
Herr Kreutzer, 32 neue Vereine sind in diesem Jahr zum ersten Mal bei der Ehrenamtsmesse Aktivoli im Rathaus mit dabei. Das ist fast die Hälfte der Aussteller. Wo kommen die alle her?
Konrad Kreutzer: Da sind einige kleinere Initiativen dabei, die normalerweise etwas unter dem Radar fliegen. Es haben sich eben viele kleinere bis zum Anmeldeschluss angemeldet. Insgesamt hätten wir nicht nur 70, sondern sicher auch 90 Aussteller nehmen können. Wir bespielen mit der Messe schon das ganze Rathaus, mit mehr Ausstellern wäre es zu eng geworden. Die neuen bringen auch neue Themen mit und Zielgruppen.
Und zwar?Das Tandemprogramm „Start with a Friend“ zum Beispiel oder die „KlimaWerkStadt“.
Sind Klima- oder Umweltschutz aktuell besonders nachgefragt bei den Freiwilligen, die sich an die Freiwilligenagentur wenden?Auch. Und da haben wir ja auch Angebote der klassischen Organisationen, die in dem Bereich arbeiten wie Nabu und BUND.
Keine Messe ohne Trends. Gilt das auch für die Aktivoli?Naja. Deutlich ist – und das gilt nicht nur für die Aktivoli – dass Engagement insgesamt immer jünger wird. Auch Berufstätige engagieren sich. Dass sich nur Menschen im jahrzehntelangen Ehrenamt beim großen Träger engagieren, ist längst nicht mehr so. Projektbezogenes freiwilliges Engagement auch für kleinere Initiativen ist verbreitet. Immer mehr Jüngere engagieren sich.
Woher dieser Wandel?Ich denke, dass hat auch mit dem Engagement zu tun, das durch die Medien ging, als viele geflüchtete Menschen nach Deutschland kamen. Da wurde öffentlich deutlich sichtbar, dass Engagement gesellschaftlich und menschlich wichtig ist und etwas bewirken kann – auch ohne Bezahlung.
Wie ist das bei Ihnen persönlich? Sie engagieren sich für „Viva con Agua“.Ja, ich habe Viva con Agua 2010 in Bremen gestartet und bin seitdem aktiv. Ich interessiere mich schon länger für den sozialen Sektor, zuerst für Entwicklungshilfeprojekte. Ich habe mich während meines Studiums engagiert und weitergemacht. Und das Interesse auch in meiner Architektur-Masterarbeit verfolgt. Architekten müssen immer auch wirtschaftlich denken. Ich wollte aber auch die soziale Perspektive nicht aus den Augen lassen.
2015 haben Sie in einer Einrichtung für Geflüchtete gearbeitet und dann die Initiative Bremer Willkommenskultur gegründet. Dem freiwilligen Engagement für Geflüchtete ist dann ein berufliches gefolgt. Seit mittlerweile vier Jahren sind Sie Projektleiter für „mitbremern“. Was wollen Sie damit erreichen?Zum einen muss klarer werden, dass auch Geflüchtete ihren Beitrag leisten können und mündige Menschen sind, die sich engagieren können. Wir können mit dem Projekt Menschen mit Fluchthintergrund erreichen und in Kontakt bringen mit entsprechenden Organisationen, die geeignete Engagement-Möglichkeiten bieten.
Das heißt im besten Fall: Die Organisationen finden freiwillige Helfer und die Freiwilligen etwas Sinnvolles zu tun.Richtig. Das zweite ist besonders wichtig. Eine der Hauptmotivationen der Freiwilligen ist, hier wirklich anzukommen. Dazu gehört die Sprache und auch Arbeit oder Ausbildung. Da kann ein Engagement sehr wertvoll sein. Manche bleiben dann länger engagiert, andere finden irgendwann eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle. Wir hatten in den ersten drei Jahren des Mitbremern-Projekts 130 Engagementberatungen, davon 70 Vermittlungen, mit einem Frauenanteil von rund 30 Prozent. Damit konnten wir unsere Ziele deutlich übertreffen.
Wie aufwendig ist die Vermittlung?Das kommt darauf an. Zunächst einmal ist wichtig, dass die Beteiligten ein gewisses Sprachniveau mitbringen. Wer nur ein Sprachniveau von A 1 oder A 2 im Deutschen mitbringt, kann kaum eine geeignete Tätigkeit finden, von der er profitieren kann. Vieles ist eben verbunden mit Kommunikation. Unsere Einstiegsfrage ist immer: Was sind deine Hobbys, worauf hast du Lust? Und dann geht es manchmal ganz schön schnell.
Haben Sie ein Beispiel?Wir hatten mal einen Mann, der sich gemeldet hatte, der sagte er sei Ringer. Das hatten wir vorher noch nicht. Dann habe ich in einem Sportverein bei ihm in der Nachbarschaft angerufen. Die suchten zufällig einen Jugendtrainer. Es war Glück: Noch am selben Abend konnte er dort zum Jugendtraining vorbeigehen.
Für welche Bereiche interessieren sich denn die meisten Teilnehmer bei „mitbremern“?Viele wollen gerne mit Kindern arbeiten. Auch beliebt sind die Bereiche Sport, Kochen und die Arbeit mit alten Menschen, zum Beispiel in einem Altenheim.
Was haben Sie Überraschendes aus dem Projekt mitgenommen?Zum einen hat sich das Vorurteil, dass Geflüchtete nicht pünktlich kommen, hier nicht bestätigt. In der Regel freuen sich die Leute, ihre Zeit sinnvoll verbringen zu können. Und auch, wer Arbeit sucht oder noch keine Ausbildung oder ein Studium hat, kann mitbremern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verbessern ihr Deutsch, sammeln Kontakte und bekommen oft von ihrer Einsatzorganisation einen Nachweis, wie sie sich eingebracht haben. Auch haben wir gelernt, um es überspitzt zu formulieren: Flyer liest keiner. Das meiste läuft über Mundpropaganda, Handy oder Messenger. Ich stelle auch mündlich in Sprachkursen das Projekt vor.
Suchen Sie auch weitere Organisationen, die Engagements für Geflüchtete anbieten?Wichtig ist, dass es sprachlich funktioniert, dass es eine Form von interkulturellem Know-how gibt und bestenfalls Ansprechpartner oder Kollegen mit einem entsprechenden Hintergrund in der Organisation. Bei den 40 Organisationen, mit denen wir schon arbeiten, klappt das. Theoretisch könnten es aber noch viel mehr werden. In der Online-Engagementbörse der Freiwilligen-Agentur finden sich rund 400 Engagementmöglichkeiten. Oft beherrschen Leute die Sprache schon so überzeugend, dass ich sie direkt dorthin verweisen kann.
Und wer persönlich einen Eindruck bekommen will, der kommt dann zur Aktivoli?Genau. Dort findet jeder etwas, das ihm Spaß macht, und wo er mal reinschnuppern kann.
In diesem Jahr gibt es mit „Du bist Bremen“ ein neues Motto und ein neues Design.Wir haben den Farbdruck für das Börsenblatt entdeckt (lacht.) Jetzt kann sich jede Besucherin und jeder Besucher leicht an einer Farbe orientieren, die einen zu dem Bereich hinleitet, der einen schwerpunktmäßig interessiert.
Das Gespräch führte Thomas Walbröhl.Konrad Kreutzer (33)
ist bei der Freiwilligen-Agentur Bremen Projektleiter für die Freiwilligenbörse Aktivoli und das Projekt „mitbremern“. Der gebürtige Oldenburger lebt seit 2007 in Bremen und wohnt in der Bahnhofsvorstadt.
Alle, die sich in Bremen engagieren möchten, können sich auf der Freiwilligenmesse Aktivoli unter der Schirmherrschaft des Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte am Sonntag, 15. März, von 11 bis 17 Uhr im Bremer Rathaus über Einsatzmöglichkeiten informieren. Rund 70 Vereine, Organisationen und Initiativen präsentieren sich dort. Die Ausstellerliste und das Programm sind online auf www.aktivoli-bremen.de zu finden.
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