
„Ich bin froh, dass ich das Glück hatte, beide Systeme kennenzulernen und dadurch einen doppelten Blick zu haben“, sagt Gabriela Maria Schmeide. Sie fügt hinzu: „Bautzen ist meine Heimat, aber Bremen ist mein Zuhause.“ Und das seit mittlerweile 25 Jahren. Damals wurde Schmeide als junge Schauspielerin vom damaligen Generalintendanten Klaus Pierwoß für das Bremer Theater engagiert. „Ich bin einfach zu ihm ins Büro und habe gefragt, ob er mich mitnimmt“, erinnert sie sich.
Pierwoß war zu jener Zeit Chefdramaturg am Maxim Gorki Theater und verpflichtete gleich einen ganzen Schwung von Absolventen der renommierten Ostberliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch für Bremen. Das habe bei dem damaligen, aus Westdeutschen bestehenden Ensemble durchaus für Irritationen gesorgt, erinnert sich Schmeide. Die Berliner Schauspieler hätten damals im „Saxofon“ am Ostertorsteinweg zusammen gesessen und Lieder aus ihrer Kindheit gesungen. „Diese Ostalgie war unsere Art, um uns hier zu Hause zu fühlen“, sagt sie. Und weiter: „Ich fürchte, wir sind die reinste Lawine gewesen. Das war nicht immer leicht für unsere Kollegen.“
Gewisse Ost-West-Befindlichkeitsstörungen habe es zuvor auch an der berühmten Brecht-Bühne Berliner Ensemble gegeben, die von einem Triumvirat geleitet wurde: Aus dem Westen kamen damals Peter Palitzsch und Peter Zadek ans Berliner Ensemble, die ihrerseits Schauspieler aus den alten Bundesländern mitbrachten. „Die Stimmung war schlecht. Viele unserer ostdeutschen Kollegen haben sich damals wie Schauspieler zweiter Klasse gefühlt“, blickt Schmeide zurück. Kein gutes Klima für die Weiterentwicklung kreativer Kräfte. Nach drei Jahren war es Zeit für sie, zu gehen.
Für Zadek war die Kündigung der jungen Schauspielerin nach ihren Angaben ein Affront. In Bremen sei alles ganz anders gewesen. „Klaus Pierwoß hat mir immer den Rücken gestärkt. Die Stimmung war bei dem Neuanfang mit ihm so sinnlich und energiegeladen, davon zehre ich heute noch„, sagt Schmeide. “Ich denke immer noch: ,Toll, dass ich das damals so gemacht habe, denn das war eine wichtige Zeit in meinem Leben.'“
Die Schauspielerin avancierte in Bremen schon bald zum Publikumsliebling. Schmeide wurde mit dem Silbernen Roland der Volksbühne und dem Kurt-Hübner-Preis ausgezeichnet und bedankte sich, indem sie Lieder aus ihrer sorbischen Heimat sang. Mit ihrer Familie, von der ein Großteil noch in Bautzen lebt, spreche sie noch immer Sorbisch, sagt die Schauspielerin.
Fünf Mal pro Jahr reist sie demnach in ihre alte Heimat. Auch am Deutsch-Sorbischen Volkstheater habe sie noch immer Freunde. „Ich kenne da ganz viele kreative, offene Leute“, sagt sie. Aber sie kenne dort auch Menschen, die verbittert seien. Mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die ebenfalls aus Ostdeutschland stammt, ist Schmeide der Meinung, dass da nur eines helfe: immer wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und einander zuzuhören.
Im Umkehrschluss bedeute das für die Ostdeutschen aber auch, die eigenen Scheuklappen abzulegen. Ein bisschen mehr Weltoffenheit würde sie sich wünschen, sagt die Schauspielerin. Erstaunlich findet sie es, dass das Trauma, angeblich abgewickelt worden zu sein, auch in der Generation, die erst nach dem Mauerfall geboren wurde, immer noch tief verwurzelt ist.
Dass Schmeide – noch vor Berlin und Bremen – als junge Frau am Theater in Bautzen landete, ist eher einem Zufall geschuldet und resultiert aus den sehr speziellen Bedingungen in der DDR. „Eigentlich wollte ich ja Medizin studieren und Kinderärztin werden", erinnert sie sich. Aber damit sei es vorbei gewesen, als ihr Vater von einer Familienfeier im Westen nicht mehr nach Hause zurückgekehrt sei. Fortan habe der damals 17-Jährigen der Makel der Tochter eines Republikflüchtlings angehaftet. So stand es nach eigenen Angaben auch in den Zeugnissen der Einser-Abiturientin vermerkt.
Das bekam Schmeide auch zu spüren, als sie sich um einen Studienplatz im Fach Psychologie bewarb – und abgelehnt wurde. „Ich konnte meinen Vater nach und nach immer besser verstehen", sagt Schmeide. Dieser habe Ostdeutschland schon lange verlassen wollen. 1983 sei schließlich noch nicht anzusehen gewesen, dass sich die Mauer ein paar Jahre später öffnen würde.
Durch Zufall erfuhr die heutige Schauspielerin damals, dass das Theater in Bautzen eine Souffleurin suchte und bewarb sich. Der Intendant engagierte sie und schrieb gleich noch eine Spielverpflichtung mit in ihren Arbeitsvertrag. „Die konnten damals noch jemanden gebrauchen, der jung war und Sorbisch sprechen konnte“, erinnert sich Schmeide. Also spielte sie einfach drauflos – ohne jeglichen Erfolgs- oder Profilierungs-Druck. Ein Dozent von der Ernst-Busch-Hochschule sah sie dann auf der Bühne und legte ihr ein Schauspiel-Studium ans Herz.
Der Fall der Mauer vor 30 Jahren war nach eigenen Angaben in doppelter Hinsicht ein privater Glücksfall für Schmeide. Die Schauspielschülerin hatte im Jahr zuvor Paula, „ein sehr besonderes Kind“, auf die Welt gebracht, wie sie die Beeinträchtigung ihrer Tochter liebevoll umschreibt. „Wir sind dann sofort als die Mauer offen war mit ihr in eine Spezial-Klinik in München gefahren, wo es viel bessere Behandlungsmöglichkeiten gab. Das war damals für meinen Mann und mich das Wichtigste“, sagt Schmeide.
Für die Schauspielerin ist die DDR ein Unrechtsstaat, in dem sie nach eigenen Angaben erleben musste, dass Freunde, die den Dienst an der Waffe in der Nationalen Volksarmee verweigerten, inhaftiert wurden. Der Mauerfall eröffnete Schmeide demnach auch die Chance für eine Karriere, die sie sich mit ihrem Können und ihrer Wandlungsfähigkeit erarbeitete. Gabriela Maria Schmeide avancierte zu einer der renommierten deutschen Charakterschauspielerinnen.
Schmeide spielte unter anderem in Andreas Dresens „Die Polizistin“ und in „Halbe Treppe“. Sie wusste in Michael Hanekes „Das weiße Band“ zu beeindrucken genauso wie jetzt als Sozialarbeiterin in „Systemsprenger“, ein Film, der für Deutschland in das Rennen um die Oscars gehen wird. Zum Kassenschlager, den mehr als 800 000 Menschen gesehen haben, wurde vor fünf Jahren Sönke Wortmanns Schul-Komödie „Frau Müller muss weg“, in der die Komödiantin die Titelrolle spielte.
Seit nunmehr zehn Jahren ist Schmeide nun zudem Ensemble-Mitglied des Thalia Theaters in Hamburg und war und ist hier in vielen Rollen zu erleben, so in der Titelrolle von Brechts „Mutter Courage“, um nur eine zu nennen. Trotzdem hat sie in Elbstadt nur eine Single-Wohnung. Wann immer es geht, pendelt sie nach eigenen Angaben nach Bremen. Hier habe sie ihren Freundeskreis und ihre Familie. „Ich finde Bremen optimal, es ist wie eine Großstadt mit Kleinstadtflair“, sagt Schmeide.
Sprungbrett und Ausgangspunkt für all das war das Bremer Theater, das allein in den zurückliegenden 30 Jahren viele Talente in der Schauspiel- und Musiktheater-Sparte hervorgebracht hat. Zwar kündigte Gabriela Maria Schmeide offiziell nach sechs Jahren am Bremer Theater, um nach eigenen Angaben mehr künstlerischen Freiraum zu gewinnen. Mit Generalintendant Pierwoß hatte sie jedoch die Verabredung, in ein bis zwei Rollen pro Jahr zu gastieren. Und so blieb sie dem Haus für insgesamt 15 Jahre erhalten. Wenn sie nun an den 9. November 1989 denkt, den Tag, an dem die Mauer fiel, sagt sie: „Wie gut, dass das damals passiert ist.“
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.