
Lust auf Süßes verbindet – über die Kulturen hinweg. Fragt man Xiaoling Zeng nach einer kuriosen Episode aus ihrer Zeit als ehrenamtliche Betreuerin von Geflüchteten in Walle, erzählt sie von einem kleinen syrischen Jungen, der als allererstes das deutsche Wort für „Schokolade“ lernen wollte. Für sie gut nachvollziehbar, schließlich begeistert sich die junge Frau aus China selbst für deutschen Käsekuchen. Die Zubereitung hat sie sich von Lydia van Loh-Wark, ihrer bremischen „Gastmutter“, zeigen lassen. Seit einem Jahr engagiert sich die 30-Jährige neben ihrem Studium an der Jacobs University in der Kinderbetreuung für Flüchtlingsfamilien im Übergangswohnheim der Inneren Mission in Walle.
Bis zu dreimal in der Woche pendelt sie in ihrer Freizeit aus Bremen-Nord nach Walle, um sich mit den Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren zu beschäftigen. Dabei spielt, malt und puzzelt sie ungefähr eineinhalb Stunden mit der Kindergruppe in einem Spielraum des Wohnheims. Ohne Betreuung können die Kinder den Spielraum nicht nutzen, und so ist die Freude jedes Mal groß, wenn Xiaoling Zeng den Raum aufschließt.
Ihr ist es wichtig, dass die Kinder gemeinsam spielen und auch lernen, das Spielzeug miteinander zu teilen. Denn alle Spielsachen sind Spenden und gehören der Gemeinschaft. „Natürlich gibt es manchmal auch etwas Zank und Streit, aber da bin ich geduldig“, sagt Xiaoling Zeng. „Die Kinder sind süß, aber ein Spielnachmittag kann auch anstrengend sein, denn die Kleinen sind oft sehr energiegeladen und aktiv.“
Je nach Gruppenzusammensetzung betreut die junge Frau bis zu 20 Kinder auf einmal, während die Eltern beispielsweise Deutschkurse wahrnehmen. Sie selbst spricht mit den meist arabischsprachigen Jungen und Mädchen auch hauptsächlich Deutsch, mit einigen wenigen Einsprengseln Englisch.“Das ist auch für mich eine gute Übung“, sagt sie.
„Den älteren Kindern helfe ich auch schon mal bei Fragen rund um die Mathe-Hausaufgaben. Das fällt mir ja leicht“, berichtet Xiaoling Zeng. Sie besitzt ein Talent für Zahlen und hat an der Jacobs University im Bereich Experimentelle Physik promoviert und sich in ihrem Forschungsprojekt mit Transistoren und Halbleitern beschäftigt. Mittlerweile hat sie eine Arbeitsstelle im Stuttgarter Raum gefunden und wird im Juli in den Süden umziehen. Die Kinder aus dem Übergangswohnheim in Walle wird sie vermissen, sagt sie, hat aber fest vor, sich auch weiterhin ehrenamtlich zu engagieren, „egal, wo ich lebe und arbeite“.
Generell hat Xiaoling Zeng das ehrenamtliche Engagement hier in Bremen sehr beeindruckt. „Viele andere Menschen haben viel mehr geleistet als ich“, sagt sie ganz bescheiden und erzählt von Sabina, einer älteren Frau mit Knieproblemen, die trotzdem jede Woche ins Wohnheim für Geflüchtete kam und dort im Kinderprogramm mithalf.
Der Impuls, sich sozial zu engagieren, kam von Xiaoling Zeng selbst, denn sie wünschte sich ein Gegengewicht zu ihrer akademischen Arbeit. Vorgeschlagen wurde sie für das Projekt der Inneren Mission in Walle von ihrer Gastmutter Lydia van Loh-Wark. Mit ihrem Ehemann Holger engagiert sich Lydia van Loh-Wark selbst gern ehrenamtlich. So haben die beiden auch vor zwei Jahren sofort zugesagt, als sie von einer Bekannten aus dem International Office der Jacobs University gefragt wurden, ob sie nicht Interesse hätten, einer Studentin aus China „ein Stück Heimat fern der Heimat zu geben“, wie Lydia van Loh-Wark es nennt.
Zwischen der Familie und Xiaoling Zeng hat es sofort „geklickt“, und seitdem wurde viel gemeinsam unternommen: „Wir haben Ausstellungen besucht, sind auf die Inseln gefahren, Xiaoling hat bei uns traditionell chinesisch gekocht, und wir haben zusammen Käsekuchen gebacken. Der Austausch mit ihr war auch ein Geschenk und eine Bereicherung für uns“, so Lydia van Loh-Wark.
Auch wollte das Ehepaar selbst gern „etwas zurückgeben“, sagt die Gastmutter: „Unsere beiden Töchter wurden jeweils in den USA, in Kanada und in Südkorea von Gastfamilien betreut. Für uns war es stets eine große Beruhigung, zu wissen, dass sie Ansprechpartner vor Ort hatten, nicht nur im Notfall, sondern auch im Alltag.“ Diese Einschätzung bestätigt auch Xiaoling Zeng: „Das Gastfamilienprogramm ist für internationale Studierende ganz großartig, und ich bin so dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt.“
Auch Xiaoling Zengs Eltern waren sehr beruhigt, als sie hörten, dass ihre Tochter in Bremen so gut aufgenommen wurde. Sie leben in Yibin, einer Stadt in der chinesischen Provinz Sichuan. Immerhin war ihre Tochter schon vor vier Jahren nach Deutschland aufgebrochen – ganz allein und ohne auch nur ein bisschen Deutsch zu können. Mittlerweile spricht Xiaoling Zeng sehr gutes Deutsch, auch dank Familie van Loh-Wark sowie mehrerer Intensivkurse, die sie – wiederum in Eigeninitiative – an der Volkshochschule besucht hat.
Obwohl sie ihr multinationales Promotionsprogramm komplett in Englisch absolvieren konnte, war es der jungen Frau wichtig, auch außerhalb des Campus der Jacobs University gut kommunizieren zu können: „Beim Einkaufen und in der Stadt wird überall deutsch gesprochen, und ich wollte mehr verstehen und auch mitreden können.“ Von Seiten ihres neuen Arbeitgebers in Stuttgart werden weitere Sprachkurse angeboten, sodass sich bald auch die letzten Grammatikfehler verflüchtigen werden.
In den nächsten Wochen wird Xiaoling Zeng damit beschäftigt sein, ihren Umzug zu planen und viel zu organisieren. Dabei kann sie auch auf Erfahrungen ihrer Gastschwestern Birthe (28) und Kirsten (27) zurückgreifen, die sie schon bei der Wohnungssuche unterstützt haben.
Lydia van Loh-Wark ist überzeugt, dass der Kontakt zwischen der Familie und der jungen Frau auch nach dem Umzug nach Baden-Württemberg bestehen bleiben wird: „Wir sind in den letzten zwei Jahren so eng zusammengewachsen, das wird auch in Zukunft nicht abreißen“, glaubt sie. „Ganz bestimmt!“, sagt auch Xiaoling Zeng voller Überzeugung.
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