
Ein wenig klingt es wie Gewittergrollen in der Ferne. Es kommt näher, wird immer lauter, begleitet von einem Rumpeln und Quietschen. Das sind die Geräusche. Jetzt kommen die Erschütterungen dazu: Der Boden vibriert leicht, so wie die Fenster in ihren Rahmen. Selbst die Holzvertäfelung an der Wand knirscht leise. Wenige Sekunden halten sich Geräuschpegel und Vibrationen auf dem Höhepunkt, bevor sie nach und nach abebben. Vorbei. Vorerst. Nur wenige Minuten später nähern sich Grollen, Quietschen und Rumpeln erneut.
Carsten Preisler steht im Kleinen Saal in der Glocke. „So geht das den ganzen Tag und Abend“, sagt der Sprecher des Konzerthauses. Der Geräuschpegel und die Erschütterungen sind hier am deutlichsten zu spüren. Und zwar nicht nur dann, wenn es im Kleinen Saal mucksmäuschenstill ist. Auch bei Kammerkonzerten oder anderen Veranstaltungen in dem Saal, der 400 Besuchern Platz bietet, sind sie deutlich wahrnehmbar – und beeinträchtigen den Musikgenuss.
„Damit leben wir seit Jahren, und ebenso lange wird darüber diskutiert, wie Abhilfe geschaffen werden kann“, sagt der Sprecher. Verursacher sind die Straßenbahnen an der Domsheide, die im Minutentakt an dem Konzerthaus vorbeifahren. Der Platz mit seinen Haltestellen ist neben dem Hauptbahnhof der Verkehrsknotenpunkt des öffentlichen Personennahverkehrs im Bremer Stadtgebiet.
Tausende Fahrgäste steigen hier täglich aus Bussen und Bahnen aus und um. Rumpeln und Erschütterungen, die sich bis in die Gebäude in direkter Nachbarschaft übertragen, rühren von den Gleisen her. Neben der Glocke ist auch das Landgericht betroffen, wo laut Preisler auch schon mal Verhandlungen wegen des Lärms kurzzeitig unterbrochen worden sein sollen.
Im Gespräch mit dem WESER-KURIER hatte Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) Anfang vergangener Woche einen General-Umbau der Domsheide angekündigt und ihn als „Radikalkur im positiven Sinne“ zur Chefsache erklärt. Weil die Situation für Fußgänger wie auch für Radfahrer durch die kreuz und quer verlaufenden Gleise sehr unübersichtlich und damit potenziell gefährlich sei – aber vor allem auch, weil die „unglückliche Situation“ in der Glocke endlich gelöst werden müsse, sagte Sieling, der auch Kultursenator ist.
Die Präsentation des Konzerthauses, das Tausende auch auswärtige Besucher und renommierte Künstler anziehe, müsse verbessert werden. Die Chance ist da: Alle paar Jahre müssen die Gleisanlagen an der Domsheide wegen der starken Abnutzung generalsaniert werden – das wird nach Angaben der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) 2020 der Fall sein. Diese Chance soll laut Sieling unbedingt für den großen Umbau genutzt werden: zum Beispiel, indem Straßenbahn-Haltestellen verlegt und neue Gleisanlagen eingebaut werden, die Erschütterungen und Schall reduzieren.
BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer bestätigte, dass es diese Technik – sogenannte Masse-Feder-Systeme – gibt, sie aber auch entsprechend teuer sei. „Ein solcher Umbau wäre für uns eine sehr gute Perspektive, von der das Konzerthaus, vor allem aber Besucher und Künstler profitieren würden“, sagt Glocke-Sprecher Preisler. „Einerseits können wir in der Glocke mit einer hervorragenden Akustik punkten, von der vor allem auch die Künstler hellauf begeistert sind; da ist es natürlich umso ärgerlicher, wenn es bei Konzerten solche Beeinträchtigungen durch Lärm und Erschütterungen gibt.“
Um die Situation im Kleinen Saal ein wenig zu verbessern, seien im Mai dieses Jahres sogenannte Resonatoren an den Fenstern eingebaut worden. Nach ersten Messungen würden dadurch zwar höhere Frequenzen wie das Quietschen der Straßenbahnen spürbar verringert und sorgten für bessere akustische Verhältnisse im Kleinen Saal.
Die Resonatoren hätten aber wiederum keinen spürbaren Einfluss auf den sogenannten Körperschall, der für das Rumpeln verantwortlich sei, so Preisler. Nach Auskunft des Dombauherrn und Mitglieds der Philharmonischen Gesellschaft, Hermann Eibach, sei eine zusätzliche Dämmung dieses Körperschalls die aussichtsreichste Lösung. Das sei der Einsatz eines Masse-Feder-Systems bei den Bahngleisen, betont der Glocke-Sprecher.
Mit der BSAG gebe es Absprachen, die Gleise regelmäßig schleifen zu lassen. Außerdem seien die Straßenbahnfahrer angehalten, abends das Tempo im Bereich der Glocke zu drosseln. „Das ist aber alles Kosmetik, das Grundproblem ist damit nicht gelöst“, sagt der Sprecher. Vor mehreren Jahren sei bereits einmal ein Szenario durchgespielt worden, wie das Grundproblem angegangen werden könne. Die Domsheide und die Glocke befänden sich auf demselben Fundament.
Die Idee sei damals gewesen, das Konzerthaus und den Verkehrsknotenpunkt durch Spundwände voneinander zu trennen. Unter anderem weil dieses Verfahren zu aufwendig und teuer gewesen wäre, sei es schließlich wieder verworfen worden. Im Kleinen Saal des Konzerthauses sind Geräusche und Erschütterungen durch die vorbeifahrenden Straßenbahnen am stärksten, weil er am nächsten zur Domsheide liegt.
Doch auch der Große Saal mit seinen 1392 Plätzen bleibt vom Rumpeln und Quietschen der Bahnen nicht verschont. „Besonders ab den Reihen 25 und 30 macht sich das bemerkbar“, sagt der Glocke-Sprecher. Die Domsheide sei Fluch und Segen zugleich. Carsten Preisler: „Besucher können bequem mit Bussen und Bahnen bis vor die Tür fahren, auch noch spät am Abend. Wäre da nur nicht dieses Rumpeln ...“
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