
Wie viel kostet Demokratie? Was die bauliche Infrastruktur angeht, lässt sich dieser Betrag seit Freitag recht genau beziffern. Gegen die Stimmen der CDU haben die Haushälter der Bürgerschaft beschlossen, rund 1500 Quadratmeter Auszählfläche für Bürgerschafts- und Bundestagswahlen im früheren Postamt 5 bis 2024 anzumieten: für insgesamt 828.000 Euro. Es gab Streit darüber, ob günstigere Alternativen verfügbar wären und ob diese Frage zuvor ausreichend geprüft wurde.
Das Wahlamt, das Teil des Statistischen Landesamtes (Stala) ist, nutzt die Räumlichkeiten mit längeren Unterbrechungen seit 2011. Damals hatte Bremen auf ein neues Wahlrecht umgestellt, das einen deutlich erhöhten Aufwand bei der Auszählung der Stimmen mit sich brachte. Zuletzt ackerten bei der Bürgerschafts- und Beiratswahl am 26. Mai über 500 Auszählhelfer mehrere Tage lang fast rund um die Uhr, bis ein amtliches Endergebnis vorlag.
Die Nutzung des Postamtes 5 durch das Stala beschränkt sich allerdings nicht auf wenige Tage oder Wochen vor und nach einer Wahl. Mit den notwendigen Um- und Aufbauten wird bereits Monate vor einem solchen Termin begonnen. In der Zeit bis 2024 stehen die Bundestagswahl 2021 und die Bürgerschaftswahl 2023 an, außerdem der Zensus 2021 – eine große statistische Erhebung zur Frage, wie die Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten.
Im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft stellten Vertreterinnen des Stala den Sachverhalt so dar, dass es im gesamten Mietzeitraum bis 2024 wohl nur relativ kurze Zeitspannen von jeweils einigen Monaten geben werde, in denen die 1500 Quadratmeter große Auszählfläche komplett brach liegt. Außerdem, so Stala-Verwaltungsleiterin Carola Janssen, müsse man stets auch auf vorgezogene Neuwahlen vorbereitet sein. In Bremen betrage die Zeit für die Vorbereitung eines solchen Urnengangs nur 70 Tage. So kurzfristig ein anderes geeignetes Quartier für die Stimmauszählung zu finden, sei kaum möglich. Janssen riet den Haushältern deshalb sehr zur Bewilligung der Gelder für einen Mietvertrag bis 2024.
Den Ausschussvorsitzenden Jens Eckhoff (CDU) konnte sie damit nicht überzeugen. Er geriet angesichts der Kosten von gut 0,8 Millionen Euro sogar regelrecht in Rage. „Für dieses Geld könnte man ja die Königsalm anmieten oder irgendwelche Luxuszelte samt Catering“, warf er den Stala-Vertretern an den Kopf. Auch das Argument der räumlichen Nähe zum Wahlamt ziehe nicht. Zum Verständnis: Das alte Postamt 5 liegt gegenüber der Behörde an der Straße An der Weide. In Zeiten digitaler Vernetzung könne es kein Problem sein, die Stimmauszählung auch an einem Standort in den zentrumsferneren Stadtteilen durchzuführen und dort eine geeignete alternative Immobilie für deutlich weniger Geld zu finden, argumentierte der Christdemokrat. Eckhoff monierte zudem, dass vom Statistischen Landesamt gar nicht erst der Versuch unternommen worden sei, sich nach etwas Günstigerem umzuschauen. So ist es auch der Beratungsvorlage der Innenbehörde für die Haushälter der Bürgerschaft zu entnehmen. Darin wird eingeräumt, dass „keine Mietflächensuche am freien Markt durchgeführt“ wurde.
Für seine Kritik an der Unterzeichnung eines neuen Mietvertrags mit dem Münchener Privateigentümer des einstigen Postamtes fand Eckhoff indes kaum Unterstützung. Aus Sicht der Liberalen wäre es sogar eine gute Idee gewesen, einen noch längeren Vertrag abzuschließen und auf diesem Weg eventuell etwas günstigere Konditionen aushandeln zu können, wie FDP-Haushälter Thore Schäck meinte. Für die Sozialdemokraten erkundigte sich Arno Gottschalk, ob eine Zwischennutzung durch Untermieter während der Leerstandsphasen denkbar sei. Dies wurde von den Vertretern des Statistischen Landesamtes zwar nicht ausgeschlossen, aber als unwahrscheinlich bezeichnet.
Letztlich stimmte der Haushaltsausschuss mit breiter Mehrheit für einen Mietvertrag bis 2024. Kuriosum am Rande: Tags zuvor hatte die Innendeputation der Bürgerschaft sogar einstimmig für diese Lösung votiert, also einschließlich der CDU-Vertreter. Zwei von ihnen waren am Freitag auch im Haushaltsausschuss vertreten. Sie hatten über Nacht offenbar einen Sinneswandel vollzogen.
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