
Im Vorgespräch hatten es die beiden Abfallberater Olaf Pinnow und Rainer Schnepf noch betont. So einfach sei es manchmal nicht mit der Beratung. Eine wilde Müllkippe vor einem Haus ausmachen? Oder eine falsch platzierte Mülltonne? Kein Problem. Aber wie das Gefundene dann jemandem korrekt zuordnen? „Da stehen Sie plötzlich vor 20 Klingeln. Wen sprechen Sie jetzt an?“, erklärte Pinnow. „Wenn die Klingeln denn überhaupt funktionieren“, ergänzte Schnepf. „Und wenn Sie sich dann in das Treppenhaus reintrauen, so baufällig wie manche von denen sind. Nicht zu vergessen, die sprachlichen Barrieren, die es manchmal gibt...“
Die Bestätigung folgt auf dem Fuße. Gröpelinger Heerstraße, ein Dienstagmorgen, etwa eine Stunde nach dem Vorgespräch: Am Straßenrand steht eine prall gefüllte gelbe Tonne. Plastikmüll, aber auch anderer Abfall, quillt aus dem halb geöffneten Deckel. Abfuhrtag für die Tonne ist erst in einer Woche. Der Hinterhof, aus dem die Tonne stammt, bietet einen trostlosen Anblick. Weiterer Müll liegt herum, Tüten, ein verschimmelter Teppich. Nur eine Klingel an der Eingangstür, aber zwölf Namen an zwei Briefkästen.
„Na, dann wollen wir mal“, sagt Pinnow. „Gibt ja nur eine Klingel.“ Eine Frau erscheint, hinter ihr ein junger Mann. „Kein Deutsch“, sagt sie, als der Abfallberater sie anspricht, um sich nach der Tonne oben an der Straße zu erkundigen. Eine Nachbarin kommt hinzu, sie spricht ein wenig Deutsch. Mit ihrer Hilfe und einem mehrsprachigen Flyer zum Bremer System der Müllabfuhr versucht Pinnow, den beiden Bewohnern zu erklären, dass der Plastikmüll erst in der kommenden Woche abgeholt wird. Die Frau und der Mann nicken verständig, sagen immer wieder „Okay“ und „Dankeschön“, aber ihren Blicken ist anzumerken, dass sie kein Wort verstehen.
Pinnow ist noch etwas anderes aufgefallen. „Sagen Sie mal, wo ist eigentlich Ihre schwarze Restmülltonne?“, fragt er mit suchendem Blick über den Hinterhof. „Sie haben keine“, übersetzt die Nachbarin. Und wohin dann mit dem Müll? „Einfach nach vorne an die Straße.“
Weiter geht es an dieser Stelle nicht. Doch der Hauseigentümer wird in Kürze von der Bremer Stadtreinigung hören. Vielleicht auch von anderen Behörden. Ein Thema werden dann die Mülltonnen sein. Ein anderes die Zahl der Mieter in diesem Haus.
Dreimal die Woche ist das Zweierteam aus dem Referat Leistungscontrolling der Stadtreinigung in Gröpelingen unterwegs, außerdem je einen Tag in Walle und in Findorff. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst den Bremen Westen. Den Rest der Stadt teilen sich zwei andere Duos. Seit März gibt es diese Form der Beratung in Bremen.
Auf ihren Streifzügen durch den Stadtteil notieren sie, wo Missstände auftreten. Das kann zu einem Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit führen. Doch darum kümmern sich nachgeordnete Stellen. Die eigentliche Aufgabe der beiden Männer ist eng an ihrer Berufsbezeichnung angelehnt: Abfallberater. „Wir sind die Guten“, betont Rainer Schnepf. „Wir wollen helfen und die Leute durch unsere Beratung unterstützen.“
Keine einfache Aufgabe, das Thema ist sensibel. „Aber wenn man den Menschen freundlich und respektvoll begegnet, ist das eigentlich kein Problem.“ Zumal es häufig auch einfach nur um fehlendes Wissen um das System der Müllentsorgung gehe.
Auch hierfür folgt beim Rundgang durch Gröpelingen die Bestätigung. In der Lindenhofstraße stehen vor einer Moschee vier gelbe Säcke am Straßenrand. Alle mit Laub gefüllt. Wie sich herausstellt, fegt jemand aus der Moschee regelmäßig den Bürgersteig, füllt das Laub in die Säcke, die ein anderer kurz darauf abholt. Während in der Nachbarschaft haufenweise Laub herumliegt, ist der Bürgersteig vor der Moschee blitzblank sauber. Also eigentlich alles in Ordnung. Wenn für den Abtransport nur nicht die für Plastikmüll gedachten gelben Säcke benutzt würden. Aber das kann man ja freundlich erklären. Genau das tun Pinnow und Schnepf, damit ist die Sache dann auch schon erledigt.
Anders liegt der Fall bei den vielen Müllsäcken, die im wahrsten Sinne des Wortes haufenweise entlang der Gröpelinger Heerstraße zu finden sind. Immer wieder stößt das Beraterduo auf zwei, drei oder mehr Säcke. An einem Baum an der Ecke zur Danziger Straße liegen und stehen außerdem mehrere Kartons mit Papiermüll, eine Bettdecke und kaputte Plastikabdeckungen. „Eine Dauerproblemstelle“, erzählt Pinnow. „Wir haben hier schon an jeder Tür geklingelt und mit allen Anwohnern gesprochen, aber wir wissen einfach nicht, woher der Müll kommt.“
Die Abfallberater notieren und fotografieren die Stelle, später werden sie das weitergeben, damit sich jemand drum kümmert. Dann markieren sie den Müll mit einem Stück Flatterband. „Wir ermitteln“, ist darauf zu lesen und soll andere potenzielle Umweltfrevler abschrecken. Aber es gibt auch deutlich schärfere Maßnahmen. „Wir haben die Möglichkeit, die Säcke in die Deponie zu bringen, wo der Inhalt dann genau nach Hinweisen auf den Besitzer durchsucht wird“, erklärt Meike Ahrens-Drost, Leiterin des Referats Leistungscontrolling. Aus Kapazitätsgründen könne man diese Kontrollen zwar nur stichprobenartig durchführen, „aber einen Verursacher finden wir an so einen Tag immer“.
An der Ecke zur Adelenstraße steuert das Beraterduo Teile eines blauen Sofas an, die dort an einem Zaun stehen. Pinnow blättert in einer Liste, gibt dann Entwarnung. „Alles in Ordnung, ist angemeldeter Sperrmüll.“ Während er die Liste wieder in der Tasche verstaut, bremst ein Radler neben ihm ab. „Ich muss euch mal eben ein Lob aussprechen. Echt gut, dass ihr das hier macht.“
Er ist an diesem Morgen nicht der Einzige, der freundliche Worte für die Mitarbeiter der Stadtreinigung hat. Die beiden Berater werden wahrgenommen in Gröpelingen. Positiv wahrgenommen. Entsprechend fällt das Echo aus. Für Olaf Pinnow liegt das auf der Hand: „Egal, woher die Leute kommen, keiner will in einem vermüllten Umfeld leben.“
Angesprochen werden die beiden aber auch immer wieder, weil Bürger sie auf etwas hinweisen wollen. Auf eine entsorgte Autobatterie, auf ein abgemeldetes Fahrzeug, das seit Wochen am Straßenrand steht, auf ein unbewohntes Grundstück, das mehr und mehr zumüllt. Nicht für alles sind die Müllberater zuständig, aber hinter ihnen stehen andere Abteilungen der Stadtreinigung, des Ordnungsdienstes und der Innenbehörde.
Die werden im nächsten Fall nicht benötigt. An der Straße steht eine weitere gelbe Plastikmülltonne, beladen noch dazu mit einer gut sichtbaren Tüte voller verrosteter Gartenleuchten. Mit routiniertem Blick scannt Olaf Pinnow die Nachbarschaft ab, registriert, bei wem in der Reihe der Abfalltonnen das gelbe Exemplar fehlt und klingelt dort. Eine ältere Dame öffnet die Tür. Ja, das sei ihre Tonne. „Warum, gibt es ein Problem?“ Nein, gibt es nicht. Wie sich herausstellt, hat die Seniorin sich schlicht in der Woche vertan. Ärgerlich bleibt aber die Sache mit den Gartenleuchten. Nein, sagt die Seniorin, die kämen nicht von ihr. „Wirklich nicht. Ich weiß nicht, wie die in meine Tonne kommen.“
Dabei ist die Erklärung ganz einfach. „Müll ist magnetisch“, sagt Rainer Schnepf: Sobald irgendwo Müll liegt, legen andere ihren dazu. Der alten Dame bleibt in diesem Fall trotzdem nichts anderes übrig, als die Leuchten in ihrem Restmüll zu entsorgen.
Am Ende des Tages stehen nach sieben Kilometern Fußweg zwölf illegale Ablagestellen mit zusammen rund fünf Kubikmetern Restmüll zu Buche, dazu diverse überfüllte oder falsch bereitgestellte Mülltonnen. 29 Beweisfotos haben die Abfallberater geschossen, acht Flyer und zwei Abfallkalender ausgegeben. Und, ihnen besonders wichtig: 19 Beratungsgespräche geführt. Getreu dem eigenen Motto: „Wir wollen den Leuten helfen.“
Konkrete Maßnahmen
Dem Bremer Stadtteil Gröpelingen haftet ein negatives Image an. Eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Bremer Behörden und zahlreichen engagierten Akteuren vor Ort will daran mit konkreten Maßnahmen etwas ändern. Der WESER-KURIER begleitet dieses Projekt und wird darüber in einer Artikelserie berichten, die in loser zeitlicher Abfolge erscheint.
Über 2000 Beratungsgespräche
Seit Ende März gehen die Abfallberater der Stadtreinigung durch alle Bremer Stadtteile. Fünf bis zehn Kilometer legen sie dabei täglich im Schnitt zu Fuß zurück. Sie sind aber auch mit dem Fahrrad unterwegs – etwa 4000 geradelte Kilometer stehen für das erste halbe Jahr für die drei Zweierteams zu Buche. Über 2000 Beratungsgespräche wurden geführt, davon rund 500 in Gröpelingen, außerdem 1250 der mehrsprachigen Flyer verteilt. Im gesamten Stadtgebiet wurde in diesem Zeitraum 1474 Fälle von illegaler Müllentsorgung verzeichnet, dabei insgesamt 1263 Kubikmeter Restmüll gefunden.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.