
Die SPD trifft sich mit Kleingärtnern, die Grünen ziehen mit einem Fahrradwahlkampfmobil auf den Wochenmarkt, die Linke organisiert ein Frühstück beim Jobcenter, die FDP ein Sommerfest in Oberneuland, und die CDU steigt systematisch in den Haustürwahlkampf ein. Ist es überhaupt sinnvoll, wenn Parteien sich so kurz vor der Wahl bemühen, mit Bürgern in Kontakt zu kommen oder ist es dann im Grunde viel zu spät?
Andreas Klee: Das kann schon etwas bringen, denn es ist zu beobachten, dass sich immer mehr Menschen erst sehr spät entscheiden, wen sie wählen – einige sogar erst auf dem Weg zum Wahllokal. In Nordrhein-Westfalen war eine Woche vor der Landtagswahl noch ein Viertel der Wählerunentschlossen, welche Partei sie wählen. Viele entscheiden auch erst spät, ob sie überhaupt zur Wahl gehen. Und insgesamt haben wir mehr Wechselwähler, Leute, die vielleicht sogar bei einer Wahl ganz links und dann ganz rechts wählen. Die feste jahrelange Bindung an eine Partei gibt es immer seltener.
Was bedeutet das für die Parteien und für den Wahlkampf?
Der Wahlkampf wird wirklich zum Kampf. Es gibt eine größere Unsicherheit der Parteien, wie sie Bürger überhaupt erreichen können. Und es wird auch für Analysten schwieriger, Wahlergebnisse vorherzusagen. Dass Prognosen ganz anders aussehen als später das Wahlergebnis, war zuletzt in den USA zu sehen: Viele hielten ja einen Sieg von Donald Trump vor der Wahl kaum für möglich.
Wie verändert sich der Wahlkampf in Deutschland?
Einerseits hat sich der Online-Wahlkampf stärker ausdifferenziert. Parteien setzen neben der klassischen Webseite auf Blogs, Facebook, Twitter und Instagram. Mit einer Wahlkampagne auf Facebook erreicht man aber ein tendenziell jüngeres, gebildetes Publikum. Für Parteien ist eine Mischung verschiedener Wahlkampf-Instrumente wichtig, um verschiedene Gruppen zu erreichen. Das Problem an klassischen Partei-Veranstaltungen ist ja, dass dort meist nur Leute hinkommen, die der Partei ohnehin nahe stehen. Die Herausforderung besteht darin, Bürger zu erreichen, die diese Partei bisher noch nicht wählen. Dazu probieren Parteien auch Neues aus: Dass viele nun in Deutschland vor einer bundesweiten Wahl auf organisierten Haustürwahlkampf setzen, ist zum Beispiel ein völlig neues Phänomen.
Wie kommt es denn, das gleich mehrere Parteien massiv auf Haustürwahlkampf setzen und unangekündigt bei Hunderten Bürgern auf der Matte stehen?
Obama war einer der ersten, der mit einer Kombination aus Online-Wahlkampf, Haustürbesuchen und Anrufen bei Bürgern viele Stimmen mobilisiert hat. Auch Macron ist es in Frankreich gelungen, viele Nichtwähler für sich zu gewinnen, auch er hat massiv auf Haustürwahlkampf gesetzt. Wer Nichtwähler mobilisieren kann, erringt im Zweifel den entscheidenden Vorteil. Auch in Deutschland wurden die jüngsten Landtagswahlen im Prinzip von Nichtwählern geprägt: In mehreren ostdeutschen Bundesländern haben viele Nichtwähler die AfD gewählt, im Saarland haben viele Nichtwähler für die CDU gestimmt und damit die Wahl entschieden.
Zur Person: Andreas Klee ist Professor für Politikwissenschaft an der Uni Bremen und Direktor des Zentrums für Arbeit und Politik. Er beschäftigt sich in seiner Forschung unter anderem mit politischer Bildung, Teilhabe und Kommunikation. Zuletzt befasste er sich unter anderem damit, wie sich Jugendliche an Politik beteiligen können.
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