
Bessere Möglichkeiten zur Telefonüberwachung, mehr Videoüberwachung, elektronische Fußfesseln – für die Innenbehörde ist eine Anpassung des Bremischen Polizeigesetzes die dringend notwendige Voraussetzung, um den neuen Herausforderungen bei der Bekämpfung sowohl politisch motivierter als auch der organisierten Kriminalität gewachsen zu sein. Doch in Bremen formiert sich Widerstand gegen das neue Polizeigesetz. Das Bündnis "Brementrojaner" spricht vom "weiteren Abbau von Grundrechten" und kritisiert "erhebliche rechtsstaatliche sowie grund- und datenschutzrechtliche Eingriffe".
Das Bündnis steht für den Zusammenschluss verschiedener zivilgesellschaftlicher und politischer Gruppen und Personen aus Bremen, wie unter anderem die Humanistische Union, die Internationale Liga für Menschenrechte, der Chaos Computer Club oder die Grüne Jugend. Mit dem Argument der Terrorismusabwehr würden der Polizei auch weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre aller Bürger ermöglicht, lautet die Kernkritik des Bündnisses. Mühsam errungene Freiheitsrechte würden für eine vermeintliche Sicherheit eingeschränkt.
So ermögliche das neue Gesetz unter anderem "eine massive Ausweitung der Überwachung von Computern und Smartphones", heißt es in einer Erklärung des Bündnisses. Außerdem seien die geplanten Maßnahmen gerichtlich oder parlamentarisch kaum zu kontrollieren.
Für Kriminelle spiele die Telekommunikation in Planung und Durchführung von Straftaten eine zentrale Rolle, hält die Innenbehörde dagegen. "Die Polizei hat nur eine Chance, wenn ihr ermöglicht wird, die Kommunikation der Straftäter nachzuverfolgen", sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Bei vielen Messenger-Diensten wie etwa WhatsApp würden die Nachrichten jedoch automatisch verschlüsselt. Deswegen brauche es eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), um die Nachricht der Kriminellen vor dem Abschicken mitlesen zu können. "Aber nur mit richterlicher Erlaubnis", betont Gerdts-Schiffler. Und in jedem Einzelfall müssten wichtige Rechtsgüter wie Leib und Leben von Personen betroffen sein.
Ein weiterer Punkt des neuen Polizeigesetzes betrifft die Ausweitung der Videoüberwachung. Die soll laut Innenbehörde nur an belebten, zentralen Plätzen der Stadt erfolgen, bei denen Erkenntnisse vorliegen, dass dort eher mit Anschlägen oder mit Übergriffen auf Bürger zu rechnen ist.
Doch die Brementrojaner lehnen auch das ab. „Bereits jetzt ist Videoüberwachung in Bremen weit verbreitet, obwohl ein entsprechender Nutzen nicht nachgewiesen ist“, sagt Bündnissprecherin Maike Schmidt-Grabia vom Verein Digitalcourage. „Noch mehr Kameras werden unsere Freiheit weiter einschränken. Wer beobachtet wird, ist nicht frei.“
Vorbehalte gegen das Gesetz hat auch die Bremer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Imke Sommer, geäußert. Das Bündnis zitiert Sommer mit einer Aussage vom Januar dieses Jahres: „Der Entwurf zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes wirft erhebliche rechtsstaatliche und datenschutzrechtliche Bedenken auf.“ Dieser Satz habe sich auf den ersten Entwurf zum neuen Polizeigesetz bezogen, erklärte die Landesbeauftragte hierzu am Mittwoch gegenüber dem WESER-KURIER. Inzwischen sei die Diskussion aber weitergegangen und der ursprüngliche Entwurf überarbeitet worden.
Auch hierzu habe sie eine Stellungnahme abgegeben, erklärte Imke Sommer. Da der aktuelle Entwurf aber noch nicht öffentlich vorliegt, könne sie sich hierzu nicht äußern. Stattdessen erläuterte die Datenschutzbeauftragte einen grundsätzlichen Aspekt, auf den bereits das Bundesverfassungsgericht hingewiesen hat. Beachtet werden müsse die "Überwachungsgesamtrechnung": Bei einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen könne zwar jede einzelne für sich genommen in Ordnung sein, die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit aber nicht, erläuterte Sommer. "Irgendwann schlägt die Quantität der Überwachungsmaßnamen in eine Frage der Qualität über." In Bremen wie auf Bundesebene müsse entschieden werden, "ob es insgesamt nicht doch schon zu viel ist".
Das Bündnis "Brementrojaner" kritisiert aber nicht nur das neue Gesetz selbst, sondern auch "die Art und Weise, wie der Gesetzentwurf möglichst lautlos durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht werden soll". Es fordert daher, den laufenden Gesetzgebungsprozess abzubrechen und eine breite öffentliche Debatte einzuleiten.
Derzeit steht allerdings noch nicht einmal fest, wann der aktuelle Entwurf für das neue Polizeigesetz öffentlich vorgelegt wird. Die Fraktionen wollen sich noch mit Änderungen befassen, heißt es seitens der Innenbehörde. Angedacht sei, das Thema in der Innendeputation im Mai zu beraten.
Unter dem Titel "Freiheit und Sicherheit" veranstaltet die Humanistische Union in Kooperation mit der Internationalen Liga für Menschenrechte und dem Bündnis Brementrojaner am Dienstag, 10. April, eine Vortrags- und Info-Veranstaltung zur Reform des Bremischen Polizeigesetzes. Referenten sind Professorin Ingeborg Zerbes von der Universität Bremen, Professor Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, der Referatsleiter für Polizeirecht beim Senator für Inneres, Hendrik Wübbenhorst, sowie Bremens Datenschutzbeauftragte Imke Sommer. Die Veranstaltung findet ab 19 Uhr im großen Saal des Gewerkschaftshauses, Bahnhofsplatz 22 - 28, statt.
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