
Im nächsten Jahr wird es in der Stadt Bremen keinen Schlachthof mehr geben. Der einzige noch bestehende Betrieb in Aumund soll im Sommer 2018 eingestellt werden. In der Biostadt Bremen gibt es demnach dann kein eigenes Bio-Fleisch mehr. Denn der Betrieb in Bremen-Nord war genau dafür zertifiziert. Fleischereien und Landwirte müssen auf Bremerhaven und Niedersachsen ausweichen.
Das Unternehmen sei nicht mehr wirtschaftlich, erklärt der ehrenamtliche Geschäftsführer des Schlachthofs Herbert Dohrmann die Entscheidung. Einer der Gesellschafter wird den Schlachtbetrieb mit der Firma Sandersfeld noch bis Sommer nächsten Jahres fortsetzen. Die Schlachthof GmbH Bremen-Nord wird bereits in wenigen Monaten aufgelöst. Das Gelände ist an M Projekt verkauft worden. Dahinter steht der Bremen-Norder Investor Olaf Mosel. Ende Juli 2017 gehen Gebäude und Gelände in seinen Besitz über.
Der Schlachthof sei laut Dohrmann ein kleiner Betrieb gewesen und habe die Fleischer in der Region bedient. 240 Schweine und etwa 30 Rinder seien in der Woche geschlachtet worden, das sei zu wenig. Die Zahlen gingen seit Jahren zurück. Die Gesellschaft habe nicht mehr kostendeckend arbeiten können, Verlust gemacht. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen. „Die Überlegung, zu schließen, ist in letzten Jahren gereift.“ Die Schweine sollen in Zukunft wahrscheinlich in Stuhr, die Rinder in Bremerhaven geschlachtet werden.
Nachfrage blieb aus
Im vergangenen Jahr noch gab es verhaltene Hoffnung in Aumund. Da erhielt der Betrieb in Bremen-Nord das nötige Zertifikat, um Bio-Fleisch schlachten zu können. Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) machte auf seiner Sommertour Station im Betrieb. Es galt, das gemeinsame Projekt Biostadt Bremen voranzubringen. Angedockt ist es in Lohses Ressort und somit in Händen des Landwirtschaftssenator. Einer der wesentlichen Pläne des Vorhabens: mehr biologisches Fleisch direkt aus Bremen in Kitas, Schulen und öffentliche Einrichtungen zu bringen. Doch die Schlachtzahlen in Aumund habe das Projekt nicht sonderlich beeinflusst, sagt Dohrmann. Die Erwartungen erfüllten sich nicht. „Das war viel Sturm im Wasserglas.“ Nur ein paar Rinder wurden im Monat mehr geschlachtet.
Jetzt muss sich die Biostadt einen neuen Partner suchen. Jens Tittmann, Sprecher des Umweltsenators, bedauert die Schließung, denn mit dem Betrieb in Bremen-Nord sei man zufrieden gewesen. „Das ist ärgerlich und sehr schade.“ Die Biostadt sei damit aber nicht infrage gestellt. Nun wolle man für das Projekt im Umland einen passenden Schlachthof finden. Die Akzeptanz für biologische Produkte in der Bevölkerung sei mittlerweile groß. Das erleichtere die Gespräche mit potenziellen neuen Partnern.
Warum das Vorhaben Anlaufschwierigkeiten hat, dafür gebe es einen Grund, sagt der Besitzer eines landwirtschaftlichen Betriebs, der nicht genannt werden möchte. Tatsächlich schauten öffentliche Einrichtungen genau auf den Preis: „Bis auf den Cent“. Deshalb erhielten Bremer Bio-Betriebe nicht unbedingt den Zuschlag für Kitas, Schulen oder Mensen. „Die Küchen finden andere Weg und beziehen die Lebensmittel nicht unbedingt aus der Region.“ Zwar sei die Nachfrage schon gewachsen, doch nicht so groß wie erwartet.
Das Aus des Schlachthofs sieht er besonders kritisch, weil es Mitte der 70er-Jahre eine politische Abmachung gab. Die hiesige Landwirtschaft sollte alle Stadien der Fleischproduktion selbst im Griff haben und auf kurzem Wege gemeinsam in Aumund beziehungsweise Oslebshausen schlachten. Bremer Fleischereien und Höfe durften ab dem Zeitpunkt nicht mehr selbst schlachten. 32 Innungsschlachtereien kauften damals den Betrieb in Bremen-Nord von der Stadt für den symbolischen Betrag von einer Mark. Seitdem schlachteten die Fleischereien hier in Eigenregie. Doch heute ist neben Fleischer Dohrmann nur noch eine Handvoll Gesellschafter übrig. Viele kleine Geschäften sind längst geschlossen.
Das Verbot sieht der Landwirt als Problem: „Die Bremer Politik hat den kleinen Betrieben einen Bärendienst erwiesen.“ Jetzt seien plötzlich beide Schlachthöfe weg. Denn Ende Januar erst schloss der Betrieb von MV Fleisch in Oslebshausen, der ebenfalls für Bio-Schweinefleisch zertifiziert war. Das Unternehmen geriet wegen der Schieflage der Vogler Fleisch in Schwierigkeiten. Außerdem soll es Verluste gegeben haben. Der Landwirt befürchtet, dass sich die Konzentration und Marktmacht in der Branche weiter verschärft, dass weitere Fleischereien schließen werden. „Die Stadt Bremen hat damit zum Sterben zahlreicher Familienbetriebe beigetragen.“ Klar sei zudem nicht, ob die kleineren Betriebe in der niedersächsischen Region, die teils nur wenige Tiere in der Woche schlachteten, den Wegfall des Schlachthofs komplett kompensieren könnten. Sonst könnten die Fahrten für die Tiere noch länger werden – nicht im Sinne der Biostadt.
Kleine Betriebe können nur schwer bestehen
Stefan Baeßler, Geschäftsführer von Bio-Biss, lässt regelmäßig Lämmer und Rinder in Aumund schlachten. Das Fleisch verarbeite man in den Restaurants und im Catering, Bio-Biss koche für knapp 20 Schulen. Jetzt muss das Unternehmen aus Worpswede nach Bremerhaven fahren. „Uns bleibt nichts anderes übrig.“ Der dortige Betrieb Albert Cordts ist ebenfalls für Bio-Fleisch zertifiziert. Die Fahrt aber sei 60 Kilometer länger. Er verstehe nicht, sagt Baeßler, warum ein eingesessener, regionaler Betrieb nicht von Seiten der Politik unterstützt werde, wenn es offensichtlich Probleme gebe. „Die kleinen Schlachthöfe können mit den großen Betrieben einfach nicht mithalten.“ Weite Strecken für die Schlachttiere, das könne nicht der Wunsch des Verbrauchers sein. Doch solange der teils lieber Rindfleisch aus Argentinien und Lamm aus Neuseeland kaufe, weil es günstiger sei, und die Politik sich nicht für kleine Betriebe einsetze, ändere sich nichts.
Friedhelm Schumacher, der einen Biohof in Borgfeld führt, sieht die Entwicklung ebenfalls mit Sorge. „Die Wege werden immer länger. Das ist für die Tiere nicht gut. Es passiert eigentlich genau das, was die Politik nicht wollte.“ Zu viele Auflagen, zu hohe Kosten, das könnten Gründe für das Aus sein. Nur ab und zu habe er Rinder in Aumund geschlachtet. Das habe gut geklappt. Von der Schließung habe er schon länger etwas munkeln hören.
Doch auch die Lage des Schlachthofs in Bremen-Nord in der Meinert-Löffler-Straße scheint ein Grund zu sein, warum die Gesellschaft verkauft. „Wir sind hier mitten im Wohngebiet“, sagt Dohrmann, „das passt nicht mehr.“ Oft habe es Beschwerden aus der Nachbarschaft gegeben. Wie es mit dem 10 000 Quadratmeter großen Gelände in Aumund weitergeht, ist noch nicht ganz raus. Investor Olaf Mosel kann sich durchaus ein Gewerbe-, ein Wohngebiet oder einen Mix aus beidem vorstellen. Bis zum Sommer soll es ein erstes Konzept geben. Dohrmann will über die Pläne nicht genauer sprechen. „Ich denke, da passiert was, was gut in die Ecke passt.“ Wie viele Mitarbeiter die Schließung in Aumund betrifft, ist unklar. Der Geschäftsführer von Sandersfeld war für ein Gespräch nicht zu erreichen.
In Oslebshausen verloren im Januar etwa 200 Menschen ihren Arbeitsplatz. Peter Korn ist einer von ihnen. 33 Jahre habe er in diesem Schlachthof gearbeitet. Als der Betrieb schließt, ist der 56-jährige Bremer trotz der schlechten Anzeichen in den Monaten zuvor überrascht. „Wir haben das nicht wahrhaben wollen.“ Eigentlich sei er gelernter Einzelhändler. Im Betrieb habe er sich langsam hochgearbeitet. Der Schlachthof sei ein krisenfester Arbeitsplatz, habe er gedacht. Nun sorge er sich um seine Zukunft. Bremens letzten Schlachthof wird es bald nicht mehr geben.
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