
Es ist erst ein paar Tage her, dass der Senat beschlossen hat, Bremerhaven von sämtlichen Schulden zu befreien. Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) feierte das als Durchbruch; seine Stadt werde künftig nicht mehr als „arme Maus“ angesehen und könne das Haupt erheben, schrieb er in einem Gastbeitrag für den WESER-KURIER. Doch nun das: Bremerhaven droht eine Haushaltssperre. Keine Ausgaben mehr, heißt das, die über die gesetzlichen Pflichtaufgaben hinausgehen. Alles wird gestrichen, was im Sport, bei der Kultur oder im Gesundheitswesen freiwillige Leistungen sind.
Nach Angaben von Stadtkämmerer Torsten Neuhoff (CDU) fehlen im laufenden Haushalt rund sieben Millionen Euro. „Bei der Finanzplanung konnte nicht ausreichend berücksichtigt werden, was an Kosten zum Beispiel für den Kita-Ausbau oder die Mobilbauten an den Schulen auf uns zukommt“, sagte Neuhoff auf Anfrage unserer Zeitung. Deshalb die Schuldensperre, doch so ungewöhnlich sei das nicht: „Gleiches haben jetzt der Landkreis Cuxhaven und die Stadt Nordenham gemacht.“ Neuhoff will das Defizit nach eigener Aussage auf zwei Wegen ausgleichen.
Projekte aus dem Bereich der freiwilligen Leistungen, die noch für dieses Jahr geplant sind, sollen in das kommende Jahr verschoben werden. Davon verspricht sich der Kämmerer eine Ersparnis von etwa drei bis vier Millionen Euro. Die andere Hälfte der sieben Millionen Euro will er aus den Rücklagen der Ämter für Projekte der Zukunft entnehmen. Ein Beispiel: Wenn für den Sport eine neue Halle geplant ist und dafür Mittel angesammelt werden, damit sie in den nächsten Jahren gebaut werden kann, wäre das ein Reservoir, aus dem geschöpft werden könnte.
Der Kämmerer sieht keine Alternative, wenn am Ende des Jahres der Haushalt ausgeglichen sein soll: „Wir sind ein Haushaltsnotlageland und bekommen Finanzhilfen vom Bund. Wenn in der Schlussrechnung für 2019 ein Defizit übrig bleibt, wir also gegen die Auflagen verstoßen, riskieren wir, dass die Hilfen ausbleiben.“
CDU und FDP sind sich bei der Haushaltssperre einig. Die SPD als dritter Partner in der Bremerhavener Koalition will aber noch nicht mitmachen. „Wir haben Beratungsbedarf“, erklärte SPD-Unterbezirksvorsitzender Martin Günthner im Gespräch mit dem WESER-KURIER, „eine Haushaltssperre muss gut begründet sein und konkrete Wirkung haben.“ Der Kämmerer, so der ehemalige Wirtschaftssenator, solle Butter bei die Fische tun. Er müsse sagen, wo Ausgaben gestrichen werden. „Auf keinen Fall dürfen dadurch soziale Einrichtungen in Schieflage geraten.“ Die SPD sei nicht grundsätzlich gegen eine Haushaltssperre, bewerte dieses Instrument aber nicht als besonders kreativ.
Neuhoff hält dagegen: Für ihn sind die Äußerungen von Günthner nur ein „taktisches Spielchen“. Es sei doch klar, was bei einer Schuldensperre noch möglich ist und was nicht. Im Übrigen habe er die Fraktionsspitzen von SPD, CDU und FDP bereits im September über die geplante Haushaltssperre informiert und die Gründe dargelegt. „Das konnte also niemanden überraschen.“
Die CDU legt noch eins drauf. Sie wirft der SPD vor, auf Zeit zu spielen. „Wir müssen jetzt zügig zu einer Entscheidung kommen, damit die Haushaltssperre noch ihre Wirkung zeigen kann“, teilte CDU-Fraktionschef Thorsten Raschen am Mittwoch mit. Die Sozialdemokraten sollten sich an die Haushaltsansätze halten und nicht ständig mit der Forderung nach zusätzlichen Stellen kommen: „Verantwortlich für das Defizit sind unter anderem Überschreitungen in Ämtern, die von der SPD geführt werden“, meint Raschen.
Sollte die Haushaltssperre verhängt werden, wäre ihre Laufzeit überschaubar. Mitte Dezember wird ein Strich gezogen, dann ist Kassenschluss. Doch auch danach kann Bremerhaven nicht nach eigenem Gusto Geld ausgeben. Solange es keinen neuen Haushalt gibt, womit nach Angaben der Kämmerei erst für September gerechnet wird, wird nur das aus dem Stadtsäckel finanziert, was gesetzlich geboten ist. Die gleichen Bedingungen also wie bei der Haushaltssperre.
Dass Bremerhaven vom 1. Januar 2020 keine Schulden mehr hat, weil das Land Bremen sie übernimmt, wirkt sich erst für die kommenden Haushalte aus. Die Stadt muss dann keine Zinsen mehr zahlen und spart jedes Jahr rund 50 Millionen Euro. Sie war zuletzt mit 1,6 Milliarden Euro in den Miesen. Bremerhaven bekommt fortan außerdem einen Teil der Gewerbesteuereinnahmen aus den Überseehäfen, das sind pro Jahr nach aktuellem Stand etwas sechs Millionen Euro. Der Hafen mit seinen Containerterminals ist in Bremerhaven exterritoriales Gebiet, er gehört zum Eigentum der Stadt Bremen.
Zu diesen guten Nachrichten hat sich vor einigen Tagen eine schlechte gesellt. Nach der neuesten Steuerschätzung werden die Einnahmen aus der Gewerbesteuer für die beiden Städte Bremen und Bremerhaven um jeweils sechs bis acht Prozent sinken. Das engt den gerade neu gewonnenen finanziellen Spielraum wieder deutlich ein.
+ + Dieser Text wurde um 20.36 Uhr aktualisiert + +
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