
„Kann ich mich nicht mehr dran erinnern“, sagt der Zeuge. „Ist alles schon so lange her.“ Der zweite Verhandlungstag im sogenannten Baustellenprozess vor dem Landgericht nimmt den erwarteten Verlauf. Zwei Zeugen werden vernommen, aber sagen können sie kaum etwas. Wen wundert’s: Der Tag, von dem sie berichten sollen, liegt siebeneinhalb Jahre zurück.
Arbeiter von 30-köpfiger Gruppe überfallen
Am 8. August 2013 wurden Arbeiter einer Baustelle in der Neustadt von einer etwa 30-köpfigen Gruppe überfallen. Vier der Arbeiter mussten anschließend ins Krankenhaus. Zwei von ihnen, Vater und Sohn, stehen am Mittwoch als Zeugen vor Gericht. Dass es um ihre Erinnerung nach so langer Zeit nicht zum Besten gestellt sein dürfte, betont selbst der Vorsitzende Richter. Und fügt fast entschuldigend hinzu, dass man trotzdem versuchen müsse, den Vorfall so gut wie möglich aufzuklären.
Zur Hand hat er dabei die Protokolle der Polizei, die die Bauarbeiter unmittelbar nach der Tat vernommen hatte. Und Fotos von der angreifenden Gruppe, auf denen die beiden Zeugen damals etwas erkannt haben wollten. „Person hat mich angegriffen, Tritte und Schläge“, hatte der Vater auf den Rand eines der Bilder geschrieben. Ein Pfeil markiert, wer aus der Gruppe gemeint ist. Aber erinnern kann sich der Zeuge daran nicht. „Wenn ich das damals so draufgeschrieben habe, wird es wohl so stimmen. Aber ich weiß das echt nicht mehr.“
„Ging doch alles viel zu schnell“
Nicht anders ist es um die damaligen Aussagen der Opfer bestellt. Bei der Polizei hatten beide seinerzeit den Ablauf des Überfalls übereinstimmend geschildert. Wie sie morgens eine kleine Gruppe aufgefordert hatten, nicht über den abgesperrten Baustellenbereich zu laufen, wie sie schon da beschimpft wurden, wie ihnen gedroht wurde, man würde wiederkommen, und wie sie schließlich von einer großen Gruppe überfallen und niedergeschlagen wurden. Doch konkrete Anschuldigungen zu den beiden heutigen Angeklagten ergaben sich daraus nicht. Schon damals nicht. „Ging doch alles viel zu schnell“, sagt der Bauarbeiter heute. Er selbst war bei dem Überfall erst 16 Jahre alt.
Und Aussagen, wie die des älteren Zeugen, er habe damals eigentlich eine Brille tragen müssen, sie an diesem Tag aber nicht dabeigehabt und deshalb nur eingeschränkt sehen können, machen die Sache für die Verteidigung auch nicht eben schwerer. Bei der Befragung der Zeugen sei nur sehr wenig herausgekommen, fasst denn auch einer der Anwälte am Ende unwidersprochen den Prozesstag zusammen und regt an, das Verfahren gegen seinen Mandanten gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.
Ob es dazu oder doch zu einer Verurteilung kommt, hängt vor allem von der Staatsanwaltschaft ab, die sich hierzu noch nicht geäußert hat. In jedem Fall aber dürfte der Prozess für den 39-jährigen Angeklagten bald beendet sein, eventuell schon am nächsten Freitag. Nachdem ihm der Vorsitzende Richter am Mittwoch eine Strafe von maximal einem Jahr auf Bewährung in Aussicht stellte, gab der Mann zu, bei dem Überfall dabei gewesen zu sein und auch zugeschlagen zu haben. Fraglich, ob die weitere Beweisaufnahme noch mehr gegen ihn zutage fördern kann.
Anders sieht es beim zweiten Angeklagten aus, der sich weiterhin nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußerte. Der 37-Jährige hat derzeit ganz andere Sorgen. Er sitzt seit Kurzem in Untersuchungshaft, wegen einer „großen Sache“ wie es im Gerichtssaal hieß. Dem Vernehmen nach ist er einer der Männer, die am 4. Februar bei einer Razzia festgenommen wurden. Ihnen wird Schmuggel und Handel mit Drogen und Waffen vorgeworfen. Ob und welche Auswirkungen dies auf den Baustellenprozess hat, soll am nächsten Verhandlungstag, Freitag, 12. Februar, erörtert werden.
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