
Für Thomas Gerbert-Jansen hat die Corona-Pandemie eine besondere Prüfung bereit gehalten. Der Leiter des Pflegeheims Haus Weserhof in Woltmershausen musste erleben, wie sich in diesem Januar nach und nach 92 der 137 Bewohner mit dem Virus infiziert haben, 19 von ihnen sind schließlich verstorben. „Allein 15 davon lebten in einem einzigen Gebäudetrakt. Das geht nicht spurlos an einem vorüber“, sagt der 54-Jährige. Auch 44 seiner Mitarbeiter waren von der Infektion betroffen.
Für Carmen Kellner ist der Corona-Ausbruch in dem Pflegeheim im Bremer Süden einer von insgesamt 133 seit März vorigen Jahres. „Es war der bislang größte mit den meisten Ansteckungen und Todesfällen.“ Bei Kellner im Landeskompetenzzentrum Infektionsepidemiologie des Bremer Gesundheitsamtes werden nicht nur sämtliche Corona-Daten zusammengebracht, hier wurden auch die bislang zwölf Leitfäden für die Hygieneanforderungen währen der Pandemie in den Heimen erstellt. „Wir haben alle stationären Pflegeeinrichtungen im ersten Halbjahr 2020 besucht, uns die Situation vor Ort angeschaut und auf dieser Grundlage unsere Empfehlungen entwickelt“, erklärt Kellner. Das Ziel sei natürlich gewesen, Infektionen in den Einrichtungen möglichst zu verhindern. Aber wenn man die Heime nicht komplett abkapsele, sei eigentlich immer klar gewesen, dass sich das kaum verwirklichen lasse.
Bei der Zwischenbilanz von 133 Ausbrüchen in 88 Einrichtungen bis Ende Januar hat es einige Häuser in den zurückliegenden Monaten gleich mehrfach getroffen. „Den wenigsten Betreibern kann man deswegen aber Vorwürfe machen“, sagt Kellner. Eine Analyse des Geschehens seit März ergibt, dass die Situation in den Heimen ziemlich genau dem allgemeinen Pandemie-Verlauf folgt. Als die Infektionszahlen im November am höchsten waren, gab es auch die meisten Infizierten unter den Heimbewohnern: In 49 Häusern waren insgesamt 231 Senioren erkrankt, in zehn Einrichtungen davon gab es jeweils mehr als zehn Betroffene.
Überproportional war dieses Infektionsgeschehen in den Häusern nicht. Das bedeutet: In den drei Monaten November, Dezember und Januar mit den bislang höchsten Infektionszahlen lag der Anteil der Heimbewohner unter allen Corona-Infizierten durchgehend bei etwas mehr als fünf Prozent. Das entspricht zugleich recht genau ihrem Bevölkerungsanteil in Bremen. „Die Bewohner in den Pflegeeinrichtungen sind am besten geschützt, wenn die Infektionszahlen insgesamt sinken“, sagt Kellner.
Die Folgen der Infektionen sind in den Heimen ungleich fataler: Der Anteil der an oder mit Corona verstorbenen Bewohner unter allen Covid-19-Toten liegt in Bremen zehnmal höher als ihr Anteil an den Infizierten. Im April und November waren mehr als 75 Prozent der in Bremen im Zusammenhang mit der Infektionskrankheit Verstorbenen Heimbewohner. Insgesamt über das gesamte Jahr betrachtet beträgt ihr Anteil an den Infektionen 4,5 Prozent, ihr Anteil an den Corona-Toten aber fast 50 Prozent.
Mit umfangreichen Regeln, Testverordnungen und Hygienevorgaben stemmt man sich im Gesundheitsamt gegen das Geschehen. Die Behörde arbeitet dabei intern mit einem Ampelsystem. So wird die Gesamtsituation in den Einrichtungen bewertet. „Bei 95 Prozent der Heime stehen die Zeichen auf grün, nur ganz wenige haben ein Rotlicht“, sagt Kellner. Dort allerdings seien fundamentale Defizite zu beklagen. „Da fehlt dem Personal hygienisches Grundwissen, Desinfektionsmittel wird nicht benutzt, Schutzkleidung nicht gewechselt“, sagt Kellner. Bisher haben Gegebenheiten wie diese in sechs Fällen zu einer formellen Anordnung von Schutzmaßnahmen geführt. Zweimal hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen, weil die Verfehlungen in den Einrichtungen als grob fahrlässig eingeschätzt wurden. Beide Verfahren laufen derzeit noch.
Beim letzten größeren Ausbruchsgeschehen in Woltmershausen lagen die Probleme nach Angaben von Heimleiter Gerbert-Jansen woanders. In dem Heim wohnten viele an Demenz Erkrankte sowie Menschen, die es schon vorher im Leben nicht leicht gehabt haben, etwa ehemalige Wohnungslose oder langjährige an Alkoholsucht Erkrankte, sagt Gerbert-Jansen. „Die Einsicht in notwendige Quarantäne-Maßnahmen ist bei unseren Bewohnern nicht immer gegeben.“
Er erinnert sich an einen Bewohner, der darauf bestanden habe, weiterhin im Speisesaal zu essen und gegenüber dem Pflegepersonal auch schon mal ausfallend geworden sei, wenn seine Vorstellungen nicht erfüllt wurden. Nur mit gutem Zureden habe man ihn davon überzeugen können, in seinem Zimmer zu essen. „Aber auch das hat nicht immer geklappt“, sagt Gerbert-Jansen. Und Barrieren wie beispielsweise Absperrbänder oder umgestellte Möbel könnten Demenzerkrankte mit hohem Bewegungsdrang nicht immer in ihrem jeweiligen Gebäudeteil halten. Für Leitung und Pflegekräfte bedeutet es eine weitere zusätzliche Aufgabe, die gefährdeten Bewohner daran zu hindern, die notwendigen Schutzmaßnahmen im Wortsinne zu unterlaufen.
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