
Ein feines Näschen habe er bis heute, sagt Karl-Heinz Haefke und lacht, dass seine Schultern beben. Raucht jemand am Nachbartisch in einem Café einen guten Pfeifentabak, etwa mit beigemischtem Plum Brandy, so kommen bei dem 76-Jährigen die Erinnerungen hoch.
Noch bis vor 14 Jahren hat Haefke im Bereich Forschung und Entwicklung in der Abteilung Flavourherstellung in der Tabak- und Zigarettenfabrink Brinkmann gearbeitet. Er erzählt gerne von früher, von der Arbeit in einer Spezialabteilung, in der Experimentierfreude, Genauigkeit und eine gute Stimmung unter den Kollegen die Arbeitsatmosphäre prägten.
Für das Gespräch hat Haefke einen gut sortierten Aktenordner auf dem Tisch im Wohnzimmer seiner geräumigen Wohnung in Horn-Lehe ausgebreitet – gefüllt mit Verträgen, alten Einladungskarten, Bildern, darunter vielen Schnappschüssen mit dem typischen Rotstich alter Aufnahmen der 70er-Jahre. Der Satz „Ach, ich habe gerne dort gearbeitet“, fällt immer wieder beim Durchblättern, „es war ein nobles Unternehmen, bei dem alles gepasst hat.“ Nur die Schlips- und Kragenpflicht, die habe ihn gestört.
Über berufliche Schlangenlinien ist Haefke zu der Firma mit Sitz in Woltmershausen gekommen. Der gelernte Möbel- und Modelltischler leistete seinen Bundeswehrdienst in Koblenz ab, wo er als Schiffsführer auf dem Rhein schipperte. Als dort Notstand in der Kajüte herrschte, machte er sich nebenbei als Koch nützlich. Lehrgänge für diese neue Tätigkeit verschlugen ihn 1963 nach Bremen. Hier lernte er seine Frau kennen.
„Ich brauchte dann einen richtigen Job, da habe ich es bei Brinkmann versucht“, berichtet Haefke, wie er sich 1965 auf gut Glück beworben hatte. Vollkommen ungelernt begann er in den „Allgemeinen Laboratorien“, wie der Name der Abteilung für Forschung und Entwicklung damals lautete. Zunächst befasste er sich mit der Tabakfolien-Herstellung, bei der aus Tabakstaub neue Folie produziert wird. Im Anschluss ging es in die Flavourabteilung, die für das I-Tüpfelchen beim fertigen Tabak sorgte, für das charakteristische Aroma, das auf den Tabak für die Herstellung von 19 000 Zigaretten pro Minute gesprüht wurde.
Jede Sorte Tabak sei in ihrem Ursprung anders, jede Ernte falle unterschiedlich aus, erläutert Haefke. Der Geschmack aber dürfe sich nicht verändern, so der Anspruch der Konsumenten. Deshalb wurden die Tabakblätter soßiert, also in eine zuckerhaltige Lösung getränkt, damit sie einen halben bis ganzen Tag Feuchtigkeit und Aromastoffe aufnehmen, dann wurde er getrocknet und geschnitten, bis am Ende der Flavour draufgesprüht wurde. Diesen musste der Tabak über eine ganze Nacht annehmen, bevor er verpackt wurde.
Wie die genaue Zusammensetzung des Flavours war, lief unter Betriebsgeheimnis. Bis zu 30 Einzelbestandteile auf der Trägerbasis Wasser und Alkohol, so viel verrät Haefke, darunter Rotwein, Menthol, Lakritze, Zucker, Honig oder auch nur zwei Tropfen Rosenöl auf 1000 Kilogramm Tabak sorgten bereits für eine andere Geschmacksnote.
Der Trend zu mehr Gesundheitsbewusstsein ging auch an der Zigarettenproduktion nicht spurlos vorüber. Angefangen hatte man mit künstlichen Aromen, ging dann zu naturidentischen und schließlich zu natürliche Aromen für den Tabak über.
Die fünfköpfige Flavour-Abteilung bekam die Rezepte von der Entwicklungsabteilung, in der die Rohstoffe gründlich getestet wurden. Zum Austüfteln einer neuen Zigarette mit ihrem ganz speziellen Flavour hätten die Kollegen in der Entwicklungsabteilung zwölf bis 18 Monate benötigt, berichtet Haefke. So manch eine Mode sei durch die Flavour-Abteilung gewandert, erinnert er sich und lächelt verschmitzt, wenn er an die langen, dünnen Damenzigaretten-Sorten der 80er-Jahre denkt. Auch ein weiteres, sehr gut gelungenes Imitat der Marlboro ist ihm im Gedächtnis geblieben, das sich allerdings von Brinkmann nicht gut vermarkten ließ, weil man nicht gegen die Werbung des Originals mit dem coolen reitenden Cowboy ankam. Der wohl ausgefallenste Tabak seiner Karriere nennt sich Latakia, ein hocharomatischer Pfeifentabak, der über Kamelmist geröstet wurde, um sein unverwechselbares Aroma zu erhalten. „Wir mussten die Tabakblätter trocknen und in einer Mühle mahlen – das hat vielleicht gestunken!“, so Haefke.
Doch neben dieser Unannehmlichkeit erinnert er sich an viele Annehmlichkeiten. So erhielt nicht nur er, sondern jeder Mitarbeiter der Firma, monatlich 600 Zigaretten, also drei Stangen, zum Proberauchen. Hatte Haefke zu Bundeswehrzeiten Tabak mit Notizblättern gerollt und auf Lunge geraucht, so beschränkte er sich später aufs Paffen. „Viele Zigaretten habe ich an die Schwiegermutter verschenkt“, erzählt der ehemalige Mitarbeiter, der die gute Qualität des Tabaks zu schätzen wusste. Seien ihm von irgendwem Billigzigaretten angeboten worden, so hätten diese im Vergleich geschmeckt „wie ein Knüppel auf den Kopp“.
Nicht nur die Gratis-Zigaretten der Firma sind ihm in positiver Erinnerung geblieben, sondern auch Dienstreisen zu den Großhändlern, zum Beispiel in die Provence nach Grasse, Cannes und Nizza. Auch die Jubilarfeier im Parkhotel nach 25-jähriger Betriebszugehörigkeit hätten seine Frau und er sehr genossen, schwärmt Haefke.
Seit vielen Jahren raucht er nicht mehr. Aber der ausgeprägte Geruchssinn und ein, wie er sagt, „verwöhnter Geschmack“, sind geblieben. Nur drei Parfüms halten Haefkes strengem Urteil stand. Beim Kochen muss es Öl aus Griechenland sein, und statt herkömmlichem Salz kommt nur Meersalz auf den Tisch.
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