
„Wollen Sie da drauf?“, fragt die Streetworkerin die vermeintliche Passantin – um dann davon abzuraten. Bremen hat seit einiger Zeit eine neue öffentliche Toilette in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs. Doch „öffentlich“ ist hier relativ zu sehen.
Die Toilette befindet sich am neuen Szenetreff für Wohnungslose und Drogensüchtige neben dem Gustav-Deetjen-Tunnel. Für die Menschen, die sich dort aufhalten, ist die Toilette eine Verbesserung, vorher gab es lediglich ein Dixie-Klo. Wenn sie das stille Örtchen zwischen acht und 16 Uhr aufsuchen möchten, müssen sie nichts bezahlen. Ein Streetworker verwahrt den Schlüssel. Jeder und jede muss ihn ansprechen, auch Passanten. Zuerst hatte die „Taz“ darüber berichtet.
Mit der öffentlichen Toilette sind zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen worden: Einerseits sollte der Szenetreff ein eigenes Klo erhalten, andererseits war schon lange über eine neue Toilettenanlage vor dem Überseemuseum diskutiert und kurzzeitig ein Pissoir aufgestellt worden. Dessen Gestank wiederum löste so großen Unmut aus, dass es abgebaut wurde. Zuletzt fand sich kein öffentliches Örtchen rund um den Hauptbahnhof – von den vielen „netten Toiletten“, die Gastwirte und Geschäfte anbieten, mal abgesehen.
Laut Bremer Stadtreinigung, die im Auftrag der Stadt die öffentlichen Toiletten betreibt, hat das neue Klo am Szenetreff 100.000 Euro gekostet, hinzu kämen 70 000 Euro für Wartung und Reinigung. Da die Innere Mission, die den Szenetreff betreut, die Kosten für die gewünschte neue Toilette nicht selbst habe tragen können, habe die Stadtreinigung diese Summe investiert.
Nach 16 Uhr, wenn die Tore des eingezäunten Szenetreffs geschlossen sind, kostet das stille Örtchen 50 Cent. Von 22 Uhr bis sieben Uhr morgens ist die öffentliche Toilette ganz geschlossen. Allein Menschen mit Handicap können die Tür mit einem Euroschlüssel jederzeit öffnen. Als Grund für die nächtliche Schließung erklärte Lena Endelmann, Sprecherin der Bremer Stadtreinigung: „Die alte Toilettenanlage wurde immer wieder zweckentfremdet.“ So sei die Anlage als Druckraum für Drogensüchtige und zur Übernachtung benutzt worden. Unsachgemäße Nutzung habe die Anlage auch beschädigt.
Harmlose Blasenentleerung oder das Spritzen von Drogen? Was hinter der geschlossenen Toilettentür geschieht, ist auch mittags kaum zu kontrollieren. „Es ist ein Testlauf, wir gucken wie es funktioniert und sind in ständigem Austausch mit der Stadt“, sagte Axel Brase-Wentzell, stellvertretender Bereichsleiter Wohnungslosenhilfe bei der Inneren Mission. Möglicherweise müsse man neu bewerten, ob die Toilette öffentlich benutzbar ist.
Der FDP-Sozialpolitiker Magnus Buhlert sagt: „Misslich finde ich, wenn die Toilette nicht rund um die Uhr geöffnet ist. Jeder, der morgens zur Arbeit geht, weiß es zu schätzen, wenn es morgens Toiletten gibt.“ Er spricht sich für eine andere Drogenpolitik aus, die den Kranken in den Mittelpunkt stellt. „Als Gesellschaft müssen wir damit leben, dass es Drogensucht gibt. Wir werden nicht alle Räume kontrollieren können.“
„Daran sieht man ja, dass ein Druckraum benötigt wird“, sagt Linken-Politikerin Sofia Leonidakis mit Blick auf die Toilette am Szenetreff. Solange es kein anderes Angebot gebe, werde man schwer vermeiden können, dass dort Drogen konsumiert würden. Die sozialpolitische Sprecherin ihrer Fraktion begrüßt, dass es die Toilette am Szenetreff gibt. Das Konzept der „netten Toilette“ spreche Obdachlose wenig an, weil es eine Hemmschwelle sei, ein Café oder Restaurant zu betreten. Leonidakis zufolge fehlen öffentliche Toiletten in Bremen.
Das sieht offenbar auch die Bremer Stadtreinigung so. Das Konzept „nette Toilette“, bei dem Bremer Restaurants und Cafés ihr WC für Passanten öffnen und dafür eine Entschädigung von der Stadt erhalten, biete sich für größere Gruppen nicht an, so Endelmann von der Bremer Stadtreinigung. Daher sei die Stadtreinigung in Gesprächen mit den zuständigen Behörden über eine personalgeführte Toilettenanlage sehr zentral in Bremen. „Erste Gespräche dazu wurden aufgenommen, aber es bedarf einiger Planung“, erklärt Endelmann. „Daher hoffen wir auf eine Realisierung Ende 2020.“
Neben der öffentlichen Toilette am Szenetreff gibt es drei weitere in der Bremer Innenstadt: an der Schlachte (geöffnet von sieben bis 24 Uhr), in der Markthalle Acht (zugänglich zu den Öffnungszeiten der Halle) und in der Katharinenstraße (sieben bis 24 Uhr). Eine Übersicht der „netten Toiletten“ findet sich auf www.die-bremer-stadtreinigung.de.
Antrag für Pilotprojekt
Mit einem Dringlichkeitsantrag wollen die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linken ein Pilotprojekt zum "Housing First"-Ansatz in Bremen umsetzen. Der Bürgerschaftsantrag fordert den Senat auf, jährlich 35 Belegrechte für Wohnungen zu kaufen, die dann an Obdachlose vergeben werden. Zudem wollen die Fraktionen prüfen lassen, ob im Winter die Öffnungszeiten beheizter Obdachlosentreffs verlängert werden können und ob freie Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung stehen.
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