeichnung: „Die Schaffermahlzeit gehört zu den wichtigsten Caterings in ganz Deutschland.“ Gefken wird auch sonst ab und an im Bremer Rathaus engagiert, außerdem kennt er die amtierenden Schaffer. So kam das zustande. Für den Kohl hat er einen Kniff: „Die rauchige Note, wir tun Bauchspeck hinein, der vorher 48 Stunden lang geräuchert wurde.“
Während in der Oberen Rathaushalle bei Kerzenschein gegessen, getrunken, geredet und geraucht wird, beruhigt sich die Lage vor dem Rathaus. Immer noch ist Polizei da, doch so recht zu tun hat sie nicht mehr. Die Demonstranten sind verschwunden. Pech für die Radfahrer, die am Rathaus vorbeiflitzen. Sie werden angehalten und ermahnt. Immer diese Radfahrer. Bremen hat seinen Alltag wieder.
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