
Herr Reinken, Herr Bücking, auf Ihre Initiative hin wird es am 6. April in der Bürgerschaft eine große Anhörung zur Innenstadt geben. Was versprechen Sie sich davon?
Dieter Reinken: Es soll ein Signal sein. In Bremen sind wir ja gut darin, eher das Schlechte zu sehen als das Gute. Deswegen ist es jetzt wichtig, darauf zu achten, dass die vielen interessanten Projekte für die Innenstadt nicht zerredet werden, sondern dass wir die Chancen erkennen und betonen. Auf keinen Fall darf passieren, dass der Plan aus parteipolitischen Gründen und weil wir vor einem Wahlkampf stehen, torpediert wird.
Robert Bücking: Die Anhörung dient auch dazu, uns Parlamentariern und der Öffentlichkeit einen besseren Überblick zu verschaffen. Wir wollen uns in das Thema tief einarbeiten, eine Debatte entfachen, um am Ende eine Allianz für die Innenstadt zu schmieden. Ziel ist unter anderem ein Grundsatzbeschluss der Bürgerschaft, der von einer breiten Mehrheit getragen wird.
Die Regierungsfraktionen haben viele Jahre nicht hinbekommen, was Investoren jetzt in die Hand nehmen. Ist die Innenstadt zur Privatsache geworden?
Bücking: Unsinn. Es gilt auch hier das Primat der Politik. Die Entscheidungen über Bebauungspläne fallen im Parlament und nicht in den Konzernzentralen. Übrigens auch nicht in Bürgerversammlungen. Aber vorher reden und verhandeln wir miteinander. Konstruktiv und vertrauensvoll.
Wenn Sie von Allianz sprechen – wie einig sind sich SPD und Grüne bei der Entwicklung der Innenstadt?
Reinken: In den Grundsatzfragen gibt es keinen Dissens. Das betrifft die Bedeutung der City für die Wirtschaft, für Arbeitsplätze, für den Tourismus. Wir sehen gemeinsam aber auch die Bedeutung von öffentlichen Plätzen, von Wegebeziehungen und insgesamt dem, was man Aufenthaltsqualität nennt. Bei den Details wird es dann aber sicherlich unterschiedliche Gewichtungen geben.
Bücking: Wir Grüne thematisieren ja stark den Klimawandel, stärker als es die SPD tut. Der Klimawandel wird Auswirkungen auch auf die Innenstädte haben, sie werden sich aufheizen und mit Starkregen zu kämpfen haben. Also muss darüber gesprochen werden, wie man Schatten organisiert, Dächer begrünt und kluge energietechnische Lösungen findet, die die CO2-Bilanz entlasten.
Was ist mit dem Verkehr? Autos raus aus der Innenstadt?
Bücking: Das wäre ein Gewinn, gar keine Frage.
Herr Reinken, sehen Sie das auch so?
Reinken: Ja, aber so gemeint, dass nur der eigentliche Altstadtkern, also die Flächen hinter den Wallanlagen autofrei werden. Die Innenstadt insgesamt muss für den Individualverkehr weiter erreichbar sein. Nach dem Wegfall des Parkhauses-Mitte brauchen wir deshalb neue Stellflächen, dazu wird gerade ein Konzept erstellt.
Parken unter den denkmalgeschützten Wallanlagen, wie es die Architektenkammer vorgeschlagen hat?
Reinken: Ich hätte nichts dagegen, sich das noch mal anzugucken. Wir sollten uns in Bremen nicht ständig Denkverbote auferlegen. Hier hilft auch ein Blick über den Zaun: Wie haben das andere Städte gelöst?
Herr Bücking?
Dass der Blick auf die Wallanlagen fällt, kommt nicht von ungefähr. Es ist die einzige Fläche direkt neben der Innenstadt, die unbebaut ist. Dort befindet sich seit 200 Jahren eine denkmalgeschützte Parkanlage. Klar ist, dass bei den Parkmöglichkeiten etwas passieren muss. Das wichtigste ist aber ein schlaues Mobilitätsmanagement. Die Kaufleute in der City wollen eine Rolle in der Region spielen, für Kunden, die nicht nur, aber auch mit dem Auto kommen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen, die im Umkreis von wenigen Kilometern wohnen, bequem mit Bus, Bahn oder Fahrrad in die Innenstadt kommen können. Je öfter und selbstverständlicher, desto besser. Nehmen Sie als Beispiel das Viertel, da ist immer was los. Davon können wir uns was abgucken.
Das Viertel ist quirlig. Dort gibt es viel zu sehen und zu erleben. Müssen wir in Zeiten des Onlinehandels die Innenstadt nicht genauso denken – von der unterhaltsamen Seite und nicht nur als Ort, um einzukaufen?
Reinken: Wissen Sie, ich war vor Kurzem an einem verkaufsoffenen Sonntag in der Innenstadt. Es waren unglaublich viele Menschen unterwegs, in den Läden war es aber angenehm, sie waren nicht überfüllt. Das zeigt, was die Leute wollen: schlendern, schauen, genießen, mal einen Kaffee trinken, etwas essen und auch etwas einkaufen. Aufenthaltsqualität! Auch deshalb sind Dodenhof und Weserpark so erfolgreich – weil die Kunden sich dort gerne aufhalten.
Bücking: Der Einzelhandel wandelt sich rasch, und das merken natürlich auch die Investoren. Noch wissen wir nicht genau, wohin die Reise geht. Ich glaube, dass es in Bremen trotz der vielen neuen Projekte am Ende nicht deutlich mehr Verkaufsfläche geben wird. Sie wird aber moderner sein und näher bei den Leuten, das heißt hauptsächlich in den Erdgeschossen, oben drüber gibt es dann etwas anderes, Wohnungen zum Beispiel, oder Kaffees, oder Dachgärten.
Wir merken, das Thema ist komplex. Ist die Verwaltung in der Lage, bei einer solchen Dynamik Schritt zu halten? Braucht Bremen für die Innenstadt eine besondere Planungseinheit? Herr Reinken, Sie sprachen mal von einer Taskforce.
Reinken: Das hat Irritationen ausgelöst. Eine Taskforce oder wie immer Sie es nennen wollen, benötigen wir dann, wenn es mit den Projekten losgeht. Wenn koordiniert und zum Beispiel verkehrliche Probleme gelöst werden müssen. Bei den Entscheidungen, die jetzt anstanden, waren wir gut aufgestellt. Das haben Sie ja beim Parkhaus-Mitte gesehen – da kann man nicht meckern, das wurde von den Behörden, der WFB und ihren Spitzen gut abgearbeitet.
Bücking: Stimmt, trotzdem braucht das Bauressort zusätzliche Stellen, sonst schaffen die das nicht mehr. Dort steht ja nicht nur die Innenstadt auf dem Zettel, es gibt in ganz Bremen so viel anderen Wandel, der gestaltet und gesteuert werden muss.
Das Gespräch führte Jürgen Hinrichs.
Dieter Reinken
stammt gebürtig aus Rastede. Der 65-Jährige hat für die IG Metall gearbeitet und ist heute wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft. Von 2014 bis 2016 war er Landesvorsitzender der SPD.
Robert Bücking
ist genauso alt wie Reinken und hat in der Bürgerschaft die gleiche Sprecherfunktion, in diesem Fall für die Grünen-Fraktion. Der gebürtige Bremer war von 1994 bis 2015 Ortsamtsleiter Mitte/Östliche Vorstadt.
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