
Den Symbolcharakter des Datums haben die Grünen auf dem Schirm: Ihre Landesmitgliederversammlung am 11. November lassen sie um 11.11 Uhr beginnen. Karnevalesk muss es deshalb nicht zugehen, aber vielleicht turbulent. Denn bei den Bremer Grünen hat sich in jüngster Zeit einiger Konfliktstoff aufgehäuft, und dabei geht es sowohl um Inhalte als auch um Personen. Landessprecherin Kai Wargalla hat angekündigt, dass sie sich bei den turnusmäßigen Vorstandswahlen Anfang Dezember nicht mehr um das Spitzenamt bewerben wird. Diese Nachricht trifft eine Partei, die gerade erst aus wochenlanger Schockstarre nach der Bundestagswahl erwacht: Am 24. September waren die Grünen im Stadtgebiet von den Linken überflügelt worden und hatten ihre Hochburg im Viertel an die Konkurrenz verloren.
Die Grünen im Abwind – was lässt sich dagegen tun? Um diese Frage wird letztlich alles kreisen, wenn die Mitglieder am Sonnabend im Neustädter Veranstaltungszentrum „Kwadrat“ zusammenkommen. Von den zahlreichen Anträgen, die der Versammlung vorliegen, nimmt einer direkt Bezug auf das Debakel vom 24. September. „Konsequenzen aus der Bundestagswahl ziehen!“, hat der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn sein Papier überschrieben. Es handelt sich um die kritische Zustandsbeschreibung einer Partei, die mit weiten Kreisen der Bevölkerung keinen produktiven Dialog mehr führt. „Wir müssen vordringlich einen neuen Schub des Meinungsaustausches mit Bürgerinnen und Bürgern organisieren“, fordert Kuhn. Um den Kontakt wieder anzuknüpfen, schlägt Kuhn unter anderem „Stadtteilkonferenzen“ mit Gästen vor, „um eine aktuelle Problemanalyse der jeweiligen Quartiere zu bekommen“. Auch die Landesarbeitsgemeinschaften der Partei müssten ran an die Menschen und eigene öffentliche Veranstaltungen auf die Beine stellen. Was die grünen Funktionsträger durch den Dialog mit den Bürgern an Impulsen aufnehmen, soll im Juni 2018 in einen Programmkongress einfließen.
Saxe und Wargalla: Wenig Vertrauen von den Mitgliedern
Hermann Kuhn predigt aber nicht nur die Öffnung der Partei, er macht auch eigene inhaltliche Vorschläge. So müssten sich die Grünen unter anderem für mehr internetbasierte Dienstleistungen der Kommune einsetzen, für eine beschleunigte Bewilligung von Elterngeld und Wohngeld, für einen rascheren Ausbau von Schulen und Kindergärten. 20 Punkte umfasst sein Forderungskatalog, der sich wie ein Entwurf für das Bürgerschaftswahlprogramm 2019 liest.
Nicht wenige Parteimitglieder, die die Antragsunterlagen in den vergangenen Tagen studiert haben, fragen sich: Warum muss erst ein 72-jähriger Altvorderer kommen, um der Partei neue Wege aufzuzeigen? Wäre dies nicht die Aufgabe des gewählten Landesvorstandes um Ralph Saxe und Kai Wargalla?
An diesem Punkt verschränken sich die offenkundigen inhaltlichen Defizite der Grünen mit der personellen Situation an der Spitze des Landesverbandes. Saxe und Wargalla werden in weiten Teilen der Mitgliedschaft nicht als die Aktivposten gesehen, die den nach zehn Jahren Regierungsbeteiligung ausgelaugt wirkenden Bremer Grünen neues Leben einhauchen könnten. Als Bürgerschaftsabgeordneter ist Saxe bei ökologischen Kernthemen zwar zur Stelle, wirkt aber inhaltlich nicht in die Breite. Kai Wargalla scheint sich vorrangig um eine exotische Klientel wie die Besetzer des Alten Sportamtes auf dem Peterswerder zu kümmern, die dann zum Dank die Linke wählen – wenn sie überhaupt zur Wahl gehen.
Waller Rechtsanwältin könnte Nachfolgerin werden
Aber vielleicht ist das auch nur die Sichtweise der Funktionselite an der Spitze der Partei, die fast ausschließlich der Altersgruppe der 50- bis 60-Jährigen angehört. Dort wird gern übersehen, dass Wargalla es war, die in der kurzen Zeit ihres Wirkens im Landesvorstand die Grüne Jugend wieder aufgebaut und damit die Anschlussfähigkeit zu den unter 30-Jährigen wiederhergestellt hat. „Es ist ganz sicher Kai zu verdanken, dass wir nicht als Ein-Generationen-Projekt enden“, räumt ein Bürgerschaftsabgeordneter ein, der selbst zu den älteren Semestern gehört.
Wargalla selbst begründet ihren Rückzug von der Parteispitze mit dem Prinzip der Trennung von Amt und Mandat, dem sie sich verpflichtet fühle. Im September 2016 war sie für Wilko Zicht in die Stadtbürgerschaft nachgerückt. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER lässt sie aber auch anklingen, dass ihre Arbeit „von einem Teil der Älteren, die sich in unserer Partei in Machtpositionen befinden, nicht wertgeschätzt“ werde. Sie kommuniziere mit gesellschaftlichen Gruppen außerhalb des klassischen grünen Milieus, „und das wird von manchen im Landesverband nicht wahrgenommen“, kritisiert Wargalla.
Als ihre Nachfolgerin wird die Waller Rechtsanwältin Petra Fritsche-Ejemole gehandelt, die eher der Generation Saxes angehört. Tritt er im Dezember noch einmal an? Auf Anfrage lässt er das offen, antwortet aber mit „tendenziell ja“. In Parteikreisen wird nicht ausgeschlossen, dass er dann mit einem Gegenkandidaten rechnen muss.
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