
Die private Jacobs University in Bremen-Nord steht vor einer grundlegenden Neuausrichtung. Ein Konsortium aus dem deutschen Software-Riesen SAP, dem ebenfalls in der Software-Entwicklung tätigen chinesischen Unternehmens Neusoft und des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) steht bereit, um den Grohner Campus zu einem Hochschul- und Weiterbildungskomplex im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) umzuwandeln. Die derzeit von der Jacobs-Uni betriebenen Studiengänge sollen mittelfristig auslaufen. Die 2001 eröffnete Privathochschule wäre dann in ihrer bisherigen Form Geschichte.
Dass die Jacobs-Uni so oder so an einen Wendepunkt kommt, zeichnete sich seit dem Sommer ab. Im Juni war bekannt geworden, dass sich die Jacobs Foundation – eine Stiftung der Unternehmerfamilie Jacobs mit Wurzeln in Bremen – aus der Förderung der Privathochschule zurückziehen will. Die Foundation ist Mehrheitseignerin, ohne ihre finanzielle Unterstützung wäre die chronische defizitäre Jacobs-Uni längst kollabiert. Seit der Ankündigung des Ausstiegs hatten die Bremer Wissenschaftsbehörde, die Foundation und die Geschäftsführung der Privathochschule nach Wegen gesucht, dem Grohner Campus eine Zukunft zu verschaffen. Von der Uni-Spitze sei da konzeptionell wenig gekommen, wie Wissenschaftsstaatsrat Tim Cordßen durchblicken lässt: „Das war schon ein wenig enttäuschend.“
Umso erfreulicher hätten sich die Sondierungen mit der deutsch-chinesischen Gruppe um SAP gestaltet. Die Initiative dazu ging nach Informationen des WESER-KURIER vom DFKI aus, einer Forschungsplattform, die von Privatunternehmen und mehreren Bundesländern getragen wird, darunter auch Bremen. Hier ist das DFKI auch mit einer Niederlassung vertreten. Den dortigen Verantwortlichen gelang es offenbar, das Interesse von SAP und Neusoft an einem Einstieg auf dem Grohner Campus zu wecken. Mit dem Senat, der sich am Dienstag mit dem Vorgang befasst, will das Konsortium am Freitag eine gemeinsame Absichtserklärung über das Projekt unterzeichnen. Sein Arbeitstitel lautet „Hanse AI Campus“, wobei AI für Artificial Intelligence steht, also Künstliche Intelligenz.
Wie geht es konkret weiter auf dem Grohner Campus? Voraussichtlich zum Jahresende, spätestens aber wohl Mitte nächsten Jahres wird das Konsortium die Mehrheitsanteile der Foundation an der Jacobs-Uni übernehmen. Es kann dann mit der inhaltlichen Umgestaltung der Privathochschule beginnen. Den aktuell rund 1500 Jacobs-Studenten, die in 15 Bachelor- und fünf Masterstudiengängen eingeschrieben sind, soll garantiert werden, dass sie ihr Studium bis zum Abschluss fortsetzen können. Parallel soll der Wissenschaftsbetrieb der neuen KI-Hochschule aufgebaut werden. „Die Partner bringen alle erforderlichen Fachkenntnisse und Ressourcen ein, um den geplanten Campus zu errichten, zu unterhalten und erfolgreich zu betreiben“, heißt es in einer Vorlage für die Senatssitzung.
Neusoft etwa betreibt bereits Hochschulen mit rund 40.000 Studenten weltweit. Auch SAP kooperiert mit großen Universitäten und engagiert sich bei der Erforschung Künstlicher Intelligenz. Innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre will die Dreier-Allianz in Grohn einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Das Geld soll in Informatikausrüstung, Laborinfrastruktur und den Ausbau von Bürokapazitäten fließen, und in zusätzlichen Wohnraum für Studenten – ihre Zahl soll sich in relativ kurzer Zeit auf mindestens 3000 verdoppeln.
Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling (SPD) ist über die Entwicklung hocherfreut. Der Einstieg des finanzstarken KI-Konsortiums sei nicht nur eine gute Nachricht für den Standort Bremen-Nord. „Er bietet auch die Chance, dass sich Bremen auf Bundesebene zur Speerspitze bei der Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz entwickelt“, sagt Schilling.
Schon jetzt sind in Bremen und Bremerhaven mehrere renommierte Einrichtungen aus dem KI-Sektor ansässig, darunter das Institute for Artificial Intelligence der Uni Bremen, das Robotics Innovation Center des DFKI und das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin.
Die Jacobs University wollte auf konkrete Nachfragen des WESER-KURIER zu dem Umbau nicht Stellung nehmen. Es gebe „verschiedene Gespräche mit unterschiedlichen Partnern“, teilte ein Sprecher mit und ergänzte: „Zu konkreten Ergebnissen werden wir dann sprechen können, wenn es seitens der verantwortlichen Gremien entsprechende Beschlüsse gibt.“
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