
Die Hoffnung kam zurück, als Frank in eine Holzbox einzog. Vier Paletten als Grundfläche, 3,2 Quadratmeter groß. Dazu ein Dach, ein Fenster, eine Tür und vier Wände aus Spanplatten, gut isoliert und knapp zwei Meter hoch, sodass er gerade so aufrecht in dem Raum stehen konnte. Dieser Verschlag, der von außen ein wenig so aussieht wie das Wartehäuschen an einer Bushaltestelle, hat Frank das Leben gerettet. So jedenfalls sieht er das. Er ist dort eingezogen, als er am Tiefpunkt in seinem Leben war. Ohne Job, ohne Wohnung, ohne Lebensmut. Drei Jahre ist das jetzt her.
In dieser Woche war Frank, der in Köln lebt und seinen vollständigen Namen lieber für sich behalten möchte, in Bremen zu Gast. Gemeinsam mit Sven Lüdecke, dem Initiator von Little Home, hat er beim Bremer Stadtdialog für die Errichtung der kleinen Häuschen geworben. Little Home, ein eingetragener Verein, hat bisher in 18 deutschen Städten 128 Little Homes für Obdachlose gebaut, die meisten davon in Berlin und Köln, je 40. Für Bremen, sagt Lüdecke, seien 25 Häuschen das Ziel. Die Nachfrage danach, da ist er sich sicher, sei vorhanden.
Tatsächlich leben in Bremen geschätzt zwischen 600 und 700 Menschen ohne Wohnung. Die allermeisten von ihnen würden lieber heute als morgen eine feste Bleibe beziehen. Doch die Chancen darauf haben zuletzt ab- und nicht zugenommen. Eine bundesweite Studie unter der Leitung des Bremer Sozialforschers Volker Busch-Geertsema, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert hat, stellt fest, dass acht von zehn befragten Stellen, beispielsweise Jobcenter und Sozialämter, finden, dass sich die Integration von Wohnungslosen in Deutschland seit 2015 verschlechtert habe. Der Grund: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Ein Little Home ist günstig, es kostet cirka 1500 Euro. Der Verein aus Köln finanziert dies aus Spenden und mit Unterstützung von Unternehmen, die helfen wollen. Laut Little Home hat man 71 ehemals obdachlose Menschen über die Zwischenstation Little Home inzwischen in eine feste Wohnung gebracht. Die Sozialbehörde und die Innere Mission als Hauptträger der Wohnungslosenhilfe in Bremen können den Little Homes durchaus etwas abgewinnen. Aber eher als eine Ergänzung zum bestehenden Hilfsangebot, nicht als große Lösung. Dafür ist die Zielgruppe auch zu klein. Denn das Leben in der Wohnbox ist nicht für jeden etwas. Junkies und Alkoholabhängige zum Beispiel kommen für einen Platz von vorneherein nicht infrage.
Bremen geht bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit eher den umgekehrten Weg. Die Politik hat Ende des vergangenen Jahres entschieden, auf Housing first zu setzen. Die Idee hinter diesem Konzept: Der Obdachlose bekommt gleich eine Wohnung zugewiesen. Erst nach dem Einzug werden mit Unterstützung der zuständigen Stellen Probleme wie Sucht und Jobsuche angegangen. „Zum Wohnenlernen zieht man am besten in eine Wohnung“, sagt Sozialforscher Busch-Geertsema. Er steht Little Home kritisch gegenüber und warnt davor, bei der Suche nach Lösungen die Würde der Wohnungslosen aus dem Blick zu verlieren. „Es darf sich nicht die Haltung durchsetzen: Für zweitklassige Menschen reicht zweitklassiger Wohnraum“, sagt der Wissenschaftler.
Wie wichtig ein richtiges Dach über dem Kopf ist, weiß Obdachlosenseelsorger Harald Schröder. Er ist im Bahnhofsquartier und der Innenstadt unterwegs, „ich mache Hausbesuche“, sagt er, „auf der Parkbank“. Wenn er erklären soll, weshalb eine Wohnung so wichtig ist, holt er gerne ein paar Gegenstände hervor. Einen Haustürschlüssel. Einen Postkastenschlüssel. Oder einen Stuhl in Miniaturformat. Alltagsgegenstände, die für die allermeisten Menschen eine Selbstverständlichkeit sind. Für Obdachlose nicht. Sie haben keine Türen, die sie abschließen müssen. Keine feste Adresse, an die sie Briefe geschickt bekommen. Keine Sitzgelegenheit außer dem Straßenpflaster.
Ein Little Home kann ein erstes Gefühl davon geben, wie es ist, die eigenen vier Wände zu haben. Zur Grundausstattung gehören eine Matratze, Bettzeug, Waschbecken und Chemietoilette. Die Häuschen sind durchnummeriert und personalisiert. Da sie auf Rädern stehen, gelten sie als sogenannte fliegende Bauten, für ihre Errichtung ist keine Baugenehmigung, sondern lediglich ein genehmigter Stellplatz erforderlich. In Bremen ist die Stellplatzsuche ein Problem. Zentral sollte der Standort für ein Little Home sein, am besten in Bahnhofsnähe, da sich dort die meisten Anlaufpunkte für Obdachlose befinden. Freie Flächen dafür sind aber knapp. Das bisher einzige Little Home in Bremen musste gerade erst seinen Standort wechseln.
In Städten wie Berlin, Augsburg oder Paderborn stehen die Little Homes unter Brücken, an Parkplätzen oder am Rand von Grünflächen. Frank aus Köln hat vor drei Jahren seinen Unterschlupf in der Nähe des dortigen Messegeländes gefunden. Am Tag seines Einzuges, sagt er, habe er von Samstagnachmittag bis Montagfrüh durchgeschlafen, „das erste Mal seit zehn Monaten“. Auf seinen eigenen 3,2 Quadratmetern ist er zur Ruhe gekommen, hatte einen Raum für sich und Zeit zum Nachdenken. Nach kurzer Zeit war für ihn klar: Ich packe es an, ich will zurück in ein geregeltes Leben. Ein Leben mit Krankenversicherung, Aussicht auf einen Job – und mittlerweile auch mit einer richtigen Wohnung.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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