
Der Ausnahmezustand in den Pflegeheimen hält an, nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner. Die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte ist enorm. Angehörige können seltener zu Besuch kommen und haben weniger direkte Eindrücke von der Situation. Umso mehr kommt es darauf an, dass die Kommunikation mit dem Pflegepersonal und der Heimleitung funktioniert. Ein Beispiel aus einer Bremerhavener Einrichtung zeigt, wie angespannt die Lage ist.
Mehrere Seiten lang ist das Schreiben, das dem WESER-KURIER vorliegt. Darin machen die Autoren, nach eigenen Angaben Pfleger und Pflegerinnen in der Einrichtung, ihrem Unmut über die Zustände und Arbeitsbedingungen anonym Luft: In der Vergangenheit habe die Heim- und Betreuungsaufsicht mehrmals wegen schwerer Pflegefehler und Personalmangels Aufnahmestopps für das Altenpflegeheim ausgesprochen. Danach sei es jedes Mal noch schlimmer geworden. Es werde kein Personal eingestellt, der Sozialstaat werde betrogen, Bewohnern des Heims würden Pflegeleistungen vorenthalten.
Die Verteilerliste für das Schreiben ist lang, aber längst nicht allen liegt der Brief vor. Der AOK in Bremen beispielsweise war das Schreiben unbekannt. Bei ihr laufen die Fäden einer „Prüfgruppe zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ der Krankenkassen im Land zusammen. Da kein Verdacht auf Abrechnungsbetrug bestehe, kümmere sich die Gruppe nicht um den Fall, teilt AOK-Sprecher Jörn Hons mit.
Dass an den Vorwürfen etwas dran sein könnte, kann sich Reinhard Leopold vom Verein Heim-Mitwirkung und als Regionalbeauftragter der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) durchaus vorstellen. Er hält das kritisierte Heim für das „größte Sorgenkind der Branche im Land Bremen“. Hans-Josef Göers, Geschäftsführer des Betreuungsvereins in Bremerhaven, kennt das Haus als Betreuer eines früheren Bewohners. In dessen Interesse hatte er 2020 Strafanzeige erstattet. Die Ermittlungen laufen noch. Die Staatsanwaltschaft wartet auf ein rechtsmedizinisches Gutachten.
Die Heimleitung äußert sich nur in „Hintergrundgesprächen“ zu den zitierten Vorwürfen. Die Pressestelle des Betreiberunternehmens verweist, je nach Vorwurf, an die Polizei oder die Aufsichtsbehörde und lädt dazu ein, sich „jederzeit selbst ein Bild“ zu machen. Im Alltag kümmert sich der Bewohnerbeirat um Beschwerden, so etwa, wenn der Speiseplan nicht aushängt. Wenn es aber um Pflegemängel geht, sind der Medizinische Dienst der Krankenkassen und die Heim- und Betreuungsaufsicht, die bei der Sozialsenatorin angesiedelt ist, die richtige Adresse. „Jeder Beschwerde wird nachgegangen“, sagt deren Sprecher Bernd Schneider. Aber es sei wichtig, Zeugen und Beweise für Anschuldigungen zu haben. Die Aufsichtsbehörde müsse Rücksprache halten können. „Wir wahren die Anonymität“, verspricht Schneider. Zum Instrumentarium der Aufsicht zählen Vereinbarungen, Anordnungen, Belegungsstopps und notfalls die Schließung eines Heims.
Von Mitte März bis Ende August 2020 hat es 63 anlassbezogene Kontrollen in den 101 Pflegeheimen des Landes gegeben, das geht aus einer Senatsvorlage aus dem September hervor. Auf 62 davon folgten Beratungen, in einem Fall gab es eine Anordnung. Dass es insgesamt mehr als 1900 Beschwerden waren, habe „zum weitaus größten Teil“ an Klagen Angehöriger über die restriktiven Besuchsregeln während des ersten Lockdown gelegen. Anders bewertet Hans-Josef Göers den anonymen Brief aus Bremerhaven. „Wenn der Leidensdruck so groß ist, dass Öffentlichkeit hergestellt wird, ist das ein Zeichen, dass es nicht mehr anders geht“, vermutet er. „Auch weil die Gefahr besteht, entlarvt zu werden.“
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