
„Wir sind kein Dienstleister einer bestimmten Behörde, sondern eine Profession im Dienst der Menschen und ihrer Grundrechte.“ Das sagt Mehlike Eren-Wassel von Vaja, dem Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit. Auf dem Fachtag „Jugend in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung – gefährlich oder gefährdet?“ sprachen Experten und Vertreter zivilgesellschaftlicher Beratungsorganisationen in einer Podiumsdiskussion am Donnerstag im Foyer des Theater Bremen über die Herausforderungen der Jugendarbeit im Bereich des religiös begründeten Extremismus.
„Die Frage nach der Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeitern und Sicherheitsbehörden – ja, nein, vielleicht – ist kein neues Thema“, sagt Eren-Wassel. „Die soziale Arbeit ist seit über 30 Jahren in verschiedenen Bereichen mit dieser Schnittstelle beschäftigt. Dazu gehöre unter anderem die Drogen- und Suchtarbeit sowie die Arbeit in der Bewährungshilfe. Mit der Präventionsarbeit zum religiös begründeten Extremismus habe diese Schnittstelle jedoch eine neue Dimension erreicht. Eren-Wassel und ihr Kollege David Aufsess richten sich mit ihrer Arbeit an Bremer Jugendliche, die sich mit Fragen zu ihrer Identität, ihrer Zugehörigkeit und ihrem Glauben auseinandersetzen.
Sie fahren in Schulen oder sprechen Jugendliche auf der Straße an. Kommen Jugendliche in Kontakt mit radikalem Gedankengut, etwa dem Salafismus, versuchen sie gemeinsam das Schwarz-Weiß-Denken und unreflektierte Aussagen aufzuarbeiten. Der Verein Vaja wurde von 2012 bis 2018 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert, nun wird er als Modellprogramm von „Demokratie leben“ des Bundesamts für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt. Das Beratungsangebot richtet sich auch an Eltern oder Angehörige.
Aufsess sagt, eine besondere Herausforderung seiner Arbeit liege darin, dass wenig Erfahrungswerte vorhanden seien. Beim Rechtsextremismus seien die Angebote zu Beratungsarbeit und Ausstiegshilfe in der Zivilgesellschaft entstanden. Die Arbeit im Bereich Salafismus und Islamismus sei im Gegensatz dazu erst auf Initiative der Sicherheitsbehörden entstanden – um ein Angebot für Eltern und Lehrer zu schaffen, die sich bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz gemeldet hätten.
Um die Erfahrungen der Sozialarbeiter mit den relevanten Behörden zusammenzuführen, wurde in Bremen „Kodex“ geschaffen, das „Kompetenzzentrum Deradikalisierung und Extremismusprävention“. Es ist bei der Innenbehörde angesiedelt, soll jedoch ressortübergreifend auch mit den Abteilungen Justiz, Soziales und Bildung zusammenarbeiten. Egbert Degwitz, zuständig für die Koordination bei „Kodex“, sagt, man verstehe sich als Netzwerk und Filter.
Ein Filter, der vor falschen Anschuldigungen und Stigmatisierung von Jugendlichen schützt. „Wir wollen gerade nicht, dass die Polizei direkt diesen Kontakt zu den zivilgesellschaftlichen Trägern so pflegt, wie das in anderen Bundesländern ist“, stellt Degwitz klar. „Wir wollen bewusst einen Filter dazwischen sehen.“ „Kodex“ könne bewerten, was der Staatsschutz wissen sollte – und was nicht. Die Idee gehe zurück auf Holger Münch, früher Staatsrat in Bremen, nun Präsident des Bundeskriminalamtes. Noch sei man zwar in der Findungsphase, er sei jedoch zuversichtlich, sagt Degwitz.
Esra Basha vom Projekt Pro Islam/Al-Etidal sieht darin eine Chance. Auch sie arbeitet mit muslimischen Jugendlichen, Eltern und Lehrern zu religiös begründetem Extremismus. „Ich glaube schon, dass es sinnvoll ist zusammenzuarbeiten, um alle Kompetenzen zusammen fließen zu lassen“, sagt sie über „Kodex“. Aufsess sieht das ähnlich. „Nach vielen Jahren, in denen in Bremen gar nichts passiert ist, ist das die Chance, verschiedene Akteure an einen Tisch zu bringen.“
Es müsse insbesondere geklärt werden, wie von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestufte Menschen diesen Status wieder loswerden könnten. Denn sonst drohe die Gefahr, den Betroffenen die Zukunft zu versperren. Aufsess sagt: „Das ist eine Aufgabe sozialer Arbeit, diese Grundrechte zu schützen. Da werden wir uns auch aktiv in diesen Runden einbringen.“
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