
Herr Werner, sechs Jahrzehnte beim THW sind eine lange Zeit. Wie sind Sie dazu gekommen?
Horst Werner: Mit 17 habe ich angefangen. Zum einen war es die Hilfeleistung, die mich motiviert hat, und zum anderen wollte ich damals auch im technischen Bereich etwas lernen. Ich bin natürlich auch weiterhin dabei.
Mit 77 Jahren?
Ja, aber mit 77 kann ich keine Einsätze mehr mitmachen. Ich bin jetzt Landesvorsitzender der Helfervereinigung Bremen e.V., das ist der Förderverein für das THW. Am 7. September 1957 bin ich eingetreten, war dann im Luftschutzhilfsdienst – also beim Zivilschutz – tätig. Das ist neben humanitärer Hilfe im Ausland und Katastrophenschutz im Inland eine THW-Aufgabe.
Das THW bereitet sich wieder auf größere Einsätze vor?
Das tun wir ständig. Das beginnt bei einer veränderten Einsatzlage im Inland durch mehr Starkregen und Stürme. Und natürlich spielt auch die veränderte weltpolitische Lage immer eine Rolle, die hat man im Hinterkopf. Ein guter Staat sorgt immer für den Notfall und den Schutz der Zivilbevölkerung vor. Und dennoch will ich nicht hoffen, dass sich die unsichere Lage noch mehr zuspitzt. Ich möchte so etwas wie bei der Kuba-Krise damals nicht noch mal erleben…
Damals waren Sie im Einsatz?
Gott sei Dank nicht, aber wir hatten damals den Befehl, die Fahrzeuge vollgetankt rückwärts in die Halle zu fahren. Wir hatten alle keine Ahnung, wir waren ja jung und unverdorben. Aber da war es kurz vor zwölf. So etwas möchte ich hier nicht noch einmal erleben. Zum Glück ist damals nichts passiert. Wir mussten nur mehr Einsatzbereitschaft zeigen.
Welcher war Ihr erster Einsatz?
Das war 1962 bei der Sturmflutkatastrophe in Bremen. Ich war damals Einsatzleiter im Bereich Links der Weser. Meine Einsatzleitung hatte ich im „Storchennest“ in Warturm. Die hatten da ein Telefon, und ich bin nachmittags alarmiert worden für die Vahr – da flogen wegen des Sturms die Dächer weg. Mit Leinen und Stahlnägeln haben wir dann dafür gesorgt, dass die Dächer befestigt wurden. Danach kam die große Flut.
Mussten Sie auch Leute retten?
Ja, wir haben die Stromer Straße nicht mehr dicht gekriegt und mussten die Leute retten, die dort in ihren Kaisenhäusern in den Kleingärten gewohnt haben. Die saßen auf den Dächern. Mit Schlauchbooten haben wir sie in Sicherheit gebracht. Ein paar Hundert waren das. Wir hatten sogar noch Glück, weil wir nicht so viele Tote hatten wie auf der rechten Weserseite. Das war unser erster großer Einsatz. Und 1966 kam der Absturz der Lufthansa-Maschine. Da war die ganze italienische Schwimmmannschaft drin…
Was haben Sie da genau gemacht?
Die Leichen geborgen. Das waren teilweise nur noch Torsos. Das ging nur mit Alkohol. Von der Polizei gab es für jeden eine halbe Flasche Korn. Damals gab es ja noch keine psychologische Betreuung.
Waren Sie auch einmal im Ausland?
1991 war ich in Russland - nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Wir haben in Verbindung mit dem Roten Kreuz Sanitätsmittel nach St. Petersburg gebracht. Da könnte ich ein Buch von schreiben.
Was könnte man darin lesen?
Die Fahrt war ein Abenteuer. Wir sind da auf der Landstraße gefahren, und ich habe da nur nette Menschen kennengelernt. Eine Bäuerin hat uns gefragt, ob wir sie mal wieder mit Essen versorgen… Dafür hatten wir auch einen Dolmetscher von Radio Bremen und eine Dolmetscherin aus Minsk, die für uns übersetzt haben. Der Dolmetscher von Radio Bremen war früher einmal in Russland eingesperrt.
Ein unschuldiger Journalist und Dolmetscher?
Naja, sie hatten ihn früher erwischt bei den Vorbereitungen vom 17. Juni 1953 in Berlin. Er hat dann acht Jahre in Sibirien gesessen.
Sie konnten Ihre Reise trotzdem erfolgreich fortsetzen?
Ja, wir haben die ganzen Sachen im Krankenhaus abgeladen und mussten dann jedes Zimmer besuchen. Man sah dann sofort, dass die Zustände katastrophal waren und unsere Hilfe dringend benötigt wurde. Und dann haben wir bei dem Chefarzt gesessen und Tee getrunken. Der entschuldigte sich, weil kein Zucker da war. Aber wir hatten ja alles dabei. (lacht) Da waren die hellauf begeistert.
Ihre Motivation ist auch auf Ihre Familie übergesprungen?
Ja genau. Mein Sohn war 13 und der wollte sich engagieren und dann hab ich ihm vorgeschlagen, dass er beim THW mal mitmachen kann. Zehn Jahre war er dann Landesjugendleiter. Seine zwei Söhne und seine Frau haben auch angefangen. Und manchmal, wenn sie Hilfe brauchen, dann rufen sie an, und dann darf der Opa helfen.
Wie sieht es aus mit Frauen im THW?
Das dürfen gerne noch mehr werden und es werden auch immer mehr. Dafür sorgen schon unsere Jugendgruppen. Und an dieser Stelle will auch mal Danke sagen. Nämlich an meine Frau, ohne sie hätte ich die ganze Arbeit gar nicht durchgehalten.
Was gefällt Ihnen am THW am besten?
Die Kameradschaft. In einer Einsatzorganisation wie dem THW ist die besonders wichtig, da muss sich jeder auf den anderen verlassen können. Und dann ist da natürlich die Technik, die immer moderner wird, da ist für jeden etwas dabei.
Inwiefern?
Früher hatten wir ja nicht viel mehr als Schaufeln und Schubkarren, damit haben wir angefangen. Heute gibt es wahnsinnig hochentwickelte technische Geräte und Fahrzeuge im THW, wie Stromerzeuger, Ortungsgeräte oder eben Hochleistungspumpen. Die könnte man gerade in Houston in Amerika gut gebrauchen, damals beim Hurrikan Katrina hat das THW ja in New Orleans auch schon geholfen.
Welche Tätigkeit beim THW hat Ihnen besonders viel Freude bereitet?
Die Arbeit mit Jugendlichen. Ich habe auch 14 Jahre lang arbeitslose Jugendliche ausgebildet. Die konnten dann beim THW als Helfer mitmachen. Da konnte ich meine vielen Erfahrungen aus Ehrenamt und Beruf weitergeben.
Das Gespräch führte Christine Leitner.
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