
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bei seinem Antrittsbesuch in Bremen für die Eigenständigkeit des kleinsten Bundeslandes ausgesprochen. Demokratie sei „mehr als Effizienz und Bürokratie“. Sie berühre auch die Identität der Bürger. „Deshalb sehe ich derzeit nicht, dass Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein einen Nordstaat bilden werden“, sagte Steinmeier während eines Redaktionsbesuchs beim WESER-KURIER.
Der Bundespräsident war am Dienstagvormittag zu einem zweitägigen Besuch in der Hansestadt eingetroffen, der ihn an diesem Mittwoch auch nach Bremen-Nord und Bremerhaven führen wird. Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender wurden am Vormittag zunächst im Rathaus empfangen. Das Präsidentenpaar nahm dort an einer Sitzung des Senats teil, bei der es schwerpunktmäßig um die Anstrengungen des Stadtstaates bei der Integration von Flüchtlingen ging. Zweite Station war ein Besuch in der Bürgerschaft. Dort trug sich Steinmeier ins Goldene Buch ein. Er hätte es bei diesem protokollarischen Termin im Parlament bewenden lassen können, doch der Bundespräsident wollte dort, wo das politische Herz Bremens schlägt, ein Zeichen setzen. Deshalb hatte die Bürgerschaft auf seinen Wunsch hin 83 Jugendliche aus verschiedenen Projekten und Initiativen zu einer Diskussion mit dem Staatsoberhaupt eingeladen.
Dass er auf die junge Generation als Trägerin der Demokratie setzt, daran ließ Steinmeier im Gespräch mit den Jugendlichen keinen Zweifel. Als ein Mädchen berichtete, sie werde von Gleichaltrigen wegen ihres gesellschaftspolitischen Interesses manchmal „komisch angeschaut“, bestärkte sie der Bundespräsident ausdrücklich, in ihrem Engagement nicht nachzulassen. „Wer aus der Sofaecke rausgeht und sich mit Leuten über gesellschaftliche Fragen unterhält, der macht eigentlich schon Politik“, sagte Steinmeier. Kontrovers wurde die Runde nur kurz, als ein Jugendlicher die Ansicht vertrat, Politiker wollten die nachwachsende Generation „klein halten“. Das sei ganz und gar nicht sein Eindruck, entgegnete Steinmeier. Die meisten Politiker suchten ausdrücklich den Kontakt zu jüngeren Menschen – auch wenn klar sei, dass der Dialog heute anders geführt werden müsse als im analogen Zeitalter. „Wir fragen uns: Wie gewinnen wir in Zeiten der sozialen Medien noch einen Zugang zu euch?“, so Steinmeier.
Auf seine eigene Mediennutzung wurde der Bundespräsident am Nachmittag während seines Redaktionsbesuchs beim WESER-KURIER angesprochen. „Andere Präsidenten twittern – ich möchte da in keinen Wettbewerb eintreten“, scherzte Steinmeier mit Blick auf US-Präsident Donald Trump und dessen oft kontroverse Äußerungen beim Kurznachrichtendienst Twitter. Rund eine Stunde lang stellte sich der Bundespräsident den Fragen der Journalisten. Ein inhaltlicher Schwerpunkt war dabei der Wandel der politischen Kultur. Frank-Walter Steinmeier sah die Demokratie durch den Aufstieg des Populismus zwar nicht grundsätzlich bedroht, er warnte aber vor einer „Verleumdung des Kompromisses“. Einer Gesellschaft, „die immer nur zwischen Zustimmung und Ablehnung schwankt“, fehle der demokratische Dialog. Auch auf das diffizile Verhältnis von Medien und Politikern ging der Bundespräsident ein. Er wünsche sich „von Journalisten hin und wieder eine stärkere Akzeptanz von Menschen, die sich in Verantwortung begeben, und dabei auch angreifbare Entscheidungen treffen“.
Am Abend richtete der Senat in der Oberen Rathaushalle für das Staatsoberhaupt einen Empfang mit mehreren hundert Vertretern des öffentlichen Lebens aus. In seiner Ansprache als Gastgeber beschrieb Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) das Bundesland Bremen als ein Gemeinwesen mit „vielen Herausforderungen“, das aber auch manch Positives vorzuweisen habe, unter anderem ein Wirtschaftswachstum in der Spitzengruppe der Bundesländer. Die finanziellen Spielräume, die Bremen ab 2020 durch die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs erhalte, wolle man nutzen, um „nicht nur in Beton, sondern in die Köpfe zu investieren“. Frank-Walter Steinmeier setzte in seiner Rede einen thematischen Schwerpunkt, der bereits am Nachmittag bei einem Besuch in der Handelskammer zum Ausdruck gekommen war: die berufliche Bildung. Damit die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung anhalte, bräuchten Bremen und Deutschland qualifizierten Nachwuchs gerade auch im nicht-akademischen Bereich. Es gelte, „Wertschätzung für die berufliche Ausbildung wiederherzustellen“.
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