
Die Jobcenter sprechen vorerst keine Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher mehr aus. Für sie ist das Kürzen von Geld ein Instrument, um Arbeitslose zur Zusammenarbeit zu bewegen. Anfang November hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bestimmte Kürzungen verfassungswidrig sind. Nun reagieren die Behörden. „Wir wollen vermeiden, dass wir eine Sanktion aussprechen und das in einigen Wochen wieder korrigieren müssen“, sagt Thorsten Spinn, der stellvertretende Geschäftsführer des Jobcenters Bremen.
In der Stadt Bremen erhielten im Oktober gut 54.000 Erwerbsfähige Hartz IV. Nur einem Bruchteil der Bezieher wurde Geld gestrichen. Bis Ende Juli wurden im Schnitt monatlich 1380 Menschen sanktioniert. Zum Vergleich: 2018 galt das im Monatsschnitt für 1559 Personen. Bundesweit waren es im vergangenen Jahr durchschnittlich 132.000 Menschen pro Monat. Die Zahl derjenigen, die gar kein Geld mehr erhalten, liegt weit darunter: In Bremen betrifft das monatlich gut 100 Langzeitarbeitslose. Sie bekommen stattdessen Lebensmittelgutscheine.
Der Hartz-IV-Regelsatz für einen Alleinstehenden liegt derzeit bei 424 Euro. Der Spielraum der Kürzungen, die die Mitarbeiter von Jobcentern aussprechen können, ist groß: Er liegt zwischen zehn und 100 Prozent, die vom Regelsatz abgezogen werden dürfen. Im vergangenen Jahr wurde Arbeitslosen in Bremen laut Jobcenter 10.157-mal Geld gestrichen, in drei Viertel aller Fälle wurde dabei die kleinstmögliche Sanktion von zehn Prozent ausgesprochen – etwa weil ein Termin oder eine Meldung versäumt wurde. Geld gekürzt wird Hartz-IV-Empfängern auch, wenn sie etwa gegen die sogenannte Eingliederungsvereinbarung verstoßen oder sich weigern, einen Job oder eine Maßnahme anzutreten.
Die Karlsruher Bundesverfassungsrichter hatten geurteilt, dass Kürzungen von mehr als 30 Prozent des Regelsatzes für Langzeitarbeitslose nicht der Verfassung entsprechen. Auch mahnten die Richter an, dass Sanktionen nicht strikt für drei Monate gelten dürfen, sondern früher beendet werden müssen, wenn sich der Betroffene einsichtig zeigt. Das Urteil betrifft nur Erwachsene, die Arbeitsagentur hat es aber auch auf unter 25-Jährige übertragen. Neben Bremen werden auch in den anderen Jobcentern in Deutschland zunächst keine Sanktionen verhängt. Das hatte der Chef der Arbeitsagentur, Detlef Scheele, angekündigt. Das Jobcenter wartet auf die „fachliche Weisung des Bundesarbeitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit“, sagt der stellvertretende Bremer Jobcenter-Chef Spinn. Diese Weisung gilt als Übergangsregel, bis das Sozialgesetzbuch geändert ist.
Experten befürchten, dass das Urteil weniger Rechtssicherheit und mehr Aufwand für die Jobcenter bringt. Die konkreten Auswirkungen auf seine Behörde kann Thorsten Spinn noch nicht abschätzen. „Generell werden wir künftig weniger sanktionieren“, sagt er. „Aber die qualitativen Ansprüche an die Mitarbeiter könnten steigen.“ Sie müssten noch stärker auf den Einzelfall schauen und im Zweifel eine Kürzung vor Ablauf des Drei-Monats-Zeitraums beenden. Das derzeitige Aussetzen von Sanktionen bedeutet nach Angaben von Spinn jedoch nicht, dass es nicht in drei oder vier Wochen wieder zu Kürzungen kommen kann. „Wir horten ein Stück weit Arbeit an“, sagt er. Denn die Sanktionen werden nur ausgesetzt, die Vorgänge sind dadurch aber nicht abgeschlossen. Das bedeutet: Kommt die entsprechende Übergangsregelung, können die ausgesetzten Geldkürzungen gegebenenfalls nachgeholt werden.
Auch Arbeits- und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) kann noch nicht sagen, wie viel Arbeit auf das Jobcenter durch das Karlsruher Urteil zukommt. „Viel wird davon abhängen, wie praxistauglich die fachlichen Weisungen des Bundesarbeitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit ausfallen“, sagt sie. Mit Blick auf die Abkehr von den Drei-Monats-Regelungen erklärt sie: „Wir setzen uns dafür ein, dass die Jobcenter im Land Bremen alle Ermessensspielräume ausnutzen, die der Gesetzgeber nun ermöglicht.“ Kristina Vogt gibt aber auch zu bedenken, dass Ermessensentscheidungen „potenziell fehleranfällig“ seien und gegebenenfalls „zur Verunsicherung der Jobcenterbeschäftigten als auch der Kundinnen und Kunden“ führen könnten.
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