
Mit einer gewaltigen Detonation wie es sie zuletzt im Krieg gegeben hatte, explodierte Anfang Februar 1979 die Roland-Mühle an der Emder Straße im Holz- und Fabrikenhafen. Eine Katastrophe, die 14 Menschenleben forderte, 17 Personen zum Teil schwer verletzte, einen Sachschaden von 100 Millionen D-Mark verursachte und sich vielen Bremern ins Gedächtnis brannte. Noch heute, 40 Jahre später, sprechen damalige Hilfskräfte von einem ihrer schwersten Einsätze.
Am Abend des klirrend kalten 6. Februar gab es um 21.24 Uhr einen ohrenbetäubenden Knall in Walle, dem eine ungeheure Druckwelle folgte, die im Umkreis von 50 Metern tödlich war. Sie war bis in die Innenstadt zu spüren und soll sogar bis nach Lilienthal zu hören gewesen sein. Im Umkreis von zwei Kilometern gingen Fensterscheiben zu Bruch, näher am Unfallort wurden zentnerschwere Steinbrocken durch die Luft geschleudert, die benachbarte Industrieanlagen, Gebäude, Schiffe und Fahrzeuge beschädigten. Ein Sprecher der Feuerwehr sprach später von einer Explosionswucht, die 20 Tonnen Sprengkraft entsprochen habe.
Aufgeschreckte Augenzeugen befürchteten im ersten Moment einen Flugzeugabsturz, ein Erdbeben oder eine Bombenexplosion. Über die Notrufnummer 112 gingen Meldungen ein, wie „der Hafen ist explodiert“, „Kaffee Hag ist in die Luft geflogen“ und „die Roland-Mühle ist explodiert“. Polizei und Feuerwehr lösten Großalarm aus und beorderten alle verfügbaren Kräfte in den Hafen, das Technische Hilfswerk und Sanitäter rückten an. Den Hilfskräften bot sich ein verheerendes Bild: dichte Rauch- und Staubwolken über dem Gelände der Roland-Mühle, Steinbrocken und zerfetzte Eisenträger auf den Straßen, eingestürzte Gebäude und Anlagen und ein etwa zehn Meter hoher rauchender und brennender Trümmerberg, unter dem zahlreiche Verschüttete vermutet wurden.
Weil die Explosion sich zum Schichtwechsel abends um halb zehn ereignete, war zunächst unklar, wie viele Menschen sich auf dem Gelände befanden. Der erste Tote wurde noch in der Nacht geborgen, vier weitere Verunglückte fanden die Rettungskräfte im Laufe des Folgetages. Bei der verzweifelten Suche nach weiteren neun Verschütteten half die Wiesbadener Feuerwehr mit Suchhunden, die wegen des Winterwetters erst abends eingetroffen waren. Schweres Gerät der Bundeswehr wurde bei den Bergungs- und Aufräumarbeiten eingesetzt. Privatfirmen boten Hilfe an. Das Winterwetter machte allen Rettungskräften zu schaffen. Die Feuerwehr schoss am Tag nach der Explosion immer noch 20 000 Liter Löschwasser pro Minute in Brandnester, wegen der Kälte gefror das Wasser im Nu.
Am Tag nach der Explosion offenbarte sich das gesamte Ausmaß der Katastrophe: Das alte Mehlsilo, zwei Mühlen und das Verwaltungsgebäude waren vollständig zerstört, etliche Gebäude drumherum erheblich beschädigt worden. Noch bis Ende Februar kam es während der Löscharbeiten immer wieder zu Verpuffungen mit Stichflammen, im Inneren des Mehlsilos brannte es etwa drei Wochen lang. Ab Mitte März wurde das Mehlsilo abgerissen, während nebenan das neue Verladesilo gebaut wurde. „Der Einsatz ,Rolandmühle‘ endet am 12. April 1979 um 17 Uhr“, dokumentierten Feuerwehr und Polizei.
Zwölf Männer und zwei Frauen kamen bei dem Unglück in der Roland-Mühle ums Leben, darunter das Hausmeisterpaar und dessen 29-jährige Tochter und ein 24-jähriger Student, der dort vorübergehend jobbte. 17 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.
Wie die Untersuchungen ergaben, wurde die Katastrophe durch ein kleines Feuer ausgelöst, das zu der verheerenden Mehlstaub-Explosion führte. „Zunächst schien die Klärung der Explosionsursache in dem infernalischen Durcheinander unmöglich“, sagte Oberstaatsanwalt Hans Janknecht laut WESER-KURIER vom 24. Februar 1979. „Wir sind froh, es doch geschafft zu haben.“ In der menschenleeren Probenkammer des Wasserspeichers am Hafenbecken war demnach kurz nach 21 Uhr ein kleines Feuer ausgebrochen – vermutlich verursacht durch einen Kabelbrand in der Radiatorenheizung.
Schnell brannte auch die abgehängte Holzdecke. Das Verhängnisvolle: Über eine Sackrutsche und ein Förderband war der Brandherd im Keller mit dem entfernt gelegenen Mehlspeicher verbunden. „Schon im Wasserspeicher gab es die ersten Verpuffungen. Sie pflanzten sich über die Brücke in die Mühlenanlagen fort“, sagte ein Kriposprecher. Dadurch wurde immer wieder Mehlstaub aufgewirbelt und es wurden kleinere Explosionen ausgelöst. Im Mehlspeicher wurde gerade ein Lastwagen beladen, deshalb hingen Mehlstaubwolken in der Halle. Das entzündliche Gemisch aus Mehlstaub und Sauerstoff explodierte. Mit den bekannten Folgen. Der Lastwagenfahrer entkam dem Inferno, weil er geistesgegenwärtig aufs Gaspedal trat und mit seinem Fahrzeug das Speichertor durchbrach.
Beim Wiederaufbau der Roland-Mühle, die ursprünglich 1897 als Dampfmühle im Bremer Holz- und Fabrikenhafen errichtet worden war, wurde nach Firmenangaben modernste Sicherheitstechnik berücksichtigt. Die Bremer Roland Mühle Erling GmbH & Co. KG (Roland Mills Nord im Verbund Roland Mills United) beschäftigt heute 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verarbeitet etwa 350 000 Tonnen Getreide pro Jahr.
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