
Nelly leidet. Er nimmt seit fünf Wochen nur wenig Nahrung zu sich, beobachtet Hans-Hermann Braune. Der Vorsitzender des Papageienschutz-Zentrums Bremen ist besorgt. Über sechs Jahre haben Nelly und seine Artgenossin Nica im Fluggehege des Vereins in Findorff in einem Schwarm von Graupapageien Schnabel an Schnabel als Paar gelebt. Doch Mitte Oktober musste der Verein aufgrund eines Urteils des Bremer Amtsgerichts Nica von Nelly trennen und an den Eigentümer zurückgeben, der geklagt hatte.
„Wir haben alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, die Trennung des Graupapageien-Paares zu verhindern – ohne Erfolg“, erzählt Hans-Hermann Braune. Jahrelang hätte der Verein für den Verbleib des Graupapageis Nica bei Nelly gekämpft. „Letztlich mussten wir uns einem zweifelhaften, in keiner Weise am Tierwohl interessierten Urteil des Amtsgerichtes Bremen beugen“, klagt der Vereinsvorsitzende. Denn: „Papageienpaare dürfen niemals getrennt werden. Sie bleiben ihrem Partner ein Leben lang treu.“
Die Folgen einer Trennung könnten für Nelly wie auch Nica nach seiner Einschätzung dramatisch sein: „Es kann sein, dass sie verhungern, weil sie nichts mehr fressen oder apathisch werden.“ Diese Angst beschleicht ihn, weil der im Fluggehege verbliebene Papagei sich fünf Wochen nach dem Auszug seiner Partnerin immer noch „stark irritiert“ verhält.
Die durch die Handaufzucht verursachten Verhaltensstörungen, die während der gemeinsamen Zeit mit Nica weniger deutlich gewesen seien, würden plötzlich verstärkt auftreten, stellen die Tierpfleger fest. Nelly suche ständig ihre Nähe. „Und er versucht immer wieder durch das Tor, durch das Nica herausgetragen wurde, die Flughalle zu verlassen“, erzählt der Vereinsvorsitzende. „Als ob er hinterherfliegen will.“
Unverständlich und bedrückend empfinden Hans-Hermann Braune und seine Frau Elisabeth Willach-Braune, die das Papageienschutz-Centrum gegründet haben, vor dem Hintergrund das Verhalten des rechtmäßigen Besitzers von Nica. Beide unterstreichen, Papageien seien keine Haustiere, von Natur aus würde sich kein Papagei einem Menschen nähern.
Im Herbst 2007 hatte sich Nicas Besitzer an das Papageienschutz-Centrum gewandt. Er wollte seinen Graupapagei, der mit etwa 33 Zentimetern Körperlänge und bis zu 450 Gramm Gewicht zu den größten Papageien Afrikas zählt, dort unterbringen, da er sich nach seiner Aussage nicht mehr hinreichend kümmern konnte. Seinen Namen gibt der Bremer Verein nicht preis, um ihn nach Auskunft von Hans-Hermann Braune vor Repressalien oder gar tätlichen Angriffen von aggressiven Tierschützern zu schützen.
Da der Verein damals keinen freien Platz mehr hatte, wurde Nica an eine ältere Dame aus Bremen vermittelt, die seinerzeit für ihren Graupapagei eine Partnerin suchte. Richtig gefunkt hat es zwischen ihnen offensichtlich nicht. Zwar lebte das Paar in einer Voliere, aber ohne Nachwuchs.
Als Nicas Partner starb, entschloss sich die Rentnerin 2014 aufgrund ihres Alters und des mit der Tierhaltung verbundenen Aufwands, Nica dauerhaft dem Papageienschutz-Centrum zu übergeben. Doch nach einigen Wochen vermisste die Bremer Seniorin das Tier so sehr, dass sie es zurückhaben wollte.
Das habe der Verein zum Schutz des Tierwohls jedoch abgelehnt, berichtet Hans-Hermann Braune. Denn inzwischen hatte sich Nica in der naturnah gestalteten, 280 Quadratmeter großen und sechs Meter hohen Flughalle eingelebt, gut integriert in einem Schwarm von Graupapageien, und schon nach kurzer Zeit verpaart. „Bei Nica und Nelly hat es gefunkt“, erzählt Braune. Ihm zufolge waren sie unzertrennlich.
Die Rentnerin klagte daraufhin beim Amtsgericht Bremen auf Herausgabe. Als sich herausstellte, dass sie nicht die Eigentümerin des Papageis war, sondern Nica nur in Pflege genommen hatte, wurde die Klage abgewiesen. Einige Wochen später beschritt dann der rechtmäßige Eigentümer den Gerichtsweg, um den Graupapagei zurückzubekommen.
Das Amtsgericht Bremen verurteilte den Trägerverein des Papageienschutz-Centrums unter eigentumsrechtlichen Aspekten zur Herausgabe. Weil dieser jedoch der Ansicht war, dass Bestimmungen des Tierschutzgesetzes und Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Tierschutz zum Staatsziel erhebt, nicht beachtet wurden, landete der Fall vorm Bundesgerichtshof. Ohne Erfolg. Das Amtsgerichtsurteil wurde im März 2019 rechtskräftig.
Erst nachdem der Verein Nicas Eigentümer die Unterbringungs- und Versorgungskosten für den Graupapagei ab dem Tag der Urteilsgültigkeit in Rechnung gestellt hatte, reagierte dieser und wollte den Vogel im Januar dieses Jahres per Zwangsvollstreckung abholen, ohne die in Rechnung gestellten Kosten zu zahlen. Auf das Angebot des Papageienschutz-Centrums, auf das Geld zu verzichten, wenn er Nica dort ließe, ging er nicht ein. Daraufhin reichte der Verein die Vollstreckungsabwehrklage ein. Sie blieb wie die in dem Rahmen angesetzte Güteverhandlung erfolglos.
Nica durfte daraufhin noch sechs Monate bei ihrem Nelly im Findorffer Fluggehege bleiben. Und sein rechtmäßiger Eigentümer aus dem Landkreis Verden musste die bis dahin entstandenen Unterbringungs- und Versorgungskosten zahlen. Am 17. Oktober hieß es für das Papageien-Pärchen dann endgültig Abschiednehmen.
Das Papageienschutz-Centrum hat nach Auskunft von Hans-Hermann Braune anschließend das zuständige Veterinäramt über den Vorgang informiert und aufgefordert, die Papageienhaltung von Nica zu überprüfen. Ob es eine gegeben hat, ist nicht bekannt. Aus Gründen des Datenschutzes informieren Veterinärämter generell nicht über die Ergebnisse ihrer Überprüfungen und eventuell angeordnete Maßnahmen.
Papageienschutz-Centrum
1998 haben Hans-Hermann Braune und seine Frau Elisabeth Willich-Braune mit einer kleinen Gruppe von Papageienhalterinnen und -haltern den Trägerverein für das bundesweit einmalige Papageienschutz-Centrum Bremen gegründet. In den Räumen einer ehemaligen Gärtnerei in der Salzburger Straße 2a in Findorff haben die Tierschützer zwei Fluggehege für geschädigte Papageien eingerichtet, um den Vögeln ein artgerechteres Zuhause bieten zu können und über die unartgerechte Haltung aufzuklären. Seit Elisabeth Willach-Braune, Leiterin des Fluggeheges und zweite Vereinsvorsitzende, während einer Südamerika-Reise Mitte der 90er-Jahre die Vögel erstmals frei lebend gesehen hat, kann sie den Gedanken der Käfighaltung von Papageien nicht mehr ertragen.
Der Trägerverein hat bundesweit rund 100 Mitglieder. Zurzeit versorgen vier Tierpfleger 50 Papageien. Bis zu 66 Vögel können dort nach Auskunft von Hans-Hermann Braune untergebracht werden. Diese Kapazität kann nicht ausgeschöpft werden, weil der derzeitige Arbeitsaufwand fürs Personal schon an der Obergrenze liegt, um die Papageien gut versorgen zu können. Näheres über das Schutz-Centrum gibt es im Internet unter https://papageienschutz.de.
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