
An ihr erstes Zusammentreffen können sich Stephan Gramann und Thomas Rutka noch gut erinnern. „Ich mochte ihn nicht besonders“, sagt Gramann und lacht. Und Rutka: „Stephan war jemand, der seine Grenzen ganz genau austesten wollte.“
Gramann muss zu dieser Zeit etwa zwölf Jahre alt gewesen sein, erinnert sich der heute 33-Jährige. Seine Eltern, Gramann nennt sie nur seine Erzeuger, hätten ihn nie gut behandelt. Irgendwann sei es ihm zu schlimm geworden. „Nach einer kurzen Zeit in der Notaufnahme bin ich dann in eine Wohngruppe ins St.-Theresienhaus gezogen“, sagt er.
Dort begegnet er dem Sozialpädagogen Thomas Rutka. Er ist der erste Mensch in seinem Leben, der ihm klare Grenzen setzt und sie ihm so vermittelt, dass er als Jugendlicher sie auch versteht. „Ich brauchte das auch und mochte es überhaupt nicht, wenn Betreuer stundenlang mit mir über meine Probleme reden wollten. Kuschel-Pädagogik hat bei mir nicht geholfen“, erzählt Gramann von seiner Zeit in der Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung.
So anstrengend die anfänglichen Kämpfe für beide gewesen sein mögen, mit der Zeit sei daraus etwas Besonderes gewachsen. Während das Verhältnis zwischen dem Jungen und dem Sozialpädagogen immer besser wurde, konnte sich Gramann dennoch nicht in die Wohngruppe integrieren. „Wenn er etwas wollte, hat er immer wieder eins drauf gesetzt“, erinnert sich Rutka. Dem damaligen Heimleiter des St.-Theresienhauses sei deshalb die Idee gekommen, dass Thomas Rutka eine Erziehungsstelle übernimmt, die damals noch relativ neu war.
Auf den Sozialpädagogen ist Verlass
Rutka wagte es, jedoch nicht ohne Bedingungen, die er an den Jugendlichen stellte. „Wenn du vor hast, weiter die Schule zu verweigern, brauchst du gar nicht bei mir einzuziehen, habe ich damals gesagt“, so Rutka. „Es kann viel scheitern, aber ich mag nicht, wenn jemand nur so tut als ob.“ Für Stephan Gramann war dieser Ansatz genau das Richtige. Er zog zu dem Alleinstehenden und ging regelmäßig zur Schule.
Eine Sache brachte die beiden noch näher zusammen: Rutka nahm den Jugendlichen immer wieder mit in den Verein Maritime Tradition Vegesack Nautilus, in dem er selbst Mitglied ist. Gramann entdeckte dadurch die Seefahrt für sich und machte nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker. Dabei habe er gemerkt, wie sehr er sich auf den Sozialpädagogen verlassen kann.
Rutka setzte sich immer wieder dafür ein, dass Gramann Praktika machen durfte und besuchte ihn während seiner Ausbildungszeit in fast allen Häfen, in denen Gramann mit dem Schiff anlegte. „Das hat mir eine unglaubliche Sicherheit gegeben“, sagt der 33-Jährige. So viel Sicherheit, dass Gramann es irgendwann in die weite Welt zog.
Mittlerweile war er mit Containerschiffen unter anderem in Südostasien und Südamerika unterwegs. Und er ist verheiratet. Für einige der Jugendlichen, die Rutka heute in der Erziehungsstelle aufnimmt, ist Gramann so etwas wie ein großer Bruder – und ein Vorbild.
Der 33-Jährige ist noch regelmäßig bei Rutka zu Besuch, auch an Feiertagen wie Weihnachten sehen sie sich. „Am Anfang war Thomas mein Betreuer. Er und seine Eltern sind mittlerweile meine Familie geworden“, sagt Gramann. Rutka ist es wichtig, zu betonen, dass das bei den Erziehungsstellen nicht unbedingt selbstverständlich ist. „Wir gehen mit den Eltern nicht in Konkurrenz. Das, was sich zwischen uns entwickelt hat, war Stephans Entscheidung und dann war das auch in Ordnung. Ich hätte das nicht einfordern können“, sagt der 55-Jährige.
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