
Wenn Detlef Bösche über die bedürftigen Menschen, die er kennengelernt hat, spricht und vor allem schreibt, dann spricht er nicht von Obdachlosen oder Personen ohne festen Wohnsitz. Für ihn sind es Kunden, denen er auf Augenhöhe begegnet. Der Grafik- und Fotodesigner hat früher viel in der Werbung für die Lebensmittel-, aber auch für die Waffenindustrie gearbeitet, ist jetzt als Reisejournalist tätig und engagiert sich seit einigen Jahren für die Bremer Suppenengel.
Die Aktivposten dieses Vereins kochen vier Mal in der Woche warme Mahlzeiten und verteilen sie kostenlos an Bedürftige, hören ihnen zu, begleiten sie bei Behördengängen und kümmern sich um deren alltäglichen Nöte. Detlef Bösche hat jahrelang bei der Essensausgabe geholfen und ist dabei vielen Bedürftigen begegnet.
Der Bremer, der selbst gut situiert im Hulsbergviertel lebt, hat sich oft zu ihnen gesetzt, zugehört und sie nur selten unterbrochen, wenn sie über ihr Leben auf der Straße gesprochen haben. „Eigentlich bin ich ein Mensch mit zwei Identitäten. Ich weiß, dass man sich manchmal komplett zurückzieht“, sagt er über sich selbst. „Ich habe viel erlebt, nicht nur Gutes, aber ich stehe immer wieder auf.“
Auch von daher sei er jedes Mal überrascht, was er in Gesprächen mit Suppenengel-Kunden erfährt. „Das verändert vielleicht auch etwas in meiner Wahrnehmung, als Mensch mit einer Familie und in der Mitte der Gesellschaft verankert, wie man so schön sagt“, erzählt der Reisejournalist, der gerade von einem Tripp ins Tee-Anbaugebiet Assam zurückgekehrt ist. „Ich mache nichts mehr für Geld.“
In diesem Bewusstsein über das Glück seiner „heilen Familie“ mit Kindern und Enkeln kam dem Reisejournalisten, der seit über 20 Jahren Vorträge mit Fotos und Videoclips und vielen Erzählungen über Ziele in aller Welt hält, die Idee, den Kunden der Bremer Suppenengel quasi das Mikrofon zu übergeben. So hat Detlef Bösche ab 2017 Obdachlose interviewt und fotografiert, um ihre Geschichten aufzuschreiben, sofern sie einverstanden waren.
Ob mit vollem Namen, nur mit Vornamen oder auch ganz ohne Namensnennung – er habe sich an die Wünsche seiner Gesprächspartnerinnen und -partner gehalten, versichert Detlef Bösche. „Ich kläre die Frauen und Männer ja vor unseren Gesprächen genau darüber auf, was ich vorhabe. Und es gibt richtige Verträge.“ Folglich verwendet er auch nur die Vornamen oder die Spitznamen, die ihm genannt werden. „Die Gesprächspartner bestimmen die Inhalte und die Nähe, die sie aushalten möchten und können.“
Die vielen Geschichten über das Leben auf der Straße und die vielfältigen Schicksale hat der Grafik- und Fotodesigner in einem Jahrbuch unter dem Titel „Am Rande und Mittendrin“ zusammengefasst, das die Bremer Suppenengel als Dank an Spender verteilen und dank der Finanzhilfe einer Online-Druckerei für 49 Euro zum Kauf anbieten. Der Erlös fließt komplett in die Vereinsarbeit.
Anders als die Gesprächspartner lebt Bösche – wie andere Aktive bei den Bremer Suppenengeln – ebenfalls in klassisch bürgerlicher Familie. Aber er kennt Verhältnisse und Sorgen, die Nöte und andere Erlebnisse aus den Erzählungen und den zahlreichen Interviews, die er in den vergangenen Jahren über die Notleidenden und ihre Helferinnen und Helfer von den Bremer Suppenengeln gehört hat. Derzeit arbeitet Detlef Bösche an der Fertigstellung eines zweiten Jahrbuchs.
Er möchte mithilfe der Erzählungen, die er so authentisch wie möglich festhält, bei Menschen, die wie er in klassisch bürgerlicher Familie leben, ein Verständnis für die Verhältnisse, Sorgen und Nöte von Notleidenden direkt vor der eigenen Bremer Haustür schaffen, vor allem, indem er deren unterschiedliche Lebenswege beschreibt. Diese sollen nach Bösches Auffassung aufzeigen, wie es zu dem Leben ohne festen Wohnsitz gekommen ist und wie Frauen und Männer ihr Schicksal annehmen, ihr Leben neu gestalten oder auch langsam zerbrechen an dem, was sie als unabänderlich empfinden.
Bösche sucht die Begegnungen mit Menschen ohne festen Wohnsitz, weil er, ebenso wie viele der anderen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Bremer Suppenengel, auch persönlich davon profitiert. Oftmals erleben sie große Dankbarkeit und überdenken eigene Maßstäbe und Haltungen.
Detlef Bösche hat für sein Jahrbuch nicht nur Kunden der Suppenengel angesprochen, auch Helfer wie der Streetworker Jonas Pot d‘Or kommen darin zu Wort. Wenn es um die Suppenengel geht, erfährt der freiwillige Helfer auch große Unterstützung durch Bremer Politikerinnen und Politiker, auch Sozialsenatorin Anja Stahmann gehört zu den Förderern des Vereins. Jetzt in den Wintermonaten haben die Bremer Suppenengel die Ausgabestelle für gespendete Gaben und warmes Essen die alte Kantine an Gleis 1 verlegt.
Wer das zweite Jahrbuch oder die Arbeit der Bremer Suppenengel unterstützen möchte, erfährt mehr unter www.suppenengel.de oder der Telefonnummer 14 91 88 75. Leseproben zu den Interviews von Detlef Bösche mit Suppenengel-Kunden sind unter www.facebook.com/bremersuppenengel zu finden.
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