
„Kinder sind mein bestes Publikum“, sagt Heinrich Hannover. Dabei sind Kinder das wohl schwierigste, da ehrlichste und unbestechlichste Publikum überhaupt. Hannover ist beides: der unerschrockene und kritische Rechtsanwalt und der überaus erfolgreiche Kinderbuchautor, an dessen humorvolle Werke wie „Das Pferd Huppdiwupp“ sich ganze Generationen mit Vergnügen erinnern.
„Das Pferd Huppdiwupp“ ist einer der erfolgreichsten Kinderbuch-Klassiker der Republik. Seit seinem Erscheinen in den 60er-Jahren ist er bis heute permanent im Buchhandel erhältlich. „Das Pferd Huppdiwupp“, das waghalsig versucht, über ein Haus zu springen, es aber nicht schafft, weil es sich in den Antennen verheddert, durchs Dach fällt und prompt auf dem Frühstückstisch der Großmutter landet, liegt inzwischen auch auf Plattdeutsch vor. Fazit: „Der Kuchen ist alle, der Ofen aus und das Dach kaputt.“ Dieser so überaus muntere, literarische Gaul hat mittlerweile eine Auflage von 300.000 Exemplaren erreicht.
Für sein Lebenswerk als Kinderbuchautor wurde Heinrich Hannover Ende vergangenen Jahres in Hamburg mit dem Tüddelband-Orden der Kühne-Stiftung ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Professor Dieter Richter. Auf die Ordens-Verleihung folgt an diesem Dienstag um 20 Uhr im Wallsaal der Zentralbibliothek eine separate Ehrung in Bremen. Initiiert hat sie mit Richter ein langjähriger Freund und Weggefährte Hannovers. Gut 50 Bücher sind von dem Juristen mittlerweile erschienen, neben den Kinderbüchern auch die politischen. Die Gesamtauflage von Hannovers Büchern liegt bei etwa 800.000.
Wie wird nun ein streitbarer Anwalt zum erfolgreichen Kinderbuchautoren? „Ganz einfach, ich habe meinen Kindern Gute-Nacht-Geschichten erzählt und sie immer wieder gefragt, was denn darin vorkommen soll. Sie hatten dann immer Vorschläge, wie die Erzählungen weitergehen sollten. So sind immer neue Geschichten entstanden“, sagt Hannover. Und die hielt er zunächst handschriftlich fest, wie die von der vorwitzigen Mücke Pieks, die den in der Juristerei vergrabenen Rechtsanwalt Aktenstaub piesackt.
Die Geschichten in Buchform zu veröffentlichen, das war die Idee von Ruth Liepman, der Frau des Schriftstellers Heinz Liepman. Beide besuchten Hannover 1965 im Urlaub auf einem Bauernhof im Schwarzwald, da Heinz Liepman mit ihm gemeinsam ein Buch über Kriegsdienstverweigerer herausbringen wollte. Hannovers erstes Buch wurde später im Wiener Überreuther-Verlag publiziert und von den österreichischen Kritikern mit wenig freundlichen Rezensionen bedacht. Das sollte sich jedoch bald schlagartig ändern.
Im vorpommerschen Anklam hatte Hannover eine behütete Kinder- und Jugendzeit in einem durch und durch konservativ geprägten, bildungsbürgerlichen Elternhaus genossen. Die Romanfiguren von Karl May waren nach eigenen Angaben seine Helden, er liebte die Abenteuer des „Seeteufels“ Felix Graf von Luckner. Und wer Hannover heute gegenübersitzt, kann nicht glauben, dass ihn, so mental fit und präsent wie er ist, nur noch fünf Jahre von seinem 100. Geburtstag trennen.
Mozart ist sein absoluter Lieblingskomponist geblieben. Hannover hat in jungen Jahren zwei Opernlibretti zu Märchen der Gebrüder Grimm verfasst, die noch immer unvertont sind. Und seit drei Jahren komponiert er Klaviermusik. Bis heute ist Hannover ein Opernenthusiast, der jede Neuproduktion im Theater am Goetheplatz mit Interesse verfolgt. Die Lust zu fabulieren begann also schon früh. "Ich habe bewusst darauf verzichtet, in meinen Kinderbüchern pädagogisch oder gar moralisch zu wirken“, sagt Hannover.
Haltung zeigte er dagegen immer in der Juristerei. Tja, manchmal habe er sich schon überlegt, ob er nicht lieber ausschließlich Kinderbuchautor sein wolle, als sich andauernd bei Gericht herumzuärgern, sagt der Strafverteidiger, der deutschlandweit zu den bekanntesten seiner Zunft zählt. Dafür habe er aber wohl ein zu großes Gerechtigkeitsempfinden.
Zeit seines Lebens hat Hannover spektakuläre Prozesse geführt. Mit Otto Schily verteidigte er unter anderem Ulrike Meinhof, einen der prominenten Köpfe der Roten Armee Fraktion, die die Republik im sogenannten deutschen Herbst in den 1970er-Jahren mit ihren Anschlägen in Atem hielt. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“, schrieb einmal im Hinblick auf das Duo Hannover und Schily: „Heinrich Hannover ist das geblieben, was Otto Schily einmal gewesen ist.“
Der „Juristenaufklärer“, wie Prantl ihn nannte, avancierte zunächst als Pflichtverteidiger zum Anwalt der Kommunisten und Kriegsdienstverweigerer, aber immer auch der „kleinen Leute“. Damit war die erhoffte Karriere als Wirtschaftsanwalt, die sich so vielversprechend angelassen hatte, passé.
Das Eintreten des Juristen für Kriegsdienstverweigerer kam nicht von ungefähr. Das Grauen des Krieges ließen den Jugendlichen, der blauäugig in die Hitlerjugend eingetreten war und mit 17 Jahren in die Wehrmacht eingezogen wurde, zum Pazifisten und Antifaschisten werden. Zumal er erleben musste, dass sich seine Eltern in Anklam nach dem Einmarsch der Roten Armee das Leben nahmen.
Die Juristerei wurde für ihn zur Berufung, der eigentliche Berufswunsch Förster war schon bald vergessen. An seine Studienjahre in Göttingen hat er nach eigenen Angaben allerdings keine guten Erinnerungen, als mittelloser Werksstudent habe er sich durchbeißen müssen. Nach Bremen verschlug es ihn, weil es als eines von wenigen Bundesländern Justizreferendaren ein – wenn auch schmales – Gehalt zahlte. 135 D-Mark monatlich verdiente der junge Jurist 1950. Gemeinsam mit Hans-Dietrich Genscher absolvierte Hannover in der Hansestadt seine Referendarzeit.
Zu Hannovers prominentesten Klienten zählten der Enthüllungsjournalist und Buchautor Günter Wallraff, aber auch einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, Ysang Yun. Für beide konnte er einen Freispruch erwirken. Yun wurde vom südkoreanischen Geheimdienst in sein Heimatland entführt, da ihm dort unterstellt wurde, mit dem kommunistischen, nordkoreanischen Regime zu paktieren. Hannover gelang es schließlich, Ysang Yun, der zunächst zum Tode verurteilt worden war, aus dem Gefängnis herauszuholen.
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